Sky
Zwei Tage später waren Amy und ich auf dem Weg in Undertakers Bestattungsunternehmen, um unsere wohlverdiente Strafe für unsere Hirnrissigkeit abzuarbeiten.
Als wir dort ankamen schauten wir etwas verwundert auf die offenstehende Türe.
„Tu nicht so, als ob du es nicht verstehst", wehte uns eine strenge Stimme entgegen.
Ich erkannte sie sofort und der Blick, den ich mit Amy tauschte, verriet mir, dass sie es auch tat: William.
„Hehehehe! Ich habe lediglich gesagt, es sei anstrengend."
„Du hast jahrelang Verwaltungsarbeiten erledigt, die bei weitem anstrengender waren!"
„Und hatte das Gefühl lebendig zu verwesen, ja. Tehe!"
„Himmel Herrgott! Warum tue ich mir das eigentlich an?"
„Nehehehe! Weil du mich eigentlich magst, William."
„Überstrapaziere meine Freundlichkeit nicht!"
Ich schaute auf mein Handy: 16:35 Uhr.
Wir hatten uns nicht getraut zu spät zu kommen, weswegen wir überpünktlich losgegangen und angekommen waren.
Trotzdem streckten wir unsere Nasen durch die Türe.
Alle Fenster im Laden und die halb versteckte Türe hinter dem Tresen standen weit offen. Auch durch den Türbogen, der in den hinteren Teil des Ladens führte, sickerte Licht, was mir verriet, dass wohl auch die Hintertür offenstand. Die treibende Kraft dazu war sicherlich William gewesen. In Undertakers Laden war es immer ein wenig muffig. Nicht furchtbar unangenehm, aber die Luft in dem kleinen Shop roch immer ein wenig abgestanden, alt und staubig.
Ich musste kurz darüber sinnieren wie es in Undertakers Laden wohl vor knapp 100 Jahren gerochen haben musste, als es noch keine Kühlzellen gab. Sicherlich nicht anders, als in jedem anderem Bestattungsunternehmen, doch trotz allem drehte sich mein Magen bei dem bloßen Gedanken daran um.
William und Undertaker hatten über einem großen Buch, einem Block und einem Taschenrechner die Köpfe zusammen gesteckt. Dem Bestatter fehlte der Hut. Er lag neben ihm auf dem Tresen. Darauf saß Merkenau und schlummerte selig. Undertakers Pony war zurück gewischt und seine Brille auf seiner Nase, als er mit dem Finger über das Papier des Buches fuhr. William schrieb auf dem Block herum, strich hin und wieder etwas durch, gab etwas in den Rechner ein und tippte mit dem stumpfen Ende seines Bleistifts ab und an überlegend auf dem Papier herum. Einige Zahlen und Daten flogen durch den Raum. Die Wörter ‚Einnahmen', ‚Ausgaben', ‚Grundsteuer' und ‚Betriebssteuer' hörte man ziemlich oft heraus. Es schien als half William Undertaker bei seiner Steuerabrechnung.
Amy schaute mich an: „Sollen wir warten?"
Doch ich schüttelte den Kopf. Schließlich hatten wir auch allen Grund uns bei dem strengen Aufsichtsbeamten zu bedanken.
Ich war gestern und auch heute ein paar Mal über den Fakt gestolpert, dass William mehrere Regeln gebrochen hatte damit Undertaker unsere Haut retten konnte. So herzlos, wie der strenge Shinigami immer wirkte, schien er eigentlich gar nicht zu sein. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass Grells - sicherlich infernalisches - Gezeter ausgereicht hätte, um den regeltreuen Vorzeigereaper dazu zu bewegen 5 Regeln auf einmal zu brechen.
Ich ging in den Laden und klopfte gegen den Türrahmen.
Die Köpfe der beiden Shinigami flogen herum.
„Ah!", machte Undertaker und verschränkte freudig grinsend die Fingerkuppen: „Meine zwei Putzteufelchen sind da. Wie erfreulich! Sogar überpünktlich!"
Ich winkte kurz.
„Hi", hörte ich Amys Stimme hinter mir.
William sah uns mit einen Arm schräg gegen den Schreibtisch gelehnt an. Ich hatte das Gefühl einen Hauch Mitleid in seinem harten Gesicht zu sehen: „Ihr habt keine Ahnung, in was ihr euch da rein manövriert habt."
Ich ging auf den Aufsichtsbeamten zu. Im Vorbeigehen streichelte ich kurz Merkenau, der schläfrig ein Auge öffnete und krähte. Als ich vor William stand ließ ich demütig den Kopf hängen: „Es kann nicht so schlimm sein wie sterben, William. Das ich überhaupt noch hier stehe ist dank dir. Ich danke dir. Ich habe keine Ahnung wie ich das je wieder gut machen soll."
„Wir danken dir und wir haben keine Ahnung", hörte ich Amy neben mir: „Das war echt cool von dir. Wenn du auch noch ein Büro zum Entstauben hast, sag Bescheid."
William schnaubte genervt. Allerdings wirkte seine Genervtheit nicht ganz authentisch: „Das Angebot ist verlockend, aber glaubt mir, ihr seid mit dieser Räuberhöhle genug gestraft. Ich würde es allerdings vorziehen eure Namen kein zweites Mal in zu naher Zukunft in unserer Liste zu lesen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was für ein Theater Grell veranstaltet hat."
Mein Kopf zuckte zu dem Gesicht des Reapers. Hatte er gerade ‚Grell' gesagt? Ich habe noch nie gehört, dass William Grell mit seinem Vornamen ansprach. Wenn er mit dem rothaarigen Reaper einigermaßen zufrieden war, merkte man das höchsten daran, dass ein ‚Herr' vor seinem Nachnamen wanderte. Nannte William Grell tatsächlich nur dann Grell, wenn Grell nicht dabei war? Doch William war von meinem verwunderten Gesicht gänzlich unbeeindruckt: „Ich würde es des Weiteren ebenfalls bevorzugen, wenn alle Beteiligten über diese unglückliche Situation stillschwiegen bewahren würden. Ihr könntet in eine unangenehme Position kommen und ich auch. Lasst uns einfach nie wieder darüber sprechen und es vor allem nie wieder wiederholen."
Ich und Amy nickten.
„So!", fuhren unsere Köpfe zu dem Totengräber, als er mit einem lauten ‚Wumps' zwei große Eimer auf die Theke stellte. Aus einem schwappte Wasser über und William hob in Windeseile Block und Buch vom Tisch, damit sie nicht nass wurden. Merkenau flatterte erschrocken krächzend mit den Flügeln und war ein kleiner, explodierter Federball geworden. Als ihn dann auch noch eine Welle des Wasser erwischte blinzelte er kurz verwirrt, schüttelte sich, schaute den Bestatter zornig an und krähte verstimmt.
„Entschuldige", lachte der Bestatter den Vogel an.
Dieser krähte säuerlich. Der kleine Rabe hüpfte vom Zylinder und dann zu der urnenförmigen Keksdose, die neben dem Hut auf dem Tresen stand. Er zog sich ein Biskuit heraus. Genüsslich knusperte der kleine Rabe auf dem Tresen an dem Keks herum. Undertaker nahm sich ebenfalls einen und steckte ihn zwischen die Lippen ohne abzubeißen. Er zog ein Stofftaschentuch aus der Tasche und rubbelte den kleinen Raben trocken. Noch einmal krächzte der kleine Vogel. Diesmal allerdings wohlig.
„Ich weiß, ich weiß. Hehehehe! Wie gesagt, es tut mir leid."
Merkenau hüpfte den Arm des Bestatters hoch und schließlich auf die Schulter des Totengräbers. Dort wackelte er betont mit seinem süßen Hinterteil und setzte sich, als wollte er jedem genau klar machen, dass dies sein Platz war und von niemand anderem. Nicht, dass irgendjemand von uns da hin gepasst hätte.
Die Beiden waren ein Herz und eine Seele.
Amy schaute zu dem immer noch recht explodierten Vögelchen: „Das ist also Merkenau?"
Der Bestatter nickte: „Hihihi. In der Tat."
Dann schob er sich den Keks ganz in den Mund und kaute glücklich darauf herum.
„Oh, der ist sowas von süß! Ich weiß gar nicht was Grell hat!"
Bei dem Namen des rothaarigen Reaper krächzte Merkenau verstimmt.
„Die Beiden können einfach nicht miteinander. Das hatte Grell sich auf Anhieb verscherzt", lachte der Bestatter amüsiert. Merkenau krächzte ihm genau ins Ohr, als hätte er seine Aussage angesäuert kommentiert.
Undertaker dreht mit einem zuckenden Auge seinen kleinem Finger in seinem Ohr: „Ist ja gut. Nicht genau ins Ohr, ja?"
Merkenau schüttelte sich betont und schaute wieder zu Amy.
„Noah! Der ist wirklich knuffig", schwärmte die Phantomhive: „Darf ich dich kraulen, Merkenau?"
Wie die Prinzessin auf der Erbse reckte Merkenau ihr gönnerhaft den Kopf hin. Kichernd kraulte sie ihn: „Oh! Einfach putzig!"
Ich lächelte über die harmonische Szenerie.
„Doch da ihr beiden euch ja jetzt so fein bedankt habt", grinste uns der Bestatter mit einer Menge Pläsier und einer genau so großen Menge Schadenfreude entgegen: „Könnt ihr ja anfangen. Hehehehe! Meine Regale erwarten euch sehnsüchtig!"
Wir schauten uns um. Eigentlich war die Aufgabe ja keine schwere. Das Problem war nur... Undertaker hatte etliche Regale! Und das nur in dem Verkaufsraum! Ich war mir anbei auch nur allzu sicher, dass er sich nicht auf diese beschränkte.
Und ich sollte Recht behalten.
„Wenn ihr mit denen im Laden fertig seid, dürft ihr hinten weiter machen, ehehehe", giggelte der Bestatter und zeigte auf die Türe hinter dem Tresen.
Die Phantomhive und ich schauten einander an und ließen dann den Kopf hängen: „Ay, ay Sir..."
Still schweigend ergaben wir uns unserem Schicksal.
Nachdem wir uns die Haare zurückgebunden und die Ärmel hochgekrempelt hatten, wollten wir uns jeweils einen Eimer nehmen. Doch noch bevor ich die Hand an den Henkel des Plastikeimers gelegt hatte, haschte Undertaker sie mit seiner Eigenen. Überrascht und vollkommen überfahren schaute ich ihm entgegen und hatte schon wieder die blanke Schamesröte im Gesicht stehen, als der Bestatter meine Fingerkuppen beschaute. Zwei hatte ich getapped. Die Zwei, an denen mir die Fingernägel abgesplittert waren, als ich mich von Hannah befreien wollte. Undertaker legte seinen Kopf schief: „Das könnte mit dem Seifenwasser aber ganz schön knistern. Tehe!"
Ich seufzte: „Wahrscheinlich. Aber was soll ich dagegen tun?"
Undertaker legte den Kopf schiefer. Dann hellte sich sein Gesicht unter einem Einfall auf und er verschwand noch einmal in der versteckten Türe. Als er wieder kam hatte er einen Karton in der Hand, der ebenfalls mal staubgewischt werden könnte. Doch unter dem ganzen Staub las ich so etwas wie ‚Basic-Plus'.
„Was ist das?", fragte ich trotzdem.
Undertaker grinste: „Eine Packung Einmalhandschuhe."
„Ahhh", machte ich in Erkenntnis, doch zog dann die Augenbrauen zusammen: „Die hast du schon was länger oder?"
Undertaker kicherte und gab mir den kleinen Karton: „Tihihi! Ein bisschen. Nimm sie. Damit sollte sich größerer Schmerz vermeiden lassen."
Ich lächelte ihn verhalten an: „Danke."
Er lächelte zurück und mein Herz übersprang aus irgendwelchen Gründen einen Schlag.
Ich fragte mich woher dieser Anfall von Schamesröte kam, während ich die - bis dato ungeöffnete – Packung Einmalhandschuhe öffnete und mir einen über meine Hand mit den zwei getappten Finger zog. Dann nahm ich meinen Eimer und schaute an dem fast deckenhohen Regalen hinauf: ‚Wie soll ich denn da oben ran kommen...?'
Doch wieder schien es, als könne Undertaker meine Gedanken lesen. Denn er stellte stumm, aber von einem Ohr zum andern grinsend, zwei Tritts mit vier Stufen neben uns ab und ging wieder zu William.
Es war eine mühevolle Arbeit. Undertakers Regale waren vollgestellt bis unter den Rand. Wir mussten jedes Brett abräumen, feucht wischen, dann trocken wischen und die Gläser und Behälter abstauben, bevor wir sie zurückstellen konnten. Vor allem die putzscheue Adelstochter wirkte reichlich genervt, aber stumm ergeben.
Undertakers Laden war nicht dreckig, doch staubwischen schien genau so wenig sein größtes Hobby zu sein. Ich nieste mir die Seele aus dem Leib. Meine Nase fühlte sich an, als haben sich darin Hornissen ein Nest gebaut.
Ich versuchte mir den Inhalt der Gläser die ich putzte, nicht allzu genau anzuschauen. Doch es gelang mir nicht. Als ich bei meinem dritten Glas auf einmal eine Niere in der Hand hielt, quietschte ich auf: „AH! Oh mein Gooooooott~ ..."
Ich wusste, dass der Bestatter mit Freuden Innereien seiner ‚Gäste' einlegte. Doch ich hatte nicht damit gerechnet, dass er sie sich einfach in seine Regale stellte.
Ich hatte ja das Gefühl meine Augen drehten sich nach hinten und ich fiel gleich einfach um, als das Organ aufgrund meiner erschrocken zitternden Hand, so fröhlich in seinem Formaldehydbad herum hüpfte. Ich hatte noch nie ein Organ gesehen! Wo auch?!
Ich hörte Undertaker amüsiert lachen, während ich gegen meinen inneren und äußeren Zusammenbruch kämpfte.
Gott war mir schlecht!
Amy schaute mich an und ging mit ihrer Nase näher an das Glas heran: „Was hast du de... Hö?... Äh!", sie hüpfte ein Stück zurück: „Undertaker? Das ist Ih! Das ist einfach ganz doll Ih!"
„Tihihihihihi!", kicherte der Bestatter laut, der mittlerweile mit einem Messbecher voll Tee auf seinem Stuhl saß und die Füße auf seinem Tresen abgelegt hatte, während er mit William weiter durch seine Finanzen rechnete: „Weniger schnattern, mehr putzen!"
„Ja doch", ertönte es von uns zweistimmig und ich warf meinen Lappen über das Glas. Ich zog ihn auch erst wieder herunter, als ich es abgestellt hatte. Leider war ich mir nur allzu sicher, dass es nicht die einzige Niere sein wird, die sich hier versteckte. Ganz zu schweigen von anderen artverwandten Dingen.
Ich habe nicht gezählt wie viele Nieren, Herzen, Bauchspeicheldrüsen und Ähnliches mit an diesem Tag in die Hände fielen. Ich wusste nur, dass ich die Sammelleidenschaft des Totengräbers wirklich nicht teilte. Ein Gehirn brachte mich allerdings endgültig an den Rand meines Durchhaltevermögen und als mir ein paar Augen aus einem anderen Glas entgegen schauten, wusste ich wirklich nicht wie ich mein Frühstück drin behalten hatte. Gläser sollten nicht zurück schauen. Das sollten sie einfach nicht tun...
Amy fand ein paar Gläser mit Adern und Venen. Gut zu bekommen schien dies der Phantomhive nicht. Sie setzte sich auf einen Sarg und fuhr sich durch die Haare: „Was tue ich hier...?"
Ich hielt ihr die Augen hin: „Tauschen?"
Ihre eigenen wurden groß und sie hüpfte von ihrem Sarg auf: „AH! GEH WEG DAMIT!"
William stöhnte am Tresen. Der Bestatter schien nicht wirklich bei der Sache zu sein. Er hatte viel zu viel Spaß an unseren verstörten Gesichtern und Gebärden.
Irgendwann unterbrach Williams Stimme kurz unsere Arbeit: „So. Ich empfehle mich. Miss Phantomhive? Miss Rosewell? Undertaker? Ich wünsche einen angenehmen Tag."
„Ich danke dir, William", verstaute der Bestatter Buch und Block in einer Schublade: „Wenn ich etwas für dich tun kann, lasse es mich wissen. Tehehe."
„Werde ich", ging William in Richtung Türbogen und schaute uns noch einmal über seine Schulter an: „Und viel Erfolg."
„Danke", nickte ich zerknirscht: „Dir auch einen schönen Tag, William."
„Mach's gut", verabschiedete sich Amy mit angestrengter Stimme.
William nickte und verschwand.
„So meine kleinen Wichtel", grinste Undertaker und ging ebenfalls Richtung Türbogen: „Ich habe selbst noch etwas Arbeit. Hehehe! Ich bin hinten, falls ihr etwas braucht."
Die Phantomhive und ich gingen wieder an die Arbeit.
In dem hinteren Teil des Ladens hörten wir nun ab und an ein geschäftiges Klimpern und Klirren. Was wir allerdings durchgängig hörten war das beständige verträumte Summen und Pfeifen des, in seiner Arbeit versunkenen, Bestattungsunternehmers.
Irgendwann grollte aus dem hinteren Raum ein konstantes Surren zu uns herüber.
„Was macht er da?", fragte ich irritiert, als ich ein paar Gläser abwischte und blinzelte zu dem Türbogen. Doch ich konnte nichts erkennen.
„Willst du das wirklich wissen?", fragte Amy, die bis zum Bauch in einem Regalbrett verschwunden war.
Ich schüttelte den Kopf: „Nein... Nein, du hast Recht. Wahrscheinlich will ich das nicht."
Ich stellte die Gläser wieder ins Regal, da kam auch schon die Zeit in der ich auf den Tritt klettern musste, weil mir die Körpergröße ausging.
Das Problem war nur, dass ich furchtbare Höhenangst hatte. Ich atmete auf den schmalen Stufen durch und versuchte mich aufs putzen zu konzentrieren. Auf diesen Brettern stand der Staub Zentimeter dick. Bei den unteren Regalbrettern war er immer wieder verwischt worden, weil der Bestatter Gläser herausgenommen, oder wieder hinein gestellte hatte. Doch hier oben war die Staubschicht fast unberührt.
„Sky?"
Der leicht überraschte Tonfall Amys brachte mich dazu den Kopf zu ihr zudrehen: „Hm?"
Sie hatte einen silbernen Bilderrahmen in der Hand und beschaute ihn verwundert. Dann drehte sie ihn zu mir: „Ist das nicht das Bild, dass du an meinem Geburtstag klang heimlich von Undertaker auf dem Friedhof gemalt hast?"
Mein Gesicht wurde heiß auf Grund eines peinlich berührten Schocks. Doch dann fiel mir etwas ganz anderes auf: Ich hatte Amy nie erzählt, dass ich mittlerweile wusste, dass ich Undertaker Anfang September auf dem Friedhof getroffen hatte: „Warte! Du wusstest es die ganze Zeit?!"
„Was?"
„Das ich Undertaker getroffen hatte!"
„Klar", lachte die Phantomhive und schaute auf das Bild: „Den erkennt man doch sofort! Ich hab mich gefreut wie ein Schneekönig ihn dir auf meiner Geburtstagsfeier vorzustellen! Dein Gesicht als du ihn wiedergesehen hattest, war ein Bild für die Götter! Und du dachtest du hättest einen Geist gesehen!"
Nein. Er war kein Geist. Nur ein Sensenmann in Frührente, der mittlerweile als Bestatter arbeitete.
„Warum hast du mir das nicht direkt erzählt?!", fauchte ich sie an.
Amy lachte hämisch: „Na! So war es viel lustiger!"
Ich bewarf sie mit dem feuchten Putztuch: „Du falsche Schlange!"
Doch Amy lachte nur.
Sie warf mir meinen Lappen zurück und ich räumte das Regel Brett ab und begann zu wischen. Der Staub stob auf und mir genau in die Nase. Sie knisterte und kribbelte: „Ha..."
Ich rieb mir mit der Hand in der ich dem Lappen hielt die Nase, da ich in der anderen den vollen Putzeimer hatte: „Ha..."
Doch es half nichts.
„Hatschie!", nieste ich aus tiefstem Herzen und mit so viel Schwung, dass ich aus der Balance geriet.
„Wa!", ruderte ich mit meinen Armen und das angegraute Putzwasser spritzte durch die Gegend: „Oh nein, nein, nein, nein!"
„Sky!", hörte ich noch Amy rufen, als ich hinten über von dem Tritt rasselte. Kreischend. Der Putzeimer fiel mir aus der Hand.
Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass es mir wortwörtlich den Hals rettete, dass ich in einen Sarg landete. Durch die weichen, flauschigen Polster beschränkte sich der Schmerz des Aufpralls auf ein Minimum. Leider landete nicht nur ich in dem Sarg. Mein Putzeimer - samt Inhalt versteht sich - tat es auch. Das dreckige Seifenwasser spritze mir ins Gesicht und eigentlich auch überall anders hin. Ich war komplett nass. Es roch nach einem Gully in den man ein Zitronenduftbäumchen gehängt hatte. Ich bekam es leider auch in die Augen, was dazu führte das sie wie Feuer zu brennen begangen und ich nichts mehr sah. Als ob das nicht schon Strafe genug gewesen wäre, klappte auch noch der massive Sargdeckel zu. Er krachte auf das Knie des Beines, welches aus dem Sarg hing. Wenigstens erwische es mein Bein, aufgrund meines angewinkelten im Sarg liegenden anderen Beines, nicht mit dem vollen Schwung und Gewicht. Trotzdem surrte eine facettenreiche Welle glühenden Schmerzes hindurch: „AHHH!"
So lag ich also in dem dunklen Sarg. Nass und stinkend wie eine Jauchegrube. Mit tränenden Augen und einem schmerzenden Knie.
„Wasted...", hörte ich Amy von außen.
„Was ist passiert?", erklang Undertakers Stimme irritiert.
„Skyler ist passiert", antwortete Amy trocken.
„Wie?"
Keine Antwort, doch ich wusste, dass Amy auf den Sarg zeigte in dem ich gelandet war. Ich hasste sie...
Ich hörte schnelle Schritte und Licht erreichte meine brennenden Augen.
Ich blinzelte mit schmerzenden und tränenden Augen dem Bestatter entgegen.
„Geht es dir gut?", fragte er mich mit einem verdutzten Gesichtsausdruck. Seine lange Robe fehlte und er trug nur den engen, schwarzen Mantel der sich immer darunter versteckte. Sein Pony wurde von seiner in die Haare geschobenen Brille aus seinem Gesicht gehalten und seine Augen klimperten mir mit einer Mischung aus Besorgnis und Unglauben entgegen.
„Nein", stöhnte ich gepeinigt: „Nein, geht es mir nicht..."
„Was ist passiert?"
„Ich hab geniest..."
Sein Mund klappte ein Stück auf: „Ehrlich?"
„Ja..."
„Und dann?"
„Bin ich vom Tritt gefallen..."
„Ehrlich?"
„Sieht es so aus?", fragte ich gereizt.
Undertakers Kopf wackelte hin und her: „Schon, ja. Hast du dir wehgetan?"
„Ja..."
„Wo?"
„Ich hab Putzwasser in den Augen..."
Undertaker drückte eine Hand vor seinem Mund: „Nicht nur in den Augen."
Ich sah ihm durch meinen Tränenschleier an, dass er eigentlich lachen musste, doch es zurück zuhalten versuchte, da ich mir wirklich furchtbar wehgetan hatte. Ich wusste er würde es auf Dauer nicht schaffen. Verübeln konnte ich es ihn auch nicht. Ich musste schon ziemlich dämlich aussehen.
Undertaker atmete mit dem besten Willen mich nicht auszulachen durch: „Ist sonst etwas passiert?"
„Ja... der Sargdeckel ist mir auf mein Knie gefallen..."
Der Bestatter krümmte sich nach vorne und presste seine Hand fester vor den Mund. Ich hörte schon das Lachen durch seine Finger quellen.
„Herrgott...", sprach ich ermattet: „Jetzt lach' doch einfach..."
Mit dieser Aussage brach Undertakers Lachen durch seine Hand und er verschwand hinter dem Rand des Sarges, den ich ebenfalls in Putzwasser gebadet hatte. Was jammerschade war. Denn das Polster war natürlich reinweiß gewesen. Was auch sonst...
Der Totengräber tauchte fast drei Minuten nicht wieder auf. Nur sein infernalisches Gelächter schallte durch den Laden.
Ich blieb einfach liegen. Am liebsten wäre mir, der Bestatter schubste einfach mein zweites Bein mit in den Sarg, vernagelte ihn und vergrub mich lebendig. Die Situation war nicht nur außerordentlich schmerzhaft, sondern auch himmelhochjauchzend peinlich.
Schwer atmend erschien sein Kopf wieder über dem Rand des Sarges: „Huhuhuhuhu... Wie kann man nur so dusselig sein?"
„Gute Frage", stöhnte ich. Der Schmerz in meinen Augen und in meinem Knie dachte nicht daran nach zu lassen und ich kniff sie zusammen. Ich rieb sie mir. Da aber auch meine Hände voll Seifenwasser waren, erwies sich dieses Unterfangen als eher kontraproduktiv.
Ich stöhnte auf: „Oh Mist!"
Zwei Hände schoben sich zwischen mich und die Polster und hoben mich aus dem Sarg.
Undertaker kicherte allerdings weiter, während er mich auf einen anderen Sarg setzte. Dann entfernte er sich.
„Geht's?", hörte ich Amys Stimme neben mir, während ich mit einem halbgeöffneten Auge nach einer Stelle an meinem Kleidung suchte die trocken war, um mir damit durch die Augen wischen zu können. Es gab nur keine.
„Du dumme Putte!", fauchte ich sie an: „Wasted? War das alles, was du zu sagen hattest?!"
„Was sollte ich denn machen?", kicherte die Phantomhive: „Das Kind war doch schon in den Sarg gefallen."
„Och! Steck dir deine dummen Sprüche doch bitte dahin, wo nie die Sonne scheint!"
Eine Hand erschien an meinem Kinn und drehte meinen Kopf herum. Undertaker war zurückgekommen - von woher auch immer - und begann mir behutsam mit einem trockenen und sauberen Tuch durch Gesicht und Augen zu wischen. Es roch nach Vernelweichspüler, also tippte ich es war frisch gewaschen. Auch war es viel weicher als ein Putzlappen.
Langsam verschwand das Brennen aus meinen Augen: „Herrje, herrje. Hehe! Was machst du nur für Sachen?"
„Putzen", konterte ich trocken, während Undertaker mir weiter, eine Hand immer noch an meinem Kinn, mit dem Tuch Tränen und Putzwasser aus dem Gesicht wischte.
Irgendwie war das Gefühl richtig schön.
„Tihihi. Bei dir scheint selbst Putzen ein Extremsport zu sein", giggelte der Bestatter.
„Du bist gemein...", seufzte ich: „Du kannst mir wenigstens nicht unterstellen ich würde halbe Sachen machen..."
„Wobei?", lachte der Totengräber belustigt: „Hehehehehe! Beim Putzen? Da sicherlich nicht. Beim unfreiwilligen Suizid? Na. Gott sei Dank hat es nicht ganz gereicht. Fu fu fu."
„Ach...", zischte ich niedergeschlagen: „Du bist doof..."
Undertaker nahm das Tuch aus meinem Gesicht und ich konnte meine Umgebung wieder erkennen. Meine Augen waren noch unangenehm warm, doch sie brannten nicht mehr und mein Gesicht war wieder trocken. Leider war nur mein Gesicht trocken.
Der kalte Durchzug pfiff durch meine nassen Kleider und ließ mich fröstelnd zittern.
Jetzt erkannte ich, dass das Tuch in den langen Fingern des Bestatters, ein Stofftaschentuch war. Seine grellgrünen Augen musterten mich belustigt, aber trotz allem mitfühlend und sogar besorgt.
Er hatte mich wirklich nicht ausgelacht, weil es ihm Freude bereitete, dass ich mir wehgetan hatte. Wahrscheinlich hatte er sich meinen total dämlichen Abgang bildlich vorstellen müssen. Dass diese Vorstellung gerade für ihn lustig war, konnte ich mir nur allzu gut vorstellen.
So alt wie er war hatte er sicherlich die Schadenfreude erfunden.
Amy war mittlerweile damit beschäftigt weiter zu putzen. Im Gegensatz zu mir, nieste die Phantomhive zwar, blieb aber auf ihrem Tritt.
Undertaker zeigte auf mein linkes, pochendes Knie: „Das?"
Ich nickte von der Welt geschlagen.
Ohne ein Wort zu sagen begann er das Hosenbein meiner schwarzen, nassen Schlaghose hochzukrempeln.
Blut schoss mir ins Gesicht: „Ätete! Was tust du da?!"
„Ich schaue nach, ob du dich ernsthaft verletzt hast. Die Sargdeckel sind massiv und ziemlich schwer."
Er grinste noch, aber giggelte oder kicherte nicht mehr. Schließlich schob er den Stoff meiner Hose über mein Knie. Es war ganz rot und begann dick zu werden.
„Das wird jetzt ein bisschen weh tun", warnte mich der Bestatter vor und befühlte mein Knie. Er sollte Recht behalten. Bei der ersten Berührung schoss eine weitere Welle Schmerzen durch mein Knie. Ich verzog das Gesicht und mir entfloh ein gequälter Laut.
„Ruhig durchatmen. Atmen macht es ein wenig besser."
Ich tat wie mir geheißen. Es wurde nur ein klein wenig besser, doch jedes bisschen war besser als nichts. Auch die kalten Finger des Bestatters taten ungeahnt gut.
„Gebrochen scheint die Kniescheibe nicht zu sein", lächelte mich Undertaker mit geschlossenen Augen an. Es war so warm. Dieses Lächeln war so süß. Ich merkte wie meine Wangen und meine Ohren warm wurden, als ich dieses Lächeln sah: „Kannst du es bewegen?"
Mein Gehirn brauchte ein paar Minuten, bis es durch dieses überwältigende Lächeln die Aufforderung verarbeiten und ausführen konnte. Ich schaute hastig auf mein Knie und winkelte mit schmerzverzerrtem Gesicht mein Bein an. Es funktioniert, doch es tat höllisch weh.
„Gut. Alles noch ganz und da wo es hingehört", Undertaker legte sachte mein Bein ab und stand auf: „Nicht weglaufen."
„Wie?!", rief ich dem Totengräber hinter her, der in der Tür hinter seinem Tresen verschwand. Nach ein paar Minuten kam er mit einer Packung Tiefkühlerbsen wieder.
Ich schaute ihn irritiert an: „Erbsen?"
Er grinste entschuldigend: „Ich habe nichts anderes", dann legte er mir den Beutel auf das Knie.
Es wunderte mich, dass es nicht zischte, doch ein wunderbares Wohlgefühl zog mein Bein hinauf.
Mein Gesicht entspannte sich und ich seufzte erleichtert.
„Kühle es ein bisschen. Es wird trotz allem blau werden, aber so vielleicht nicht rabenschwarz. Ehehehe!", lächelte Undertaker so wunderbar weich und es schickte mir ein undefinierbares, aber ebenfalls wohliges Gefühl durch meinen ganzen Körper. Ich wusste nicht, ob meine Gänsehaut von diesem Gefühl oder von der kalten Luft kam, die beständig durch alle geöffneten Fenster und Türen des kleinen Ladens zog.
Ich legte meine Hand auf den Beutel und Undertaker nahm seine weg. Er drehte sich zu Amy: „Hehehe. Komm runter. Ich habe keine Lust, dass ihr eure Särge doch schon braucht."
„Nope", antwortete Amy geschäftig: „Ich brauche keine Almosen. Das ist meine gerechte Strafe und ich werde sie zu Ende bringen. Warum denkst du, ich würde das nicht schaffen?"
„Wuhuhuhuhuhu! Weil ich bis eben auch nicht dachte, dass Staubwischen ein lebensgefährliches Unterfangen ist!"
„Ich bin nicht Sky."
Ich zog meine Augen zusammen und verzog angefressen eine Schnute: „Danke."
Undertaker drehte sich mit erhobenen Händen zu mir: „Es ist wie es ist. Nehehehe!"
„Dann müsst ihr es aber nicht auch noch so explizit erwähnen..."
Amy und Undertaker lachten. Ich nicht.
Undertaker drehte sich wieder ganz zu mir und schaute mich nachdenklich an.
Mein Kopf fiel zur Seite: „Was grübelst du?"
„Ich überlege, ob ich irgendetwas hier habe um dich aus deinen nassen Klamotten zu befreien. Außerdem müffelst du ganz furchtbar. Hehehe!"
Meine Schnute wurde dunkler: „Ich korrigiere. Du bist nicht gemein. Du bist auch nicht doof. Du bist ein Arsch, Undertaker."
Doch der Bestatter konterte mich mit einem Lachen: „Ich spreche nur die Wahrheit, oder Amy?"
„Jup", pflichtete ihn die Phantomhive in ihre Arbeit versunken bei: „Du stinkst."
„Danke", zischte ich ihr entgegen: „Das ist was man sich unter einer besten Freundin vorstellt."
„Gern geschehen."
„Das war Sarkasmus!"
Es gefiel mir nicht wie wunderbar sich die Beiden schadenfrohsten Personen, die ich kannte, gegen mich verbünden konnten.
Undertaker lachte wieder. Dann schnipste er in Erkenntnis: „Ah! Ehehehe! Ich hab noch irgendwo so eine... ähm", jetzt schnipste er immer wieder fragend, als er nach dem richtigen Wort suchte: „Ja... eine... Ach! Wie heißen nochmal diese komischen Stoffschlabberhosen, die zwar zum Sport machen entwickelt wurden, doch jeder nur für das Gegenteil benutzt?"
„Jogginghosen", antwortete Amy bevor ich es konnte.
„Genau!", Undertaker verschwand in Richtung Tür: „Ich suche sie schnell! Hehehe!"
„Warte!", rief ich ihm nach: „Das ist nicht nötig!"
„Oh doch!", wurde der Bestatter von der Türe verschluckt: „Die Fenster stehen sperrangelweit offen und draußen ist es kalt. Dann sitzt du hier sicherlich nicht in nassen Sachen herum. Hihihihi!"
Wieder schoss das Blut in meinem Kopf. Es war wirklich kalt. Der kalte Novemberwind zog unablässig durch den kleinen Laden. Doch ich würde mir lieber eine Lungenentzündung holen, als die Sachen des Totengräbers anzuziehen. Irgendetwas an dieser Vorstellung war unglaublich unangenehm.
Ich legte meine freie Hand über meine Augen: „Das ist so peinlich."
„Jup", antwortete Amy.
„DU bist für heute unten durch, klar?!"
„Ich werde es ertragen."
„Grrr..."
Nach 5 Minuten erschien der Bestatter wieder mit einem fröhlichen Gesicht: „Wer suchet, der findet! Nehehehe!"
Ich hatte ja gehofft und gebetet er findet sie nicht...
Er blieb vor mir stehen, einen schwarzen Stoffstapel in der Hand.
„Du musst wirklich nicht... also..."
Er legte den Stoffstapel ab und nahm den Beutel Erbsen von meinem Knie. Dann kniete er sich vor mich und rollte etwas Blaues aus.
„Was", es fühlte sich irgendwie sehr seltsam an, dass der Bestatter sich vor mir hinkniete: „... Ist das?"
„Eine elastische Binde. Es ist zwar nur eine Prellung, aber umso stiller du es hältst, umso schneller ist sie wieder fort. Nehehehe!"
Dann wickelte er mit geschickten, langen Fingern den Verband um mein Knie. Es wunderte mich fast, dass der Verband weder zu locker, noch zu stramm saß. Ich merkte, dass er mein Knie sehr wohl stützte, doch ohne zu scheuern oder zu drücken. Ich hatte einem Bestatter – der sich folglich eher mit Menschen beschäftigte, die keine Stützverbände mehr nötig hatten – nicht zwingend zugesprochen, so routiniert Wehwehchen Lebender zu versorgen. Waren das Fertigkeiten, die er aus dem Umgang mit Amys, Lees, Franks und Charlies Familien heraus gelernt hatte? Oder hatte er sie vielleicht noch aus seinen Zeiten im Dispatch? Ich tippte irgendwie auf Zweiteres. Die anderen Menschen hatten ja schließlich auch Sebastian und Undertaker ließ dem Butler eigentlich immer den Vortritt, wenn es um die Versorgung noch lebender Menschen ging.
Dann legte er mir den Stoffstapel auf den Schoß.
„Undertaker!", begann ich ein weiteres Mal fast verzweifelt. Das Gefühl von Unwohlseins gegenüber dieses Kleiderstapels wurde Schlimmer und mein Gesicht noch viel wärmer: „Das ist wirklich nicht...!"
„Ah, ah, ah! Keine Diskussionen", wieder hob er mich einfach hoch.
„Hey! Was soll das werden, wenn's fertig ist?!", protestierte ich.
Undertaker grinste mich an: „Ich bringe dich ins Bad. Du kannst dich natürlich auch hier umziehen, wenn dir das lieber ist."
Mein Protest verstummte sofort. Mein Gesicht drohte zu explodieren.
„Ok...", fiepste ich beschämt. Ich kam ja eh nicht drum herum.
Undertaker verschwand mit mir durch die zwischen den Regalen versteckte Türe. Ich versuchte mich nicht umzusehen, da ich mir ziemlich sicher war, dass dies die Privaträume des Bestatters waren und ich nicht in der Privatsphäre des hochgewachsenen Mannes herumschnüffeln wollte. Doch konnte ich mich meiner Neugier nicht erwehren. Der Raum hinter der Tür war nur ein kleiner quadratischer Zwischenraum. Direkt vor uns war eine Tür vor der ein dickes, massives, altes Vorhängeschloss und eine genauso massive, alte Eisenkette hing. Ich war verwundert. Was auch immer dahinter lag, ein ‚Keep out' Schild war nicht nötig um zu verraten, dass dort niemand hinein schauen sollte. Neben dieser Tür führte eine Treppe in die erste Etage. Daneben war eine Nische, verdeckt mit einem bodenlangen, schwarzen Vorhang. Von rechts hörte ich ein Knistern. Ich sah durch die geöffnete Tür einen Raum mit einem ebenfalls geöffneten Fenster. Dicke, schwarze, bodenlange Gardinen wehten im Durchzug. Ein orangener Schein und das Knistern deuteten auf einen Kamin hin, den ich aber nicht sehen konnte. Mitten im Raum, stand ein altes viktorianisches Sofa, mit dicken samtschwarzen Polstern vor einem kleinen, alten Couchtisch aus dunklem Holz auf einem schwarzen Teppich. Der Boden war durchgehend ein dunkles Echtholzparkett, die Wände halb mit demselben Holz vertäfelt und auf der anderen Hälfte mit einer Tapete mit schwarzgrauem Brokatmuster tapeziert. Auch im Zwischenraum. An der Wand neben dem Fenster stand ein volles Bücherregal.
Links sah man eine kleine Küche. Sie war wirklich klein. Ein alter, weißer Kühlschrank, alte dunkle Holzschränke, Ofen mit Herd, noch ein Schrank. Darüber eine steinerne weiße Arbeitsplatte mit schwarzen, wirren Linien durchzogen, sodass sie an Marmor erinnerte. Darauf standen ein Wasserkocher und eine kleine Mikrowelle. Die Schränke standen in einem U um den schmalen Durchgang, in dem nur eine Person Platz fand. Auf der anderen Seite war eine Spüle die vollgestapelt war mit Messbechern. Dazu ein paar dunkle Hängeschränke. Der Küchenboden war komplett schwarz und grau gefliest, die Wände mit einer schlichten, weißen Raufasertapete tapeziert.
Die Einrichtung der kleinen Wohnung sah, abgesehen von den paar elektrischen Geräten, aus wie originalgetreu aus dem 19. Jahrhundert. Wahrscheinlich war sie das auch. Ich hatte das Gefühl der Bestatter war ein bisschen in dieser Zeit stecken geblieben.
Neben der Küchentüre war eine weitere geschlossene Tür, allerdings ohne Kette. Undertaker öffnete sie. Ein schlichtes, weißes Bad mit Dusche, Waschbecken, Spiegel, Waschmaschine und Toilette, kam zum Vorschein. Es war so klein und gedrängt, dass es wirkte als habe man eine Besenkammer umfunktioniert. Es wirkte auch recht unpersönlich, da es fast leer war. In der Dusche standen zwei Shampooflaschen und an der leiterförmigen Heizung hingen zwei weiße Handtücher. Auf dem Waschbecken stand eine einsame Zahnbürste in einem Zahnputzbecher. Daneben eine Tube 99 Pfennig Zahnpasta, ein Behälter für Kontaktlinsen und die große Haarbürste, mit der ich Undertaker mal Merkenaus Vogelnest aus den Haaren gekämmt hatte. Ansonsten nichts.
Undertaker setzte mich auf den Klodeckel, den er trotz des zusätzlichen Ballastes durch mich ziemlich nonchalant mit dem Fuß zugeklappt hatte. Ich hob das schwarze T-Shirt hoch. Darauf war ein weißer Kreis und in dem weißen Kreis ein weißes T, das unten von einem weißen Z durchzogen war. Das Design der Buchstaben war asiatisch angehaucht: „Was ist das für ein Symbol?"
„Das Zeichen der Dispatch Association. Grell wollte unbedingt, dass ich eins habe. Hehe."
„Okay..."
Der Bestatter verließ den Raum: „Ehehe. Rufe mich, wenn du fertig bist. Hänge deine nassen Sachen einfach über die Heizung."
Eilig zog ich mich um. Mir war das alles furchtbar peinlich. Denn natürlich waren mir die Anziehsachen des Totengräbers viel zu weit und viel zu groß. Sie wirkten darüber hinaus vollkommen ungetragen, was mein Empfinden aber keinen Deut besser machte: „Erdboden tu' dich auf..."
Ich überlegte, ob ich mich einfach für den Rest meines Lebens in dem Badezimmer einsperren sollte.
Doch es half alles nichts. Allerdings nahm ich mir fest vor mich kein weiteres Mal tragen zu lassen und humpelte, unter einem schmerzhaften Ziepen, aber fest entschlossen aus dem Bad. Meinem Knie ging es schon ein bisschen besser. Es schien wirklich nichts Gravierendes passiert zu sein.
Ich humpelte in den Verkaufsraum, in dem Undertaker mit einem Mopp die Seifenwasserpfütze aufwischte.
Ich ging zu ihm. Er schaute mich an: „Du solltest doch rufen."
Ich schüttelte den Kopf: „Es geht schon wieder besser."
Er stemmte seufzend eine Hand in die Hüfte: „Übertreibe es nicht, ja? Das Volleyballtraining morgen ist für dich jedenfalls gestorben."
Ich blinzelte verdutzt: „Du weißt Bescheid?"
„Aber ja!"
„Woher?"
„Der Earl erzählte es mir vor ein paar Tagen. Ich bin sehr erpicht darauf, das zu sehen. Ehehehe!"
Jetzt wollte ich wirklich nicht mehr trainieren. Ich wollte schon vorher nicht, doch mich vor dem Bestatter noch mehr zu blamieren als üblich, war schon in meiner Vorstellung zum Sterben schamvoll. Denn ich war wirklich kein Sportass. Vielleicht war mein Unfall mehr Segen als Fluch. Ich bedauerte nur, dass ich mir mein Knie nicht gleich ganz gebrochen hatte, um so endgültig um das Turnier herum zu kommen. Soviel zu keine halben Sachen...
„Worüber habt mein Vater und du denn gesprochen?", fragte Amy und zog ihren Kopf aus einem Regal.
„Nihihihi! Ein paar Angehörige verschmähten meine Dienste. Sie nahmen ihre Verblichenen mit sich. Wie es scheint gehören sie zu einer neuen religiösen Ausrichtung mit strengen Regeln und waren in Sorge, ich würde ihre Rieten nicht bis ins Detail vollführen können, wie es ihre Regeln fordern."
„Ehrlich?", ich zog eine Augenbraue hoch: „Jemand verschmäht deine Dienste?"
Es klang immer so, als wäre Undertaker trotz seines Verhaltens das non plus Ultra der Londoner Bestattungsbranche.
„Wenn die Angehörigen jemand anderen wünschen, so ist dies ihr gutes Recht", grinste Undertaker zurück: „Doch es gab ein paar Details, die Alexander interessant fand, ahehehe!"
„Was denn?", blinzelte ich Undertaker an.
„Ach", grinste der Bestatter weiter: „Das sind Aristokratengeschäfte. Ahahahaha! Belaste dich nicht damit."
„Okay...", blinzelte ich noch verwirrter: „Wenn du es sagst."
Nach meinem Unfall machten Amy und ich trotz allem weiter. Amy wischte die Regale und ich saß auf einem Sarg und hatte das zweifelhafte Vergnügen die Gläser abzustauben. Der Bestatter war, uns unseren Arbeitseifer hoch anrechnend, selbst wieder nach hinten zu seiner eigenen Arbeit verschwunden. Einmal war er noch kurz zurückgekommen um mir seine lange Robe über zuwerfen. Es war immer noch kalt in dem Laden und obwohl ich jetzt trockene Kleider trug und das T-Shirt mir viel zu groß war, waren meine Arme immer noch bis zur Hälfte nackt gewesen. Als er endgültig im Hinterzimmer verschwunden war, wehten von dort mit dem Wind die komischsten Geräusche zu uns herüber. Ich unterdrückte tunlichst die Frage was genau er dort machte. Denn klar war, dass er an seinen Gästen herumwerkelte und in diesem Zusammenhang brauchte ich wirklich keine weiterführenden Details.
Während ich die ganze Zeit diese makabren Gläser polierte, kam ich zu dem Entschluss, dass ich heute meine brennenden Fragen über die Campania loswerden wollte. Es schien zwischen uns und dem Bestatter auch alles wieder in bester Ordnung zu sein. Sein Ärger war verraucht und er schien uns was passiert war nicht nachzutragen, auch wenn er allen Grund dazu gehabt hätte.
Nachdem Amy die letzte Fuhre Gläser durch die versteckte Türe nach hinten gebracht hatte, tauchte sie wieder auf und rief laut über das Surren aus dem Hinterzimmer hinweg: „Wir sind fertig!"
Das Surren verstummte. Undertakers Kopf, dieses Mal mit Brille auf der Nase, erschien im Türrahmen: „Ehehehehe! Tatsächlich?"
„Ich hoffe du bist zufrieden", grinste Amy.
Undertaker sah sich um und trat endgültig aus dem Türbogen: „In der Tat", antwortete er: „Ihr wart mir eine große Hilfe, meine Damen."
Wir grinsten breit auf Grund des Lobes.
Undertaker schaute auf seine Taschenuhr: „Es ist schon spät, hehehe. Ihr solltet heimgehen."
Tatsächlich sah ich das Abendrot durch die geöffneten Fenster.
„Sebastian holt uns hier ab", erwiderte Amy und schaute mich ab: „Nun ja... Mich. Sky fahren wir besser zurück ins Wohnheim."
Ich schüttelte den Kopf: „Ich komm schon alleine nach Hause."
Amy zog eine Augenbraue hoch. Auch Undertaker wirkte nicht überzeugt: „Hehehe. Ich bin kein Fan von dieser Idee."
Ich schaute zu Boden. Obwohl ich all diese Fragezeichen loswerden wollte, wusste ich nicht ob es eine gute Idee war. Aber ich hatte keine andere Wahl. Undertaker hatte die Kunst perfektioniert, reden und reden zu können, ohne wirklich etwas von sich zu erzählen. Und das so gut, dass es einem in ersten Moment gar nicht auffiel, dass seine Worte eigentlich an Inhalt vermissen ließen. Von sich aus erzählte er mir nichts über sich und ich wusste nicht, was das über mich aussagte.
„Was hast du, Sky?", fragte Amy und ich blinzelte zu ihnen.
„Ich", antwortete ich zögerlich: „Würde Undertaker gerne noch etwas fragen."
„Tu dir keinen Zwang an", grinste dieser.
Ich seufzte: „Ich... würde dich das gerne unter 4 Augen fragen..."
Ich hatte immer noch das Gefühl, dass er eigentlich nicht darüber sprechen wollen würde.
Amy schaute verwirrt zu Undertaker und zu mir.
„Aha?", drehte der Bestatter wieder den Kopf zu mir: „Muss ich mir Sorgen machen?"
Ich schüttelte den Kopf: „Ich... weiß nicht."
„Hehe. Das klingt ja dramatisch."
„Ja..."
Dann wandte er sich wieder zu Amy: „Fahre du mit Sebastian. Ich bringe sie heim."
„Wirklich?", fragte die Phantomhive.
Undertaker nickte grinsend.
Ein unwillkürliches Ziehen in meinem Nacken ließ mich meinen Rücken strecken. Ich blinzelte erschrocken aufgrund des plötzlichen Unwohlseins, dass meinen Rücken hinunter surrte: „Ich glaube Sebastian ist schon da..."
Just in diesem Moment erschien der hochgewachsene Butler in dem Türbogen: „Ich wünsche einen guten Abend."
Undertaker giggelte: „Hallo, Butler. Tihihi! Du in meinem bescheidenen Etablissement. Was eine Ehre. Ehehehe!"
Auch Amy kicherte: „Hi Sebastian."
Sebastian schaute sich mit einer hochgezogenen Augenbraue um.
„Verspäteter Frühjahrsputz, Undertaker?", fragte der Butler schnippisch, erntete aber nur ein amüsiertes Lachen: „Ehehehe! Kann man so sagen."
Sebastian legte den Kopf schief: „Besser spät, als nie. Wie sonst üblich."
„Du tust ja fast so, als hauste ich in einer Müllkippe. Tehehehe!"
„Nein, eher in einem Sammellager für Sondermüll", lächelte der Butler kalt.
„Wenigstens habe ich in meinem Leben noch andere Inhalte, als putzen, kochen, backen und babysitten. Hihi!"
„Ich führe ein sehr bereichertes Leben. Danke der Nachfrage."
„Ich ebenfalls. Nihihihi!"
„Ja", seufzte der Butler: „Glück liegt wohl im Auge des Betrachters. Junge Lady? Lady Rosewell? Seid ihr fertig?"
Amy nickte: „Ja schon, aber... Sky kommt doch nicht mit, Sebastian."
„Wie darf ich das verstehen?", fragte der Butler nicht sonderlich erquickt über die plötzliche Eröffnung ich kämme nicht mit.
„Sky hatte einen kleinen Unfall und hat sich am Knie verletzt", erklärte Amy.
„Ah", machte der Butler: „So, so. Das erklärt dann wohl auch euren sonderbaren Aufzug, Lady Rosewell."
Ich nickte geschlagen: „Jap..."
„Sie kann nächstes Wochenende sicherlich mitmachen, hehehe. Nur dieses nicht."
„Aha? Wie gut, dass du vollkommen im Bilde bist, Dr. Undertaker."
Der Bestatter lachte nur schrill aufgrund des Wortspiels des Butlers, welches sicherlich eigentlich suggerieren sollte, dass Undertaker sich mit seinen Diagnosen Kompetenzen zumaß, die er gar nicht besaß. Doch der Bestatter ignorierte es einfach: „Tehehehe! Ich bin sicher du hättest es auch rausbekommen, Butler."
„Ich ebenfalls", der Butler wandte sich um: „Kommt, junge Lady. Lady Rosewell? Ein erholsames Wochenende wünsche ich euch. Erholt euch schnell. Euer Haus zählt auf euch."
Ich war immer noch nicht begeistert von meinem Zwangspartizipation, doch ich war mir klar, dass der Butler mich nicht von der Angel lassen würde: „Schönes Wochenende, Sebastian. Viel Spaß, Amy."
Amy drehte sich zu mir und blitzte mich erbost an.
Der Bestatter steckte ihr unauffällig etwas in die Tasche, als er sie zum Abschied umarmte: „Tschüss, Amber. Hihihi! Bis Morgen."
Amy zog das Etwas ein Stück heraus und schaute auf eine kleine Silberkette. Sie lächelte den Totengräber an: „Bis Morgen! Bye Sky!"
Dann verschwanden die Beiden.
Die Sonne ging unter und die Nacht fiel dunkel durch die Fenster die Undertaker schloss. Dann zündete er dicke weiße und rote Kerzen an einem riesigen, viktorianischen, teilweise mit verschiedenfarbigem Wachs überlaufenen, gusseisern Kerzenständer neben seinem Tresen an. Der war so groß wie er selbst, ebenfalls original 1800 würde ich wetten und hatte soweit ich zählen konnte 25 Kerzen auf 3 Etagen. Warmes orangenes Licht sickerte durch den kleinen Laden, den der große Ständer recht ordentlich zu erhellen vermochte. Ich sah des Weiteren auch keine Deckenlampe in dem Laden. Nur noch einen kleinen Kerzenständer auf dem Tresen und eine alte Stehlampe, am anderen Ende des Tresens, die aber elektrisch zu sein schien.
Nachdem Undertaker das lange Streichholz ausgepustet und weggeworfen hatte, schob er seine Brille in die Haare und setzte sich auf den Sarg mir gegenüber. Das weiche Licht der vielen Kerzen brach sich in seinen chartreusen phosphoreszierenden Augen und ich könnte schwören, dass sie in dem Dämmerlicht schon wieder leicht zu leuchten begannen. Orangenes Glänzen und grünes Leuchten tanzten in seinen schmalen, schön geschnittenen, mit dichten, langen, silbernen Wimpern umrahmten Augen um die Wette.
„Also. Was hast du auf dem Herzen?"
„Ich...", wachte ich bei den Worten des Bestatters wieder auf und hörte auf seine unglaublich grünen Augen zu bemustern: „Wollte dich das eigentlich schon vorgestern gefragt haben, aber... da habe ich mich nicht mehr getraut..."
„Hehehe! Warum denn nicht?"
„Ich..", ich ließ den Kopf hängen: „Du warst so sauer auf uns. Ich dachte ich hatte in dieser Situation kein Recht dazu..."
„Herrje", seufzte der Bestatter lachend: „Ja, ich war sauer. In der Tat. Ihr habt mir auch einen furchtbaren Schrecken eingejagt. Doch als ich gegangen bin, war doch alles schon längst wieder in Ordnung."
Ich schaute ihn an. Seine Augen irritierten mich. Sie schauten einem durch die Eigenen genau in die Seele. Der Bestatter brauchte seine Death Scythe nicht um genau zu wissen was für ein Mensch man war.
‚Seine Augen sind legendär!', zitierte mein Kopf den jungen Reapers, den ich im Dispatch getroffen hatte: ‚Es heißt, dass sie auf Menschen hypnotisierend gewirkt haben!'
Und ich schaute sie weiter an. Augen so alt wie die Zeit. Grüner als jedes Gras der Welt. Wie der Himmel weit und doch immer fokussiert. Die gleichzeitig trauern und lachen konnten und immer ehrlich waren. Die mal warm waren wie ein grünes Windspiel und mal kälter als ein von Algen gefärbter Eisberg. Und die über ihn mehr verrieten, als sein Mund es jemals tat. Ich wusste warum diese Augen für sich noch einmal eine Legende waren. Ich schüttelte hastig den Kopf, als ich meinen abdriftenden Gedanken gewahr wurde: „Also ääääh... Mein Ohr teilt deine Auffassung nicht!"
„Das habt ihr euch selbst zu zuschreiben. Hehehehe!"
„Ich weiß", ich ließ die Schultern hängen: „Ich will mich auch nicht beschweren. Du hattest jedes Recht der Welt sauer zu sein. Wie geht es deiner Schulter?"
„Besser als deinem Knie", grinste der Bestatter.
Ich zog eine Augenbraue hoch: „Du bist doof."
„Du wiederholst dich. Hehehe!"
„Denk mal drüber nach."
Undertaker schnaubte amüsiert: „Brauche ich nicht. Hehehehe, ich weiß was du meinst. Doch nun spanne mich nicht weiter auf die Folter. Was möchtest du mich fragen?"
Ich zückte mein Handy, welches ich nach dem Umziehen in der Tasche der Jogginghose des Bestatter verstaut hatte, und suchte das Bild von dem Zeitungsartikel heraus.
„Hier", hielt ich ihm das Handy hin.
Er schaute mich irritiert an: „Tehehe. Was soll ich damit?"
„Das Bild", sagte ich: „Schau es dir an. Bitte."
Der Totengräber nahm mir das Handy aus der Hand und las sich den Artikel durch. Er wischte über das Display um das Bild nach oben zu schieben. Ich zog eine Augenbraue hoch. Undertaker wusste sehr wohl wie man mit einem Handy umging. Er wollte nur selber Keins haben und stellte sich deshalb dumm. Das war so typisch.
Das Grinsen in seinem Gesicht hing erst ein wenig schief. Dann wurde es weiter und zu einem Lachen: „Hehehehe! Ja, die Campania! Und was genau möchtest du nun von mir?"
Er gab er mir mein Handy zurück. Ich sperrte es und steckte es in meine Tasche: „Was habt ihr gemacht?"
„Kehehehehehe! Vieles", lachte der Bestatter: „Doch worauf willst du hinaus?"
„Ronald erzählte du hast eigentlich das Schiff versenkt."
Er nickte: „Das stimmt. Tehe. Anders wird man den Butler auch nicht los. Bringe seinen Meister in Gefahr und du hast gewonnen. He he he."
Sein Grinsen war konstant, doch er hatte wieder diesen komischen Ausdruck in den Augen. Diesen Ausdruck dass er nicht wollte, dass ich merkte, dass er nicht darüber sprechen wollte. Doch ich blieb erbarmungslos. Anders bekam man ja nichts aus ihm heraus. Er breitete nur allzu gerne den Mantel des Schweigens auf seine Vergangenheit. Zumindest auf weite Teile davon: „Weißt du woher die Differenz kommt?"
Er nickte wieder: „Ja, weiß ich. Tehehehe! Sehr genau sogar."
„Und du hast dem Scotland Yard nichts erzählt?"
Undertaker lachte laut auf: „Pahahahahaha! Abberline hielt mich für einen Verrückten! Schon lange vorher! Und das vollkommen zu Recht! Mir hätte er kein Wort geglaubt, auch wenn er am Ende seiner Ermittlungen gar nicht mehr wusste was er noch glauben konnte."
„Wurde der Fall aufgeklärt?"
Jetzt schüttelte er grinsend den Kopf: „Tihihi! Nie ganz, nein."
„Warum nicht?"
„Weil das Scotland Yard die Wahrheit nicht glauben wollte. Fast 700 Leute haben sie ihnen erzählt und viele wurden dafür in die Klapsmühle geschickt. Nur dem Einen, der gelogen hat, dem glaubten sie."
„700 Leute erzählten die...", ich stockte: „Aber die Leute haben halluziniert, Undertaker! Und etwas von Zombies erzählt. Selbst der Earl Phantomhive hat gesagt, dass es Schwachsinn war."
„Ich weiß", grinste der Bestatter weiter, verschränkte die Arme und überkreuzte die Beine: „Aber das sie halluzinierten war lediglich ein Hirngespinst der überstrapazierten Gemüter im Scotland Yard. Tehehehehe! Und der Earl, hmm, hehehe! War er nicht ein unbeschreiblich guter Lügner?"
Ich schaute den Bestatter mit großen Augen an: „Du willst mir nicht erzählen, dass du wirklich denkst die Geschichte stimmt, oder?"
Hatte der Bestatter mit halluziniert? Vielleicht. Er war ja schließlich auch mit auf dem Schiff gewesen. Doch ich stellte es in Frage, dass ein Blutbad - wie brutal es auch immer gewesen war - ihn wirklich noch erschrecken konnte. Ich musterte ihn überfordert, als er weiter lachte: „Ich denke nicht. Tehehehe. Ich weiß es."
Meine Gesichtszüge entgleisten: „Bitte?! Du willst mir doch nicht ehrlich erzählen, dass du an Zombies glaubst?!"
„Ich glaube nicht", grinste er: „He he he. Ich weiß, dass es sie gibt. Oder sagen wir, ich weiß dass es etwas gibt, dass ihr Menschen als Zombies betiteln würdet."
Mein Mund klappte auf: „Echt jetzt?"
Er nickte giggelnd.
„Ohne Witz?"
Wieder ein Nicken.
„Du verarscht mich auch nicht?"
Ein Kopfschütteln.
„Ganz, ganz ehrlich?"
Abermals ein Nicken.
„Aber... woher?", fragte ich zögerlich.
Jetzt war ich mir wieder einmal nicht sicher, ob Unwissenheit nicht vielleicht ein Segen war. Doch ich hatte den Stein ins Rollen gebracht. Zurückgehen war unmöglich.
Undertaker lachte sein grausam amüsiertes Lachen durch seine geschlossenen Lippen. Glasscherben rieselten meine Wirbelsäule herunter und alle Härchen an meinem Körper stellten sich auf, als er in einer unheilvoll langsamen Geste die Arme öffnete: „Weil ich sie erschaffen habe. Ehehehehehe!"
Die Welt blieb stehen. Diese Aussage versetzte mir einen entsetzlichen Tritt in die Magengrube. Kreidebleich starrte ich ihn an: „Wa... was?"
Ich zitterte: ‚Undertaker hat sie erschaffen? Was meint er damit? Doch nicht etwa was ganz offensichtlich ist, oder?!'
Er lachte weiter in endlos düsteren Pläsier: „Ke he he he. Wie ich es sagte. Ich habe sie erschaffen und auf das Schiff gebracht."
„Aber... aber was?", ich konnte, nein, ich wollte nicht glauben was der Bestatter mir in seinem nachtschwarzen Amüsement erzählte. Das konnte er nicht getan haben! Nicht er!
Er wechselte die Beine und legte seinen Kopf, immer noch mit diesem finsteren Grinsen im Gesicht, in seiner Hand ab: „Meine Bizzare Dolls. Hehehe."
„Bi... Bizzare Dolls? Was ist denn das?!"
Der Name klang vielversprechend. Nur leider nicht auf einer Art und Weise, die ich gerne hätte.
„Nun, Ih hi hi", grinste er: „Ihr bezeichnet sie als Zombies. Geifernde Monster, die nach dem Blut lebender Menschen lüstern, hehehe! Eigentlich lüsteten sie nach ihrer Seele, aber das verstanden die Menschen nicht. Tehehehe! Ich bezeichne sie als meine großartigste Kreation. Nur leider hatte die Welt nicht viel dafür übrig."
Wunderte ihn das wirklich?
„Kre... Kreation? Du verarschst mich!", ich fuhr auf, was ein stechenden Schmerz in meinem Knie verursachte. Doch der war mir gerade vollkommen egal: „Warum sollte man sich Zombies zusammenbasteln?!"
„Du solltest dein Knie nicht so schnell bewegen, das ist nicht gut."
„Mein Knie ist gerade vollkommen egal!", rief ich hysterisch: „Erkläre es mir, Undertaker!"
Er seufzte mit verständnislos verzogenem Mund und verschränkte die Arme wieder: „Warum sollte ich? Du hast ja auch kein Verständnis für ihre bezaubernde Beschaffenheit."
„Be... bezaubernde Beschaffenheit!?", ich wedelte mit den Händen: „Auf der Campania sind 2195 Menschen gestorben!"
„Nein, nur 1873. Die Restlichen 322 waren vorher schon tot. Hehehehe! Daher kommt die Differenz. Die überschüssigen", er lachte wieder so dunkel und kalt, dass die Hölle zufror und seine spitzen Schneidezähne blitzten kurz unheilvoll im Kerzenlicht. Ich war mir sicher, dass mein Herz vor Schreck, Angst und Unglauben einfach stehen geblieben war: „'Blinden Passagiere' waren meine wunderbaren, kleinen Dolls und diese Trottel vom Yard haben noch nicht einmal alle gefunden. Jammerschade. Sie liegen wohl immer noch auf dem Grunde des Nordatlantiks. Meine armen Kinder."
„Nur 1873?!", ich schüttelte fassungslos den Kopf. Er hatte das... Das hatte er nicht wirklich gesagt, oder?: „Das macht es nicht ansatzweise besser! Das sind immer noch 1873 Menschen zu viel, verdammt! Und was meinst du bitte mit ‚deine armen Kinder'? Bist du verrückt geworden, Undertaker?!"
„Ja", antwortete er trocken: „Schon lange."
Dieser trockene Tonfall ließ mich einfrieren. Auf der Stelle. Ich hatte das Gefühl ich könnte nie wieder einen Muskel bewegen. Wahrscheinlich war es diese endlose Nüchternheit in dieser kurzen, doch sehr bedeutungsschweren Aussage gewesen, die mir durch Mark und Bein fuhr.
Ich starrte den Bestatter an.
Apathisch.
Perplex.
Ich stand vollends neben mir und fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen. Wenn Undertaker diese... Bizzare Dolls wirklich erschaffen hatte, war er schuld an dem Tod von 1873 Menschen. Und ich sah ihm deutlich an, er bereute keinen davon.
Ich hatte wirklich mit vielem gerechnet. Schließlich war die Rede mal wieder von Sensenmännern und Dämonen gewesen.
Aber DAS?!
Wer rechnete denn mit SO ETWAS?!
Undertaker stand auf und ging langsam durch seinen Laden: „Die Dolls waren wie Kinder für mich. Ich habe sie mit meinen eigenen Händen erschaffen. Ich habe sie sich entwickeln sehen, nur damit ein kleines Balg und sein dämonischer Butler meine ganze harte Arbeit zu Nichte machen konnten und ein paar Shinigamis sich die Dreistigkeit heraus nahmen mir die Hände zu binden", er warf lachend und grinsend eine Hand in die Luft, als er mich anschaute, doch ich hörte einen dunklen Unterton der Abfälligkeit, der mir verriet, dass irgendetwas in ihm brodelte. Und das klang nicht gut: „Eh he he he! Dass ihr Menschen davon nichts haltet, interessiert mich nicht."
Ich fühlte mich von der Welt vollkommen verlassen.
Undertaker schien von seinen Dolls vollkommen überzeugt zu sein, was mehr als nur bedenklich war. Er schien wahrlich sauer darüber, dass sie keiner so würdigte wie er und dass das Balg und sein Butler - wobei es sich sicherlich um den jungen Earl Ciel Phantomhive und Sebastian handelte - ihm seine ‚Kreation' kaputt gemacht hatten.
Ronald hatte Recht.
Undertaker war gefährlich und es war keine weise Entscheidung ihn auf dem falschen Fuß zu erwischen. Was ich nur allzu überdeutlich getan hatte. Mal wieder. Und ja, ich hatte gerade wirklich Angst vor ihm. In mir zog sich alles zusammen. Ich merkte Tränen, die sich in meinen Augen sammelten. Tränen der totalen Hilfslosigkeit. Ich presste eine Hand vor meine Brust und zog meinen Kopf in die Schultern. Ich spürte wie ich zu zittern begann.
Zombies... Bizzare Dolls... oder was auch immer...
Undertaker hatte 1873 in den Tod getrieben und alle Menschen auf diesen Kreuzfahrtschiff in eine furchtbare Gefahr gebracht. Ebenfalls den jungen Ciel Phantomhive. Auch nannte er ihn ‚Balg' was nicht gerade eine Bekundung hohen Respektes war.
Hatte Undertaker die Phantomhives wirklich betrogen?
Hatte er den damaligen Earl Ciel verraten?
Vielleicht, weil er ihn aus irgendeinem Grund nicht anerkannte.
War Ciel zu jung gewesen?
Ich meine: Welches 200.000 Jahre alte Wesen lässt sich schon gerne von einem Kind herumkommandieren?
Andererseits: Ciel war Vincents Sohn.
Und ich hatte schon oft sehr genau gemerkt, dass Vincent Undertaker von allen Menschen die er kennen gelernt hatte wohl am wichtigsten gewesen war. Grade deswegen hatte ich nie gedacht er könnte gerade Ciel irgendwie in den Rücken gefallen sein. Schließlich erwähnte Undertaker mal er habe Vincent versprochen auf seine Familie aufzupassen.
Was er immer noch tat...
130 Jahre später.
Fragen über Fragen. Eine Ungereimtheit folgt der anderen auf dem Fuß. Sinn machte nichts von alldem.
Und dieses Gefühl in mir war schrecklich.
Ich bereute es so unglaublich meine Nase in seine Sachen gesteckt zu haben. Wiederholt. Ich bereute gefragt zu haben, obwohl ich mir doch schon dachte es sei keine gute Idee. Ich fühlte mich so hilflos. Vollkommen ausgeliefert. Denn derjenige, der immer eine schützende Hand über mich gehalten hatte... Derjenige, auf dem ich angefangen hatte mich zu verlassen... Der wirklich immer irgendwie zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen war... Der Mann mit dem rettenden Lächeln und den guten Ratschlägen... Und diesen unglaublichen chartreusegrünen Augen, in denen ich mich immer wieder verlieren konnte... Der machte mir nun Angst. Mein sicherer Hafen war eine Albtraumfront geworden. Seine Smaragdaugen blitzten so kalt in dem warmen Licht des Kerzenständers...
Und trotz allem, obwohl es der Bestatter selbst war vor dem ich Angst hatte, wünschte ich mir so sehr, dass er diesen furchtbar arktischen Gesichtsausdruck ablegte, einmal lachte und wieder ehrlich lächelte, mich in die Arme nahm und nur sagte: ‚Es wird alles gut.'
Es war ein Scheißdreck gut, das wusste ich selber. Schließlich war ich nach der ganzen Grim Reaper/Dämonenaktion und der Erkenntnis, dass ich verflucht war, jetzt auch noch bei einem Crossover von Titanic und World-war Z gelandet!
Aber ich hatte das Gefühl diese Worte... seine Arme... und sein Lächeln... waren alles, was ich jetzt eigentlich wirklich haben wollte.
Doch seine Worte waren schneidend, seine Arme verschränkt und sein Mund so furchtbar... furchtbar... verzerrt. Es wirkte nicht mehr wie ein Grinsen, sondern eher wie eine Fratze.
Ich griff mit der linken Hand meinen rechten Oberarm und presste meine Augen zusammen. Ich konnte... ihn einfach nicht in diese frostigen Augen schauen...
Doch etwas Kaltes in meinem Gesicht ließ meine Augen sofort wieder aufspringen. Ich konnte aus dem Augenwinkel seine Finger an meiner Wange erkennen und schaute Undertaker doch wieder irritiert ins Gesicht. Behutsam strich sein Daumen über meine Wange.
Warum machte er das auf einmal?
Seine Augen ließen mich stocken. Mein Herz setzte aus und meine Magen zog sich schmerzhaft auf die Größe einer Billiardkugel zusammen. Sie schauten mich an. Beide. Eindringlich. Immer noch kalt und hart. Doch nicht mehr amüsiert, auch nicht im düsteren Sinne. Immer noch ernst und auf eine schmerzende Art und Weise furchtbar distanziert. Doch etwas schwang darin mit, was viel wärmer war. Doch war es nur ein ganz feines Glänzen unter dem ganzen strahlenden grünen Eis.
Er seufzte, schloss dabei kurz seine Augen und öffnete sie wieder: „Ich habe dich gewarnt..."
„Wo...", ich schluckte trocken. Mein Mund war eine Wüste: „Wovor?"
Seine Augen fielen nach schräg unten. Das hatten sie noch nie getan. Der Inkognito-Sensenmann hat seinen Blick noch nie so nach unten von mir abfallen lassen. Auch seine Hand verließ mein Gesicht und er wollte sich abdrehen: „Davor, dass ich kein nettes Wesen bin. Nicht im Ansatz, meine Schöne."
„Aber...", ich hielt seine Hand fest, bevor er sich ganz wegdrehen konnte. Ich wollte... nein, ich konnte nicht glauben, dass er einfach so die Hölle auf einem Kreuzfahrtschiff mit 2400 Menschen an Bord hatte losbrechen lassen, weil ihm gerade danach gewesen war: „Da... Du musst doch einen Grund gehabt haben, das du..."
„Ryan Stoker", unterbrach er mich und schaute mir ab- und einschätzend ins Gesicht. Es war der Blick eines befangenen Wesens, das genau überlegte ob es einem vertrauen konnte. Und wenn ja wie weit. Ich wusste genau jede unwillkürliche Bewegung, jedes Zucken meines Augenwinkels, er würde es sehen. Egal wie klein es war. Und er würde es werten, egal wie bedeutungslos es war.
„Der Arzt, der verschollen blieb?", fragte ich schließlich und ging zwei Schritte auf ihn zu, damit unsere Arme nicht weiter so angespannt gestreckt waren. Denn ich ließ seine Hand nicht los. Ich hatte das Gefühl wenn ich es tat, gab er sie mir nie wieder. Bei diesem Gedanken versteiften sich die Finger meiner beiden Hände mehr um sein Handgelenk.
„Er ist tot", fuhr er fort: „Ich habe ihn umgebracht, indem ich ihn in einem nassen Loch voller Dolls versenkt habe. Sie haben ihn gefressen. Er kam damals zu mir und bat mich um Hilfe."
„Sie", ich stockte und schauderte erschrocken, als ich unwillkürliche wieder einen Schritt nach hinten tat, denn ich nicht unterdrücken konnte: „Sie haben ihn gefressen?"
Seine Augen zuckten skeptisch und wurden für ein paar Sekunde schmaler: „Natürlich."
Ich versuchte wieder zu schlucken und mich zu beruhigen. Als ich den Schritt nach hinten getan hatte, hatte ich sofort eine Wertung in Undertakers Augen gesehen. Und sie war nicht zu meinen Gunsten ausgefallen.
„Stoker", erzählte er weiter in einem kalten, aber ruhigen Tonfall, der alles andere als beruhigend war: „Zog einen Verein widerwärtig wohlhabender Briten auf. Sie alle suchten nur eins. Die absolute Lösung. Das Heilmittel gegen die für Menschen bedrohlichste Krankheit überhaupt: Den Tod."
Ich klimperte ihn mit schockierten Augen an: „Und... und du hast sie gefunden?"
Er schüttelte den Kopf. Ein dunkler Schatten lag auf seinem Gesicht. Der dunkle Schatten von dem Gespräch auf dem Balkon. Er schaute zu seinen Tresen. Oder eher dahinter: „Nein, das habe ich nie."
In dem Regalbrett - das der Bestatter musterte - standen keine Gläser, sondern ein paar 21X30cm Bilderrahmen. Einige älter, andere jünger. Ich hatte sie saubergemacht. Darin waren Fotos, teilweise schwarz/weiß und teilweise farbig. Von ihm mit vielen Leuten, die ich nicht kannte. Einige kamen auch öfter vor. Auf einem Bild war er mit Alexander, Frederic, Lee, Charlie, Frank und noch ein paar weitere, sehr komische Gestalten zu sehen. Außer Undertaker trugen auch alle Kleider aus verschiedenen modischen Perioden. Nur er. Er hatte sich nie verändert. Ich tippte, dass es sich um die verschiedenen Generationen der ‚Aristokraten des Bösen' handeln musste. Ich fragte mich wer wohl Vincent war. Er war sicherlich irgendwo dort drauf. Auf einem anderen Bild sah man ihn aber auch mit Grell, Ronald und einem sehr unangetanenen William. Das Bild der Reaper sah aus wie ein Selfie von Grell, mit dem er die anderen ziemlich überrascht zu haben schien.
Ich schluckte wiederholt und schaute wieder zu dem Totengräber mit den eiskalten Augen: „Aber..."
„Nichts aber", schaute Undertaker mir wieder so fest und kalt ins Gesicht: „Wie du schon sagtest, es sind 1873 Menschen gestorben und ich habe es mehr als nur billigend in Kauf genommen. Ich ließ es so laufen, wie es seinen Lauf genommen hatte. Ich hätte meine Dolls aufhalten können. Problemlos. Doch es war mir einfach egal, ob und wie viele Menschen dabei vor die Hunde gingen", der Bestatter lachte boshaft: „ Ehehehehe! Es sollte sich raus stellen, wer überlebte: Die Toten oder die Lebenden. Es lief anders als ich geplant hatte, zugegeben, doch es hatte mich nicht im Mindesten geschert. Es war nicht angedacht, dass Ciel und Sebastian an der Kreuzfahrt teilnahmen. Doch im Endeffekt hatte ihre Anwesenheit alles nur noch viel interessanter gemacht. Außerdem war es eine fantastische Gelegenheit den überheblichen kleinen Earl und seinen Butler wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen. Tehehehe!"
Ich musste verzweifelt nach meinen Worten suchen. Sollte Undertaker wirklich so grausam sein? So unfassbar kaltblütig und vor allen Dingen blutrünstig?
„Du hast den Earl verraten..."
„Nein. Ich habe ihm gezeigt, dass er durch seinen Butler nicht im Mindesten so übermächtig war, wie er zu denken begonnen hatte und ihm von seinem viel zu hohen Ross getreten."
„Aber... was hatte der Earl denn gemacht?"
Undertaker musterte mich weiter ernst: „Ciel hatte durch Sebastians Dienste den Bezug zur Realität verloren. Er überschätzte sich und den Butler in hohem Maße. Er musste in Gefahr geraten, um zu erkennen wo er eigentlich stand. Was er sich wirklich erlauben konnte und was nicht. Und das habe ich getan, weil Vincent mich bat auf ihn aufzupassen. Denn hätte ich es nicht getan, wäre es jemand anderes gewesen. Und dieser Jemand hätte nicht das Weite gesucht, als es gerade am schönsten war und ihn so am Leben gelassen."
Ich schluckte. Undertaker schien sich sicher zu sein, dass der damalige Earl nicht wirklich in Gefahr gewesen war. Wahrscheinlich, weil er sich sicher war, dass die größte Gefahr er selbst gewesen war und den Earl nicht töten wollte. Dass er die größte Gefahr dargestellt hatte konnte ich mir des Weiteren mittlerweile sehr gut vorstellen. Trotz allem waren seine erzieherischen Interventionen mehr als nur fragwürdig: „Das nennst du aufpassen?"
„Glaube mir, der kleine Earl hatte von allen Menschen auf diesem Schiff die allerbesten Überlebenschancen. Ich habe es 2 Jahre mit reden versucht. Erfolglos. Wer nicht hören will, muss eben fühlen."
„Und dafür mussten so viele Menschen sterben?! Nur damit der Earl mal einen auf den Deckel kriegt?!"
Undertaker lachte dunkel: „He he he, nein. Ich sagte doch, der Earl kam relativ spontan auf das Schiff. Diese Menschen starben, weil ich ihr aufbäumen gegen den Tod und ihre verzweifelten Überlebensversuche interessant fand. Weil Menschen mir egal sind, Sky. Bis auf ein paar wenige, habe ich für sie rein gar nichts übrig. Sie sind interessant, ja. Aber auf eine negative Art und Weise. Sie sind gierig, grausam, egoistisch und moralisch bis ins Letzte verwerflich. Meine Dolls waren grausam, weil sie Menschen umbrachten um ihre Seele zu adoptieren und somit ihrem leeren Dasein Sinn zu geben? Menschen töten einander für viel weniger. Immer und immer wieder. Jahrhunderte habe ich Records gesehen. Records von wirklich Unschuldigen, die grausam geschlachtet wurden. Records von ermordeten oder verhungerten Kindern, für die der Tod eine Erlösung war. Records von fetten Pfeffersäcken, die alles andere als Gottesfürchtig waren und nicht den Hauch von Reue ihren Missetaten und Opfern gegenüber empfanden. Von schmierigen Sklaventreiber und Winkeladvokaten. Von scheinheiligen Wohltätern, die doch nur ihr eigenes Portmonee im Blick hatten. Vergewaltiger, Mörder, Schlächter, Folterknechte die noch nicht mal eingesehen haben, dass sie schlechte Wesen waren. Warum, Skyler? Sage mir, warum soll mir an den Menschen irgendetwas liegen?"
„Undertaker", begann ich verzweifelt: „Das kann doch nicht dein Ernst sein!"
„Oh doch, kann es", konterte er. Er wirkte so ernst und unterschwellig erzürnt. Seine Stimme war so furchtbar kalt. Und es war bestialisch: „Mein voller Ernst. Wenn du mir nicht glaubst, steht es dir frei zu gehen."
‚Warf er mich gerade raus?', ich wusste nicht was passierte, wenn ich seinen Wink nicht richtig deutete. Ich wusste nicht mehr was gerade überhaupt passierte. Ich wusste nicht mehr wer vor mir stand. Und ich hatte Angst. Wenn er einfach so 1873 Menschen ins Unglück laufen lassen konnte... in das von ihm selbst zusammengeflickte Unglück... dann doch auch mich... oder?
Fluch hip oder hop, ich war doch auch nur ein Mensch.
Ich ließ seine Hand los und tat unwillkürlich einen weiteren Schritt nach hinten: „Ich... ich..."
Seine Augen wurden noch schmaler.
Was, wenn ich blieb und er wollte, dass ich gehe? Was macht er dann mit mir? Bringt er...
Nein!
Nein, er rettete mir doch immer das Leben! Mittlerweile drei Mal! Er hat für Amy und mich das...
Meine Gedanken stockten und meine Augen weiteten sich in Erkenntnis: ‚Amy und ich... Amy... Amy... ich...'
Ich... war die beste Freundin einer Phantomhive. Ich war... die beste Freundin einer der Menschen, die Undertaker beschützen wollte. In dessen Diensten er stand. Wahrscheinlich hat er nie mich... er hat nie Skyler gerettet. Er hat immer die beste Freundin einer Phantomhive gerettet.
Tränen stiegen mir in die Augen.
Wie konnte ich nur so dumm sein?
So dumm und selbstzentriert, dass ich glauben konnte es sei jemals um mich als Person gegangen?
Ich war Standard. Langweilig. Obwohl ich verflucht war, war ich einfach langweilig, was eine Leistung war. Und ich war dumm und weinerlich.
Doch gerade - in Anbetracht dieses Gesichtes - wusste ich nicht wie weit mich der Umstand mit einer Phantomhive befreundet zu sein retten konnte. Schließlich war ich alleine mit ihm. Ansonsten war hier niemand.
Nur er.
Der 1873 Menschen umgebracht hatte.
Ich hätte nie gedacht, dass er zu so etwas fähig war. Auch wenn er es mehr als einmal betont hatte. Ich hatte immer gedacht er übertrieb. Das er eigentlich ein nettes, feinfühliges Wesen war. Doch nun konnte ich mit Nichts mehr wegreden, was er mir offenbart hatte. Was er fürchterliches getan hatte.
Und ich hatte ihn erzürnt. Abermals. Was ist, wenn er jetzt die Geduld mit mir verlor?
Ohne ein Wort zu sagen streckte Undertaker seine lange Hand nach mir aus. Meine Augen weiteten sich noch mehr durch den kalten Schreck der mich befiel, als seine langen Finger näher kamen.
Er will mich packen!
Er sagte ich solle gehen und ich bin stehen geblieben und hatte ihn nur weiter angestarrt. Natürlich will er mich packen!
Die kalte Schockstarre löste sich, kippte komplett und ergriffen von einer heißen Panik preschte ich nach vorne.
Wenn jemand der einen packen will, einen zu packen bekam, gab es nur einen logischen Ausgang.
Auch mein Vater hatte mich immer am Oberarm gepackt, wenn ich vor ihm fliehen wollte. Oder mich schutzsuchend auf dem Boden geschmissen hatte. Und dann hatte er...: ‚Nein! Nein, ich will das nicht!'
Der Bestatter stand zwischen mir und der rettenden Vordertür. Doch ich konnte meinen Weg schon nicht mehr ändern. Die paar Schritte die ich an ihm vorbei sprinten musste, tat ich betend. Undertakers Hand kam näher. Durch diese Erkenntnis rannte ich noch schneller, als ich losgelaufen war. Mein Blick flog über sein Gesicht. Ich merkte wie seine kalten Finger meine Hand streiften.
Dann tat ich einen letzten riesigen Schritt aus der Ladentür.
Ich schlug Harken um die Ecken. Ich rannte wie eine Verrückte. Das Blut rauschte in meinen Ohren. Mit raschelndem Atem sprintete ich durch die dunklen Gassen. Mein Körper brannte. Mein Knie schmerzte entsetzlich. Doch ich lief. Ich lief bis ich aus den Gassen entkommen war. Und selbst dann rannte ich noch weiter. Ich passierte den Friedhof. Ich wusste, ich konnte niemals schneller sein als der Bestatter. Wenn er mich fand dann... war ich wahrscheinlich tot.
Ich rannte den ganzen, weiten Weg zum Wohnheim. Angefacht von schreiender Panik.
Krachend stieß ich die Tür vom Wohnheim auf, hechtete durch die leeren Flure bis unters Dach. Polternd lief ich in das kleine Apartment und sofort in mein Zimmer.
Erst dort hörte ich auf zu rennen.
Ich japste und schnappte verzweifelt nach Luft, als ich meinen Rücken gegen meine Tür drückte.
Mein ganzer Körper tat weh.
Mein lädiertes Knie pochte heiß unter der ganzen Mehrbelastung.
Meine Lungen brannten.
Mein Gehirn raste.
Mein Herz stand kurz vorm Exitus.
Obwohl ich daheim war, war ich doch noch lange nicht in Sicherheit. Doch wo sollte ich sonst hin? Ich atmete einmal tief durch und schloss meine Augen: ‚Ich hab einen Steinanhänger... er kann nicht spüren wo ich...'
Meine Augen sprangen auf. Ein weiterer tiefer Schreck surrte durch mich hindurch. Das Kettchen von dem Anhänger hatte Hannah mir kaputt gemacht. Deswegen hatte ich ihn nicht am Hals getragen. Er war in meiner Hosentasche... Und meine Hose... hing in Undertakers Badezimmer!
Ich schaute an mir herunter. Ich trug seine Hose... sein T-Shirt... seinen Mantel...
Mein Herz zog sich zusammen und Tränen stiegen mir in die Augen. Ich konnte sie nicht aufhalten. Mein Gehirn repetierte unaufhörlich was gerade passiert war. Total durcheinander.
„Er...", ein gequältes Schlucken: „Er ist ein Mörder... Er wollte mich packen... Er wollte mir..."
Ich presste mir eine Hand gegen den Mund. Etwas Kühles an meinen Fingern berührte meine Lippen.
Ich schaute auf meine vor Anstrengung, Panik und Unglauben zitternde Hand.
Dann surrte eine schmerzvolle Welle durch meinen ganzen Körper. Meine Hand zitterte noch mehr, als ich mir eines furchtbaren Fehlers unglaublich schmerzhaft bewusst wurde und sah was so kühl um meine Finger lag.
Ein silbernes Kettchen.
Ein silbernes, ganzes Kettchen mit einem Pentagrammanhänger.
Ein lautes geschocktes Schluchzen fuhr scharf aus meinen verkrampften Lungen. Ich dachte er hat die Hand ausgestreckt um nach mir zu greifen und danach sonstiges mit mir zu tun. Mich vielleicht sogar umzubringen, weil ich nervig war und meine Nase immer in seine Angelegenheiten steckte. Doch...
„Oh mein Gott...", hauchte ich, rutschte an der Türe hinunter und starrte immer noch fassungslos auf den schön gearbeiteten Anhänger, der um meine Finger hing: „Er... er hat mir... er hat mir... er wollte mir... nur... meinen... meinen Anhänger wiedergegeben..."
Mein Herz, mein Magen, meine ganze Brust zog sich noch weiter zusammen und mein ganzer Körper folgte krampfhaft diesem Zug. Noch mehr Tränen liefen über meine Wangen, als ich realisierte, dass Undertaker nicht die Hand ausgestreckte hatte um mich zu packen, sondern um mir meinen Anhänger wiederzugeben. Der Anhänger der das Einzige war, was mich beständig vor Claude und Oliver beschützte.
Warum wollte er ihn mir wieder geben?
Was war passiert?
Was hätte er mir getan?
Hätte er sich endgültig dem nervenden Mädchen - was ich war - entledigt oder hätte er mir gar nichts getan?
Was habe ich ihm damit angetan weggerannt zu sein?
Ein Teil von mir sagte mir, dass ich vor einem offensichtlich vollkommen verrückten Sensenmann weggerannt war, der eine Horde Zombies auf ein Kreuzfahrtschiff losgelassen hatte und 1873 Menschen dabei hatte sterben lassen. Für – wie er es selbst betont hatte – schlichtes Pläsier.
Ein anderer Teil von mir sagte gar nichts. Er schrie nur und weinte. Es war der größere Teil von mir. Der aktive Teil von mir. Der laute Teil von mir. Der Teil, der für immer die Ladentüre dieses Bestattungsunternehmen ins Schloss schnacken hörte. Meines Lieblingsgruselkabinetts...
Ich wusste nicht mehr was ich über ihn denken sollte. Doch mir war nur allzu klar, dass ich nun vor verschlossenen Ladentüren stand. Und diese Erkenntnis tat furchtbar weh. Sie riss mir das Herz entzwei. Ich krallte meine Hände in das T-Shirt des Bestatter... über mein schmerzendes Herz... zog die Knie an mich heran und vergrub mein Gesicht darin.
Ich wusste nicht mehr wer er eigentlich war. Ich hätte alles darauf verwettet, meine Hand dafür ins Feuer gelegt und jeden Eid darauf geschworen, dass er ein gutes und treues Wesen war. Wohlgesinnt und verständnisvoll. Und dennoch... alle Worte die ich kannte erfassten nicht annähernd, wie grauenvoll seine Taten gewesen waren.
Denn... er hasste Menschen.
Und er bringt sie um.
Ohne mit der Wimper zu zucken und ohne ein Fünkchen Reue.
Die paar Menschen, die ihm wichtig waren, waren die Phantomhives, Fengs, Hermanns und von Steinen. Mich hatte er sicher nur ertragen, weil Amy mich mochte. War nett zu mir gewesen, weil ich Amys Freundin war. Er hatte mir wochenlang vorgespielt er sei ein Mensch, warum sollte er dann nicht auch so tun als würde er mich mögen, damit Amy und Alex zufrieden waren?
Sicherlich... hatte es ihn schon lange genervt, dass er mich immer retten musste. Sicherlich... hatte er jedes Mal innerlich gestöhnt, wenn ich seinen Laden betreten hatte. Sicherlich... war ich ihm genauso egal wie die Passagiere der Campania.
Die Phantomhives waren erstaunlich. Die Fengs waren außergewöhnlich. Die Hermanns und die von Steinen waren vielversprechend. Menschen, auf die er neugierig sein konnte.
Ich?
Ich war nicht erstaunlich. Ich war fade, grau und flach. Ich war nicht außergewöhnlich. Ich war trivial, durchschnittlich und banal. Ich war nicht vielversprechend. Ich war eintönig, schlecht gelaunt und negativ. Darüber hinaus war ich noch dumm, tollpatschig und zu nichts zu gebrauchen. Ich war ja selbst zum Staubwischen zu blöd.
Eigentlich... hätte ich das alles wissen müssen.
Mein Vater hatte schließlich nie einen Hehl daraus gemacht. Er hatte mir immer gesagt, dass ich genau so und genau das war. Und Menschen, die so waren, waren eben vollkommen wertlos. Auch für verrückte Totengräber mit silbernen Haaren. Das ich noch lebte war also eine Ode an seine Geduld.
Ich hätte einfach von Anfang an auf meinen Vater hören sollen...
Ich hörte einen Schrei... Er war spitz. Er war grell. Er kam von mir... ich sprang auf und riss mir die Kleider des Bestatters vom Leib. Das Kettchen rollte sich von meinen hektisch, panischen Fingern.
Ich... ich wollte von ihm nichts an mir haben.
Ich... ich wollte ihn aus meinem Kopf verscheuchen, da ich ihn niemals wieder sehen werde.
Immer noch weinend und heulend zog ich meinen Pyjama an und kauerte mich - Beine angezogen, Arme darum geschlungen und mein Kopf in ihnen versteckt - in die hinterste Ecke meines Bettes. Ich zog selbst meine nackten Zehen ein um so klein und nicht da zu sein, wie nur irgend möglich.
Hatte ich überreagiert?
Ich wusste es nicht.
Meine Gedanken sprangen durcheinander.
Ich war die Böse und nicht er.
Selbst wenn er nur für Amy nett zu mir gewesen war, war er nett zu mir gewesen. Das war schon um einiges mehr, als die Meisten für mich übrig hatten. Selbst wenn er das alles wirklich getan hatte – und seine Worte ließen keine Zweifel daran, dass er das alles getan hatte – hätte ich mich so lange zusammen reißen müssen bis ich mich ordentlich verabschiedet hatte und ganz normal rausgegangen war. Doch ich war gerannt wie eine Bekloppte und hatte damit eine ganz klare Message da gelassen.
Hatte ich nicht noch groß gesagt, dass ich eine gute Freundin für ihn sein wollte? Und nun... war ich vor ihm weggelaufen. Dass ich es nicht schreiend getan hatte, war ein Wunder. Das war Verrat. Ich hatte ihn verraten.
Ich hatte seine Hand los gelassen und er wird sie mir nie mehr geben. Ich war durch seine Tür gerannt und er wird sie mir nie wieder öffnen. Diese Gewissheit zerriss mein Herz noch mehr und schickte mir noch mehr Tränen meine Wange hinunter. Mein eigenes Heulen hallte laut von meinen Zimmerwänden wieder. Es rauschte in meinen Ohren und hörte sich an, als käme es gar nicht von mir selbst.
‚Ich...', mein Mund konnte nur greinen und weinen, doch mein Kopf sprach denselben Satz immer und immer wieder: ‚Ich hab... ich hab ihn losgelassen... Ich... Ich hab seine Hand losgelassen und... und bin weggerannt... Was... Was... Was habe ich getan?'
Sein Gesicht sprang durch meinen Kopf. Das Gesicht, das ich gesehen hatte als ich an ihm vorbei gerannt war. Erst jetzt hatte ich die Zeit dafür seinen Gesichtsausdruck zu realisieren.
Seine Augen... waren nicht mehr kalt gewesen. Sie hatten mich traurig angeschaut. Unendlich traurig... Verletzt... und tief enttäuscht...
Dieser Blick in seinen Augen tat mir so furchtbar weh und ich fühlte mich so furchtbar schlecht, diese Augen dazu gebracht zu haben so zu schauen.
Wenn ich gerade auch nicht viel wusste, ich wusste, dass ich ihn verloren hatte. Und das dies schmerzte. So unendlich. Mein aufgewühlter Kopf schrie mir entgegen warum. Während ich hysterisch heulend auf meinem Bett saß konnte ich endlich verstehen, was mein Kopf mir spätestens seit der Begegnung am Bach, aber eigentlich schon lange davor, immer entgegen schrie...
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Tears and Laughter
Fanfiction[Black Butler / The Undertaker x OC / Modern Times] »Ich konnte mich nicht bewegen. Diese Augen bannten meinen Blick. Warum war die Haut des Totengräbers so kalt? Gleichzeitig mit diesem Gedanken schoss mir auch schon wieder Hitze ins Gesicht und ic...