Kapitel 9

28 5 2
                                    

"Nichts...mir geht es gut", brachte ich gequält hervor. Nervös starrte ich an ihr vorbei. Ich hatte Angst, ich würde ihr alles anvertrauen, wenn ich ihr in die Augen blicken würde.
Als Antwort schüttelte Sofia stumm ihren Kopf und schob mich schließlich zu der nächstbesten Bank. Mit Nachdruck und dennoch so vorsichtig, als würde ich bei einer zu groben Behandlung in tausend Scherben zerfallen, zwang sie mich dazu mich hinzusetzten. Dann nahm sie neben mir Platz, und lehnte sich leicht zu mir vor. "Was ist los?"
Eine Sekunde verging. Mein Mund fühlte sich staubtrocken an. Mein Hals wie zugeschnürt. Mein Blick fiel auf meine Schnürsenkel während ich entschuldigend die Schultern hob. "Ich weiß es nicht. Vermutlich hat mein Kreislauf einfach schlapp gemacht...", murmelte ich.
"Wirklich?"
"Möglicherweise war ich einfach nur unterzuckert", fügte ich mit zittriger Stimme hinzu. Ich umklammerte den Pappbecher so fest, bis meine Fingerknöchel weiß hervortraten.

Fragend hob Sofia eine Augenbraue. "Bist du sicher, dass das heute eine Ausnahme war?"
Ich nickte einmal. Schenkte ihr ein schwaches Lächeln. "Vielleicht hätte ich zu Mittag doch mehr essen sollen..."
Das genügte ihr. Sie zauberte einen Riegel aus ihrer Jackentasche hervor. Auffordernd hielt sie ihn mir entgegen.
"Ich hab schon was zuckerhaltiges!", wehrte ich entschieden ab, und hielt den Becher mit der warmen Schokolade zum Beweis hoch.
"Der gibt dir aber keine wirkliche Energie her", belehrte sie mich, und legte den Riegel direkt neben mich. Dann sah sie mich abwartend an.
"Musst du nirgends hin?", erkundigte ich mich, als sie sich weiterhin keinen Zentimeter von der Stelle bewegte.
"Ich bin auf dem Weg zum Karate", gab sie schulterzuckend zurück und schleuderte ihre zwei geflochtenen Zöpfe über die Schulter. "Aber da ich noch genug Zeit habe, gehe ich nirgends hin bevor du nicht den Kakao ausgetrunken und den Riegel gegessen hast!" Sie schnitt eine kleine Grimasse und verschränkte abwartend die Arme.
"Warum? Es ist nicht so, als ob ich im nächsten Moment umfallen würde. Mir geht es gut!" Ich starrte ihr trotzig entgegen.
"Offensichtlich eben nicht..."
"Du brauchst deshalb kein Drama draus zu machen", murmelte ich abwehrend. Es war mir unangenehm, dass ihre gesamte Beachtung nur mir galt. Ich wollte nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Nicht einmal bei Personen, die ich mochte. Zumindest nicht, wenn es dabei um meine Gedanken ging...

Sofia seufze leise auf. "Du machst es nicht besser, wenn du dich dagegen wehrst", meinte sie nur und warf mir einen langen, enttäuschten Blick zu. Sie schien besorgt zu sein. Ihre Augen sprangen nervös von meinen Fingern zu dem noch immer unberührten Getränk. "Bist du dir sicher, dass du es trinken wirst?", fragte sie mit unfassbar sanfter Stimme.
Verblüfft blinzelte ich sie an. "Natürlich!"
"Du hat ihn noch nicht angerührt."
Offensichtlich... Ich hob nur meine Schultern. "Was willst du damit bezwecken?"
"Womit?"
"Mit dem Verhör?"
"Larissa..., du hast nicht etwa Probleme...", begann sie sichtlich nervös herum zu stottern.
Ich hingegen hielt mitten in der Bewegung inne. Hielt meinen Atem an. Verspannte mich Augenblicklich. Probleme womit? Doch ich wollte sie auf gar keinen Fall in ihrer These bestärken. Was auch immer ihre These war. Sie war falsch!
"...zu essen?", vervollständigte sie schließlich ihren Satz.
Erleichtert atmete ich aus. Wenn sie dachte ich wäre unterzuckert, weil ich nichts essen wollte lag sie offensichtlich falsch. Und das konnte ich sogar beweisen. "Natürlich, nicht!"
Sofia schien sich ebenfalls zu entspannen. Sie glaubte mir. "Das heute war also wirklich nur eine Ausnahme?", versicherte sie sich.
"Was glaubst du denn? Denkst du ich hätte ich dich angelogen?" Es verletzte mich tatsächlich, dass sie mir nicht zu hundert Prozent glaubte. Ein kleiner Zweifel stand ihr noch immer ins Gesicht geschrieben.
Erneut hob sie nur ihre Schultern. "Du bist tatsächlich schwer zu lesen. Ich habe fast das Gefühl du kapselst dich immer wieder von uns ab..."
"Das stimmt nicht! Es ist nur so, dass..." Und dann fehlten nur schon wieder die Worte. Das ich lieber in einer fiktiven Welt lebte. In Tagträumen versunken bin. Mich tatsächlich von allem abschotte. Nicht mehr...
"Ich meine es ernst. Warum klinkst du dich immer aus? Ich meine, du bist meine Freundin. Ich möchte dir auf gar keinen Fall unbewusst das Gefühl geben, wo wärst uns nicht wichtig!", redete sich Sofia an Range. Eins der unzähligen Dinge für die ich sie beneidete! Ich fand in solchen Situationen nie die richtigen Worte.
Du bist meine Freundin! Der Satz brannte sich förmlich in mein Gedächtnis ein. Ich spürte, wie sich Lippen zu einem ehrlichen Lächeln verzogen. Nicht das falsche, freundliche Lächeln oder das 'es geht mir gut' Lächeln. Die aufrichtige Art von Lächeln, wie wenn Hannah mal wieder eine ihrerseits süßen Phasen hatte. "Danke", meine ich sanft. "Wirklich!"
Verblüfft sah sich mich, erwiderte jedoch strahlend mein Lächeln. "Was auch immer ich gerade gemacht habe, gern gestehen!"

Ways of love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt