Kapitel 2

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Dann sah ich auf die Uhr und zog scharf die Luft ein. Schon so spät. Ich hatte die Zeit komplett aus dem Augen verloren....

"Hannah, kommst du?", rief ich quer durch die Bibliothek.
"Komme schon", schallte es zurück. Wenig später sah ich meine kleine Schwester im Laufschritt um die Ecke biegen.
"Bitte Ruhe!", mischte sich eine Frau ein. Genervt verdrehte ich die Augen und holte scharf Luft. Dann zwang ich mich zu einem Lächeln und entschuldigte mich ohne jegliche Aufrichtigkeit.
"Entschuldigung...Bist du fertig?" Ohne ihre Antwort abzuwarten fuhr ich fort: "Dann können wir ja gehen...Schnell. Mum wartet sicher schon!"

Schüchtern warf sie dem Jungen noch einen letzten Blick zu, bevor wir Hand in Hand das Gebäude verließen.  "Tschüss", rief dieser uns noch nach. Dann einer Sekunde Pause fügte er noch hinzu. "Hey du...äh....Girl, ich weiß nicht einmal deinen Namen!"
Als ich nichts erwiderte drehte sich meine Schwester erneut um und ergriff an ihrem Maßstab gemessen eine drastische Maßnahme. "Lissa sagt auch Tschüss!" Unter ihrer Gruppe an kleiner, vorlauter Freundinnen mochte sie die Queen sein, doch bei Fremden, vor allem älteren und dann auch noch einen Jungen, wurde sie die Schüchternheit in Person. Da waren ungezwungne vier Worte eine drastische Maßnahme.
"Und du?" In seiner Stimm klang ein amüsierter Unterton mit. 
"Ich auch", rief sie ihm noch zu bevor wir ins Freie garten.
"Schade", meinte sie noch zu mir. "Du hast ihm nicht einmal deine Handynummer gegeben..."

"Du bist unmöglich", schimpfte ich im Bus mit ihr.
"Warum?" Sie sah mich mit ihren großen, grünen mit blauen Sprenkeln versehenen Augen an. "Ich habe nur gesagt, dass ihr mich an einen Disney Film erinnert."
"Das Leben ist aber kein Disney Film!"
"Sagt diejenige die mit Fünfzehn abends immer noch Bücher mit Prinzen und Prinzessinnen liest!", argumentierte sie und riss beide Arme dramatisch in die Luft. Dabei streckte sie mir schräg die Zunge heraus.
"Gar nicht wahr, du Frechdachs!" Wütend funkelte ich sie an. Das Mädchen war unmöglich. Ich liebte sie von ganzem Herzen, doch in solchen Momenten würde ich sie am liebsten aus dem Fenster werfen. Diese...Ignoranz war unerträglich.
"Was ist mit 'Selection'? Und was mit 'Das Juwel'? Und dann noch die gesamte Saga von..."
"Das sind entweder keine Prinzessinnenbücher, da werden Themen angesprochen, die du nicht einmal verstehen würdest, oder sie sind Fantasybücher! Das heißt, ich glaube zumindest nicht daran, dass es so was wie 'die große Liebe' auf den ersten Blick gibt!" Bei den Worten 'die große Liebe' zeichnete ich mit meinen Händen zwei Anführungszeichen in die Luft. Doch, ich glaubte an die große Liebe. Nur eben nicht im echten Leben. Oder um genauer zu sein: in meinem Leben.
"Aber...ich hab dich doch lieb!" Mit großen Augen schaute sie mich an. "Und das seit dem ersten Augenblick."
Und in solchen Momenten würde ich sie gerne in den Arm nehmen und nie wieder loslassen. So sehr sie nerven konnte, so süß war sie zeitweise. Und ich wüsste nicht, was ich ohne sie tun würde.
"Na schön. Streich meinen vorherigen Satz. So was wie das typische Verliebtsein gibt es nicht. Zumindest nicht so, wie es uns in Büchern und Serien vorgespielt wird", versuchte ich ihr zu erklären.

"Und was ist mit Mum und Dad?"
"Die beiden lieben sich... Liebe und verliebt sein ist ein großer Unterschied", erklärte ich sofort viel sanfter. Liebevoll strich ich ihr eine Strähne aus ihrer Stirn und lächelte sie an.
"Welcher denn?" Verwirrt zog sie die Stirn in Falten.
"Lange und vor allem eine Komplizierte Erklärung...außerdem müssen wir jetzt aussteigen, also komm."
Sobald wir wieder an der frischen Luft waren, lief sie eine Schritte bis sie vor mir stand. Dann meinte sie: "Ich hab heute noch den ganzen Abend Zeit..."
Sie war zu süß! Ihren groß aufgerissenen Augen, dem lieblichen Lächeln und wie ihrer Frisur um sie herumwirbelte, wenn sie auf und ab wippte...sie wusste genau, dass ihr dann jeden Wunsch erfüllen würde.
"Also gut", gab ich mich geschlagen. "Verliebtsein ist...zu glauben, dass man eine Person liebt. Dann bekommt man ein ganz flaues Gefühl im Bauch, so als hätte man unzählige Schmetterlinge im Bauch."
"Also so wie wenn man krank wird", fasste meine kleine Schwester zusammen. Innerlich lachte ich leise auf. So hatte auch ich das erst Mal reagiert, als jemand den Vergleich mit Schmetterlingen gezogen hatte...
"So in etwa... Aber vermutlich liegt da ein großer Unterschied dazwischen. Das wirst du dann schon herausfinden", gab ich zur Antwort und hoffte, dass das Thema damit erledigt wäre.
"Warst du schon mal verliebt?" Neugierig sah sie mich an.
"Erstens geht dich das nichts an und zweitens nein", gab ich offen zu. "Und du? Oder gibt es da einen Jungen, den du magst" Amüsiert wartete ich auf Ihre Antwort.

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