Kapitel 5: Ferien im Gruselkabinett

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Sky


Am nächsten Morgen wurde Amy von Sebastian abgeholt.
Die Herbstferien standen vor der Tür und würden uns eine Woche vor dem Unterricht bewahren. Bald wird diese Schule furchtbar leer sein. Eigentlich blieben nur die Stipendiaten in den Ferien in der Schule und selbst davon nicht zwingend alle. Das große Grundstück der Wölfe werde ich mir bald mit nur 2- 3 Gestalten und den Angestellten teilen.
Amy bat mir zwar an mit ihr zu kommen, doch ich schlug aus.
Eigentlich war es nie eine schlechte Zeit und nun, da ich Fag eines Prefects war, treten mir die Schüler anders gegenüber. Ich hatte irgendwie im Gefühl es könnten sehr gute Ferien werden. Vielleicht finde ich ja endlich eine Fag unter der Handvoll verbliebener Schüler.

Der Montag war schleppend angebrochen. Ziemlich ideenlos was ich mit mir anstellen sollte warf ich mich in eine grauen, weiteren Pulli mit schwarzen Totenköpfen und eine stumpfe, schwarze Jeans, sowie meine Segeltuchschuhe. Ein Aufzug, der ungefähr genauso kreativ war wie meine Tagesplanung. Nachdem ich mich geschminkt hatte ließ ich die Haare einfach offen, doch der kleine Zopf fiel mir über die Schulter. Ich beschaute ihn kurz und ein komisches Gefühl knistert in meinem leeren Magen hin und her. Es huschte von links nach rechts wie eine Horde fetter, flauschiger Hummeln.
Ich konnte nicht anders: Während ich den kleinen Zopf befühlte schwirrten einige Szenen durch meinen Kopf. Ich kannte den Bestatter noch nicht lange. Getroffen hatte ich ihn bis jetzt nur 5-mal. Trotzdem hatte ich das Gefühl in diesen fünf Begegnungen war unglaublich viel passiert, obwohl wir bei der ersten noch nicht einmal miteinander gesprochen hatten. Jede Begegnung war so präsent in meinem Kopf. Einen solchen Mann vergaß man nicht. Egal wie sehr man es versuchte. Des Weiteren war Undertaker irgendwie immer genau dann da, wenn ich eine helfende Hand gebrauchen konnte und streckte sie mir in vollkommener Selbstlosigkeit entgegen. Er hatte nichts davon, doch er wirkte nicht als ob ihn das interessierte. Seufzend verließ ich die stille Wohnung, in der ich viel zu viel Raum zum Nachdenken hatte. Ich dachte nämlich viel zu viel nach in letzter Zeit. Nicht über Klausuren oder Unterricht oder meine Abschlussprüfung, wie ich es vielleicht langsam mal tun sollte. Nein. Ich dachte über ein breites Grinsen nach oder über das immer größer werdende Gefühl endloser Enttäuschung. Das komische warme Gefühl in mir kribbelte auf wenn ich über den Bestatter nachdachte und brach in sich zusammen sobald ich an das Theater dachte, was meine Eltern veranstaltet hatten. Es war gut, dass sie geblieben waren wo der Pfeffer wuchs, doch... Ich zwang mich selbst den Gedanken abzubrechen.
'Undertaker hat mir wirklich ziemlich oft geholfen', schaffte ich es mich mal wieder erfolgreich mit den Gedanken an zwei funkelnde, grüne Augen abzulenken: 'Ich sollte mich irgendwie erkenntlich zeigen.'
In dem Moment hatte ich auch schon eine Idee und ging durch zum Frühstück.
Wir waren 4 Schüler. 3 Stipendiaten saßen schon an einem Tisch, als ich mich dazusetzte, aßen und redeten. Die aus dem ersten, zweiten, vierten und ich aus dem fünften Jahr. Die Anderen beschauten mich fast ehrfürchtig, als ich Platz nahm. Ich war die erste Stipendiatin, die es zum Prefect Fag geschafft hatte. Doch irgendwie entfernte es mich auch ein bisschen von ihnen. Sie überlegten was sie sagten, wie sie es sagten. Das Gefühl war nicht schlecht, aber komisch. In den großen Schülermassen fiel es einem meistens nicht so auf, vor allem da ich oft mit Amy unterwegs war. Natürlich war sie die Prefect und die Schüler wurden in ihrer Gegenwart aus Respekt schon einmal 50 cm kleiner. Doch dass sie es auch vor mir wurden, war mir bis jetzt nicht aufgefallen.
Trotz allem war die Atmosphäre sehr entspannt. Die Angestellten und auch Ms. Lowell saßen mit an dem gedeckten Frühstückstisch und unterhielten sich mit uns. Ich setzte mich neben Lola Smithers, unsere Küchenchefin. Eine nette Dame Anfang 60, etwas korpulenter, doch mehr als rüstig. Sie saß in ihrem blassblauen Kleid mit weißer Schürze, welche hier und da ein paar Soßenflecken hatte und dem friedhofsblonden Dutt auf ihrem Stuhl und lächelte jeden durch ihre nur unten gerahmte Brille freundlich an. Sie war meine Tante Amanda, eine der nettesten Menschen die ich kannte. Wenn ich auch oft nicht wusste was ich in meinen Ferien tun sollte, war mir immer klar, dass ich auf jeden Fall ein bis zwei Mal mit ihr backen würde.
Lola schaut mich an: „Guten Morgen Sky. Was hast du? Nicht gut geschlafen?"
Ich nickte müde. Obwohl ich die letzten Wochen so gut wie nichts gegessen hatte, suchte ich mein Hungergefühl mehr als nur vergeblich.
Ich lächelte sie durch meine dezente Gefühlslage an: „Ja. Ich weiß nicht warum. Ich hab auch nicht wirklich Hunger."
„Iss zumindest ein bisschen, Liebes", legte mir Lola ein Brötchen auf den Teller: „Du wächst doch noch."
„Ich bin fast 18, Lola. Ich wachse nicht mehr."
„Ha!", lachte sie: „Ich habe hier schon Mädchen gesehen, die gingen in die Ferien und kamen 15 cm größer wieder zurück und das im vierten Jahr."
Ich seufze ansatzweise amüsiert: „Aber ich mag eigentlich nichts essen."
Lola schüttelte mitfühlend den Kopf: „Das eine Brötchen. Tu mir den Gefallen."
Ich seufzte wieder: „Ok, ok. Wenn du mich so bittest", schnitt ich den Teigling auf und bestrich ihn mit Butter: „Sag mal, Lola? Hast du die Tage Zeit für mich?"
Lola biss von ihrem Brötchen und kaute kurz zu Ende, bevor sie mich anlächelte: „Natürlich Liebes! Was brauchst du?"
„Ich", strich ich mir etwas Erdbeerkonfitüre auf mein Brötchen: „Möchte gerne backen..."
Lola lachte: „Wie jedes Mal! Du weißt doch, dass du immer in der Küche vorbei schauen kannst. Warum fragst du also so explizit danach?"
„Es... es ist mir wichtig, dass es auf jeden Fall funktioniert... Sehr wichtig sogar."
Lola lachte wieder: „Ah! Also ein Geschenk!"
Ich nickte kauend: „...Ja..."
Die Köchin funkelte mich wissend an und zwinkerte mir zu: „Es geht doch nicht etwa um einen Jungen, oder?"
Das Brötchen in meiner Kehle wurde spontan zu einer gefährlichen Waffe. Ich verschluckte mich und hatte das Gefühl der Krümel verstopft meinen Hals komplett, als mich Lolas Worte vollkommen unerwartet wie ein Baseballschläger ins Gesicht trafen.
Meinen heißen Kaffee kippte ich in einen Zug hinunter. Nachdem das Brennen in meinem Mund und Hals nachgelassen hatte, konnte ich wieder halbwegs atmen.
„Nein!", rief ich aus: „Wie kommst du denn darauf?!"
Lola lachte nur wieder: „Ich glaube dir kein Wort. Erzähl! Ist er nett?"
„Es geht um keinen Jungen!"
„Wen möchtest du denn dann beschenken?"
„Einen...", ich suchte verzweifelt nach einem Wort: „... Freund... Er hat mir ausgeholfen und ich möchte mich bedanken."
„Also doch ein Junge."
„Er ist kein Junge!"
„Er?"
Ich schaute weg und wurde rot im Gesicht: „Ja, er. Ein Freund... halt."
„Aber du kennst ihn nicht durch die Schule."
„Nein... Durch Amy. Er ist ein Freund ihrer Familie und ich hab mich auch mit ihm angefreundet. Ist das schlimm?"
Lola lachte. Ich hatte immer noch das ungute Gefühl sie beharrte auf ihrer Einschätzung: „Natürlich nicht! Heute muss ich noch die Küche für die nächsten Tage organisieren, aber morgen nehme ich mir gerne etwas Zeit für dich. Weißt du schon was?"
„Nein...", antwortete ich ehrlich: „Noch nicht. Ich dachte vielleicht hast du eine Idee."
„Hab ich tatsächlich", zwinkerte mir Lola wieder zu. Es gefiel mir nicht: „Ich hab letztens ein Rezept für Dessertpreussen gefunden. Ich wollte es eh mal ausprobieren. Lass uns ein paar davon machen und du nimmst einfach welche für deinen 'Freund' mit."
Die Art wie sie das Wort 'Freund' aussprach gefiel mir auch nicht, aber ich entschloss mich es nicht weiter auszudiskutieren.

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