Sky
Es war dunkel um mich herum. Ich weiß nicht wie lange, aber um mich herum war alles dumpf und düster. Mein Körper, er war taub, nur ein unterschwelliges Kribbeln huschte meine Finger auf und ab. Ein komisches Rauschen surrte durch meine Ohren.
Ich musste husten. Meine Lungen taten furchtbar weh und mit meinem Körpergefühl zog auch ein fieser Schmerz in meine Glieder.
„Sky?", drang eine Stimme durch das Rauschen in meinen Ohren: „Bist du wach?"
Ich war furchtbar müde. Meine Augenlieder lagen schwer wie Blei aufeinander.
„Amy?", fragte ich heiser ohne die Augen zu öffnen: „Bist du das?"
„Ja", drang die Stimme meiner besten Freundin an meine Ohren: „Ich bin hier."
Nach einigen Mühen schaffte ich es die Augen aufzuschlagen.
Amy trug die Haare offen und kein Ballkleid mehr: „Sky. Es tut mir alles so leid."
Ich war verwirrt. Der Wackelpudding, der mein Gehirn darstellen wollte, bekam nicht einen ordentlichen Gedanken zustande. Meine Wangen brannten und ich spürte jeden Muskel: „Was tut dir leid? Wo bin ich?"
Ich schaute mich im Zimmer um. Viel mehr als meinen Kopf konnte ich nicht bewegen. Der Raum war dunkel. Weiße Wände, dunkle Eichenholzmöbel. Ein Himmelbett, ein Schrank, ein Schreibtisch mit Stuhl. Dunkler Parkettboden, auf dessen Mitte ein großer, runder, grauer Teppich lag. Er sah flauschig aus. Dicke, schwarze Vorhänge hielten die Sonne aus dem Zimmer, aber ich konnte die Konturen des großen Fensters hindurch scheinen sehen.
„Bei mir Zuhause", antwortete Amy: „In einem Gästezimmer. Du wurdest gestern Abend angegriffen. Weißt... du das nicht mehr?"
Ich blinzelte sie an. Selbst das Dämmerlicht war noch fast zu hell für meine Augen. Mein Puddinghirn ratterte. Ich erinnerte mich an den Ball. An Amys Eltern und Bruder. An Grell, Ronald und William. An Lee, Charlie und Frank. An... Undertaker... Es klickte. Ich erinnerte mich an das kalte Wasser, die Angst, die zwei Gestalten. Den blonden Jüngling und den großen Brünetten. An Undertaker, der mich zurück in die Welt gerufen hatte.
„Doch...", hauchte ich heiser: „Ich wurde von einem blonden Mann in den Brunnen gedrückt... Er war total... seltsam... Davor hat einer mit dunklen braunen Haaren mich... festgehalten... Er hatte einen Griff wie eine Schraubzwinge... Dann hab ich keine Luft mehr bekommen... Danach", ich stockte. War es wirklich Undertaker gewesen? Oder hatte mein Gehirn mir einen Streich gespielt? Warum sollte er? War er der Mann vom Friedhof?: 'Warum frage ich mich das genau jetzt?!'
„Undertaker hat dich raus geholt", lächelte mich Amy an, als könne sie meine Gedanken lesen. Habe ich schon mal erwähnt, dass ich das an ihr hasse?
„Wirklich?", fragte ich irritiert.
Amy nickte und lächelte mich aufbauend an: „Er hat durch's Fenster gesehen, wie du angegriffen wurdest. Dann ist er raus gerannt. Wir haben uns noch alle darüber gewundert. Na ja, zumindest mehr als sonst, aber dann rief er nach Sebastian und da haben dann alle mitbekommen, was passiert ist. Wir hätten auf die zwei Idioten aufpassen müssen. Sie haben solange die Füße stillgehalten, wir wurden unvorsichtig und du hast es abbekommen. Es tut mir so endlos leid."
Mein heißer, puckender Kopf versuchte Amy zu folgen. Es funktionierte so halb.
'Er war es also wirklich', dachte ich langsam. Irgendetwas Warmes glomm in meiner Bauchgegend auf. Dieses Gefühl verwunderte mich. Ich konnte es nicht wirklich einordnen, doch ich wusste genau, dass ich dem silberhaarigen Sonderling danken sollte... und wollte. Der blonde Freak hätte mich ertränkt, wäre der Bestatter nicht gewesen. Ich erinnerte mich an das warme aufmunternde Lächeln. Ich wusste als ich es sah sofort, ich war in Sicherheit. Egal was passierte. Dieses Lächeln hatte meine Angst vor allem vertrieben. Ich glaube, selbst wenn ich es nicht geschafft und das gespürt hätte, ich hätte mit diesem Lächeln vor den Augen auch davor keine Angst mehr gehabt... Ich blinzelte den Gedanken hastig weg: 'Gott! Jetzt mach mal 'nen Punkt!'
Ich blinzelte Amy an: „Ist er noch da?", fragte ich. Meine Stimme war nur ein leises Kratzen.
Doch Amy schüttelte den Kopf: „Nein. Er musste was Wichtiges erledigen und ist gestern Abend noch gefahren."
„Ich will ihm danken", wisperte ich leise.
Amy lächelte: „Das wirst du, wenn du wieder gesund bist. Wir können dann bei ihm vorbei gehen, aber du hast hohes Fieber und eine gereizte Lunge. Du solltest liegen bleiben und dich ausruhen, damit keine Lungenentzündung draus wird. Mein Vater hat in der Schule angerufen. Wir bleiben hier, bis du über den Berg bist."
Ich brachte meine Mundwinkel irgendwie ein Stück nach oben: „Klingt gut. Aber... Du kennst die Beiden?"
Amy nickte: „Ja. Das war Oliver Trancy, mit seinem Butler Claude Faustus. Die Trancys sind unsere geschworenen Erzfeinde, seit Jahrzehnten. Der jetzt amtierende Earl Trancy bot meinem Vater Frieden an, dafür... sollte er ihm nur meine Hand geben."
Ich schaute nicht allzu intelligent: „Bitte? Du solltest ihn zwangsheiraten?"
Amy schüttelte den Kopf: „Nein, mein Vater wollte nicht und Oliver meinte nur, dass wir das noch bereuen würden. Nun... Er fing wohl gestern damit an. Wäre Undertaker nicht so umsichtig gewesen, wärst du nun tot und das nur, weil ich dich gezwungen hatte mitzukommen."
Jetzt schüttelte ich den Kopf: „Du hast das ja nicht mit der Berechnung gemacht, dass irgendein Freak mich im Brunnen ertränkt. Eigentlich... war der Abend ja sonst ganz lustig."
„Findest du?", strahlte Amy.
Ich nickte schwach: „Irgendwie."
Amy lachte: „Ruh dich aus. Umso mehr du schläfst, umso schneller bist du wieder auf den Beinen und kannst deinem Retter danken."
Ich merkte wie meine Wangen noch einen Tacken wärmer wurden: „Beton das nicht so."
„Wie?"
„Als ob das meine einzige Sorge wäre."
Amy lachte noch mehr: „Es klingt so. Schließlich galt dein erster sortierter Gedanke ihm."
„Hallo... Ich wurde fast umgebracht... Natürlich bin ich ihm dankbar."
Amy hörte mit dem verdammten Kichern nicht auf: „Na ja, ruh dich aus. Wenn du etwas brauchst, neben deinem Bett ist eine kleine Klingel. Dann kommt Sebastian vorbei. Zögere nicht, ok?"
Ich nickte müde: „Alles Roger."
Amy verließ den Raum und meine Augen streiften immer wieder durch den dunklen Raum. Ich erinnerte mich an das Wasser, an diese Kälte und die Arme, die mich festgehalten hatten. An dieses atemberaubende, aufbauende Lächeln und an das Gefühl, dass jetzt alles wieder in Ordnung sei. Dieser Mann hatte eine unglaubliche Ausstrahlung. Dieser Mann... war er wirklich der Mann vom Friedhof...?
Irgendwann schlief ich ein und irgendwann weckte mich Sebastian zum Abendessen. Eine starke Hühnersuppe. Ich hatte im meinem Leben noch nichts gegessen, was so gut schmeckte. Doch immer wenn ich den Butler sah beschlich mich dieses furchtbar nervige, kribbelige Gefühl von Unwohlsein. Immer kurz bevor er ins Zimmer kam, spürte ich ein ziehen in meinem Nacken. Danach kam tatsächlich Amy mit ihrem Vater zu mir ins Zimmer und er entschuldigte sich für das, was passiert war. Ich sagte ihm, dass ihm nichts leidtun müsste, doch er bestand darauf. Ich solle mich wie zu Hause fühlen und nicht zögern, sollte ich etwas brauchen.
Vier Tage vergingen, bis mein Fieber verschwunden und meine Lunge sich erholt hatte. Von der Erkältung war nur noch ein Schnupfen mit Rachenentzündung übrig. Das war nervig und ich kratzte beim Sprechen wie eine heisere Elster, aber besser als tot. Um die Lungenentzündung war ich herum gekommen, denn ich war bei Sebastian in wirklich kompetenten Händen gewesen. Obwohl es mir nicht gut ging, waren die Tage bei den Phantomhives wirklich nicht schlecht. Amys Familie war wirklich nett und ich hatte mich irgendwie... wohlgefühlt. Ich hatte nicht eine Sekunde mehr das Gefühl fehl am Platz gewesen zu sein. Mit Amy und Frederic hatte ich öfters Karten gespielt. Es war wirklich lustig gewesen. Doch dieses Gefühl verunsicherte mich auch. Es war Amys Familie, nicht meine. Sie waren nett zu mir, weil sie wahrscheinlich dachten, sie seien mir etwas schuldig. So schmeckte eine weitere eigentlich gute Zeit furchtbar bitter und es war sowohl schade wie erlösend, als Amy und ich am vierten Tag von Sebastian wieder Richtung Campus gefahren wurden. Amy hatte mir Kleidung geliehen: Eine schwarze Jeans, ein paar braune Boots und ein schwarzer Kapuzenpulli, in dem ich eigentlich verschwand. Ich trug darüber meinen warmen Poncho, um meinen kratzenden Hals einen dicken, grauen Schal. Meine Haare zu einem lässigen Dutt gebunden, hatte ich in Gedanken versunken an meinem langen Pony vorbei die Aussicht begutachtet. Immer wieder blieb ich an dem Gesicht von Undertaker hängen. Warum? Er war ein ziemlicher Irrer. Irgendwie war mir mulmig bei dem Gedanken, bei ihm vorbei zu gehen. Ich schüttelte mich, als eine Gänsehaut bei den Gedanken über meine Arme kroch. Doch ich hatte das Gefühl ich werde die Gedanken nicht los, wenn ich mich nicht wenigstens bedanke. Verrückt oder nicht, dank ihm war ich jetzt auf dem Weg zum Campus und lag nicht schon in seinem Laden. Ich war ihm wenigstens ein Dankeschön schuldig. Wenn das überhaupt genug wäre. Ich überschlug meine Gedanken. Vielleicht wäre ein kleines Präsent nicht unangebracht. Aber... was? Ich seufzte ideenlos.
„Was überlegst du?", fragte Amy.
„Ach", machte ich, immer noch den Kopf auf meine Hand gestützt: „Eigentlich nichts."
„Ähm du? Mandy hat mir geschrieben, dass wir uns heute im 'Swan Gazebo' treffen, damit sie mich auf den neusten Stand bringen. Nur die Prefects, ohne Fags."
„Aber wir wollten doch..."
„Ähm... Geh doch allein", lächelte Amy.
Meine Wangen wurden warm, warum auch immer: „Was?!"
Die Phantomhive lachte: „Eigentlich wäre ich doch eh im Weg, oder? Du musst keine Angst vor ihm haben, wirklich. Ich schick dir seine Adresse."
Amy tippte auf ihrem Handy herum. Keine Minute später klingelte mein Messenger und ein Link öffnete die GPS-App und berechnete die Route von meinem Standort zum Ziel, mit Bild und Name, aber keine Homepage. Nur eine Telefonnummer und geschlagenen 175 Bewertungen, davon 82 mit 5, 54 mit 4 und 39 mit 3 Sternen: „ ‚The Undertaker's Funeral Parlor' ?"
„Jup, so heißt sein Laden", lachte Amy: „Sein Hobby ist sein Beruf."
„Cool... Eigentlich...", ich seufzte: „Wäre er nicht Bestatter."
Amy musste laut loslachen: „Ja. Bei vielen liegt genau da das Problem", dann lächelte sie mich an: „Es bedrückt dich. Du schaffst es eh nicht zu warten, bis wir morgen zusammen gehen können."
Wieder konnte ich es nicht ausstehen, dass Amy einen Schlüssel zum Hintertor meiner Gedanken hatte: „Ich will's hinter mich bringen."
Amy grinste bedeutungsschwer, doch gefiel mir die Bedeutung darin nicht: „Ja, ja merkt man."
Ich verdrehte die Augen und entzog mich weiterer Konversation.
Am Tor zur Schule verabschiedete uns Sebastian. Ms. Lowell begrüßte uns. Ich war noch ein bisschen schwach und mein Hals kratzte, doch abgesehen davon ging es mir gut. Nicht mal meine Nase war verstopft. Sebastian hatte mich mit etlichen Teesorten abgefüllt, es muss geholfen haben.
Ms. Lowell entließ uns in unsere Zimmer. Doch Amy verabschiedete mich vor dem Grundstück der Wölfe: „Ich geh direkt durch, die Anderen warten."
Ich nickte: „Gut und du brauchst mich wirklich nicht?"
Sie schüttelte lachend den Kopf: „Nein, nein, geh du deinem Retter danken."
Ich zog eine Schnute.
Amy winkte und ging davon: „Bye!"
„Bye", gab ich zu leise zurück.
'Als ob ich jetzt sofort...', ich schaute auf mein Handy. Die App mit der Route war noch geöffnet. Ich grummelte einmal in mich hinein und ging in mein Zimmer im Wohnheim.
Dort angekommen schmiss ich mich auf mein Bett und zückte ein weiteres Mal mein Smartphone. Die kleine Karte auf meinem Display zeigte eine Route in eine ziemlich verwinkelte Ecke von verwirrenden, alten Gassen. Auf dem ersten Viertel der Strecke lag der alte Friedhof: 'Gott, das ist ja in the Middle of Nowhere...' Der Bestatter musste definitiv einen gewissen Ruf haben, ansonsten würde er keine Kunden haben. Den Laden findet da ja niemand, wenn er nicht danach sucht: 'Was interessiert dich das?!'
Grummelnd drehte ich mich auf mein Gesicht. Entnervt wollte ich das unstete Gefühl von Rastlosigkeit weg seufzen. Erfolglos. Ich drehte mich nach einigen Minuten wieder auf den Rücken und schwang meine Beine vom Bett und mich somit in den Sitz: „Ich hasse dich, Amy!"
Ich riss meinen Kleiderschrank auf. In dem Hoodie, der mir 2 Nummern zu groß war, konnte ich nicht losgehen. Ich tauschte ihn gegen einen schlichten schwarzen, engen Pulli und einen grauen Bolero mit Kapuze. Auch die Jeans von Amy war mir zu weit, also tauschte ich sie gegen eine meiner schwarzen Röhrenjeans. Es war eine Ripped-Jeans, aber nur weil sie schon ziemlich abgetragen war. Meine Haare ließ ich so. Bei denen war eh Hopfen und Malz verloren. Nachdem ich meine schwarzen Chucks übergezogen, den Schal um meinen Hals und den Poncho um meinen Oberkörper gewickelt hatte, verließ ich das Wohnheim wieder.
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Tears and Laughter
Fanfiction[Black Butler / The Undertaker x OC / Modern Times] »Ich konnte mich nicht bewegen. Diese Augen bannten meinen Blick. Warum war die Haut des Totengräbers so kalt? Gleichzeitig mit diesem Gedanken schoss mir auch schon wieder Hitze ins Gesicht und ic...