Der nächste Morgen lief so ab, wie jeder andere auch. Aufwachen, todmüde zum Frühstück schlürfen, das Brot aufgrund der Mündigkeit kaum wertschätzen können und schlaftrunken ins Zimmer taumeln. Dort das Erstbeste anziehen was mir in die Finger geriet. Oder besser gesagt das erstbeste und bequemste Kleidungsstück! Alle Hefte die in der Nähe lagen in die Schultasche schmeißen und dabei hoffen, keine Hausaufgaben übersehen zu haben. Anschließend zumindest schon etwas wacher in die Jacke und Schuhe schlüpfen und die Schultasche packen. Mit einem lauten "Tschüss" verabschiedete ich mich von der Familie verabschieden, bevor ich zur Haltestelle hetzte, in der Hoffnung die letzten Meter keinen Sprint hinlegen zu müssen.
Dann stand man entweder die ganze Busfahrt über nutzlos herum, oder hatte das Privileg einen Sitzplatz zu ergattern. An diesem Tag hatte ich das Glück, dass letzteres der Fall war.
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen schaltete ich mein Handy ein und setzte keine Kopfhörer auf. Dann drückte ich auf Play bei meiner Lieblingsplaylist und war schon einige Sekunden später in einer ganz anderen Welt."Hallo!" Eine Hand schnippte direkt vor meinem Gesicht.
Geht's noch? Erschrocken zuckte ich zusammen. Vorwurfsvoll warf ich der Person einen funkelnden Blick zu. Und hielt mitten in der Bewegung inne.
"Darf ich mich setzten?" Abwartend blickte mich Elias, der Engländer aus dem Tanzkurs, an.
Schuldbewusst blickte ich auf die Schultasche neben mir. Schnell machte ich für ihn Platz und nickte leicht. Eine Sekunde später saß er auf den Platz neben mir. "Also?" Abwartend sah er mich an.
Langsam stellte ich die Lautstärke der Musik leiser und sah ihn verständnislos an. Fragend hob ich eine Augenbraue.
"Der Block!", erinnerte er mich.
Siedendheiß fiel mir alles wieder ein. Gestern. Wie Mum mich gefragt hatte auf Hannah aufzupassen. Wie ich danach vergessen hatte die Schultasche zu packen und heute morgen alles schnell hineingestopft hatte.
Der Block! Ich hatte die Seite noch nicht herausgerissen. Er konnte sie unmöglich lesen! Er durfte sie nicht lesen! Das war eine Katastrophe. Ich griff mir an die Stirn. "Den hab ich daheim vergessen!", nuschelte ich und zog eine entschuldigende Grimasse. "Sorry!"
Er blinzelte leicht. "Dein Ernst?" Ungläubig starrte er mich an.
Ich nickte leicht. "Tut mir echt leid", beteuerte ich und zog die Schultern hoch.
Langsam schüttelte er seinen Kopf. "Du erwartest nicht ernsthaft das ich dir glaube, oder?"
Doch! "Sorry!" Unsicher grob ich meine Fingernägel noch tiefer in meine Jackentasche und hob beide Schultern. Unauffällig ließ ich mein Haare wieder vor mein Gesicht fallen. Fast hätte ich das Gefühl, der hellbraune Vorhang würde mich von der Außenwelt beschützen. "Außerdem stimmt es...", fügte ich kaum hörbar noch hinzu und hoffte, er würde nicht nachfragen.
"Hey, when are you going to realize i just want to help you?"
"Help me?" Du bist einfach nur ein Fremder der im Bus neben mir sitzt. Wie könntest du mir schon helfen, dachte ich und starrte ihn an. Und überhaupt; Ich brauchte keine Hilfe!Warum wollte er mir überhaupt 'helfen'? Was ging ihm mein Privatleben an? Argwöhnisch verschränkte ich die Arme. "Ist das eine Wette, oder was?" Meine Stimme klang sogar noch schärfer als beabsichtigt.
"Eine Wette? Wie kommst du jetzt darauf?" verzweifelt riss er beide Hände in die Luft.
"In In Büchern ist es doch immer so!" Anklagend funkelte ich ihn an. "Der Schwarm des Mädchens oder der absolute Traumtyp der gesamten Schule ist nur so nett zu ihr weil er sie wegen einer Wette ausnutzen will. Oder benützen!"
"Okay, Sekunde! Willst du mir gerade ernsthaft vorwerfen, dass in Büchern der nette Junge sich als Idiot herausstellt?" Ungläubig starrte er mich an.
Ohne mit der Wimper zu zucken nickte ich kurz. Als ihm ungläubig der Mund aufklappte, runzelte ich mir die Stirn. "Ist es nicht so?"
"Nein! Laissa, I promise, I would never do such a thing!"
Ganz genau, weil die Jungs in Büchern es auch zugeben würden, dachte ich mit sarkastischem Unterton und klammerte mich an meinen Jackenärmeln fest. Jetzt dachte er bestimmt ich sei paranoid. Oder er versuchte wirklich nur wegen einer Wette mich kennenzulernen, und hielt mich für komplett durchgedreht. Dann wäre ich ihn zumindest los. Doch wenn nicht...
"I would never hurt you!"
Wortlos nickte ich. Noch immer kein bisschen überzeugt. "Why won't you believe me?" Er klang enttäuscht. Enttäuscht und verzweifelt.
"Mach ich doch!" Selbst in meinem Ohren klang es nach einer Lüge.
Als Antwort schüttelte er stumm den Kopf. Dann schwiegen wir beide. Für eine Sekunde. Und dann für noch eine. Ich hoffte, die Fahrt wäre so schnell wie möglich vorbei. Ich hasste es neben ihm zu sitzen, in dem Wissen, dass er sauer war...oder zumindest enttäuscht. Aus den Augenwinkeln warf ich ihm einem langen Blick zu. Dann kam mir eine Idee. Ich öffnete meine Schultasche und Angelte nach der Federschachtel. Verwirrt legte er seine Stirn in Falten. "Was hast du vor...?"
In diesem Moment fiel mir ein, dass der Block, den ich laut meiner Aussage zu Haue vergessen hatte, in der Schultasche lag. Schnell versperrte ich ihm den Blick auf den Inhalt der Tasche. Stattdessen klappte ich die Federschachtel auf und durchkramte sie. Die Füllfeder, zwei Kullis, die Kette mit dem TARDIS Anhänger, Papierreste...schließlich brachte ich einen Bleistift ans Tageslicht. Gefunden! Freudestrahlend hielt ich ihm den Stift entgegen. "Hier!"
"Das...ist ein Bleistift." Verständnislos starrte er mich an.
"Gut erkannt, Sherlock", meinte ich mit einem Augenrollen. "Und die Chance mir zu Beweisen, dass du nicht versuchst dich mit mir auf Grund einer Wette anzufreunden!"
Immer noch verständnislos nickte er einmal, als wüsste er, was ich meinte. Doch sein fragender Blick sprach Bände. "Inwiefern..?"
"Wenn du mir den Bleistift nach...sagen wir drei Monaten, wiedergeben kannst weiß ich, dass es keine Wette war! Wenn nicht hast du deinen Freunden wenigstens eine gute Story zu erzählen!"
"Ich bin neu hier. Ich habe noch keinen wirklichen Freundeskreis", stellte er trocken fest.
Ein kleines Lächeln umspielte meine Mundwinkel. "Es könnte eine Mutprobe gewesen sein!"
"Das traust du mir zu?" Doch er griff nach dem Stift. Argwöhnisch drehte er ihn einige Male in der Hand, als würde er erwarten, dass er sich jederzeit in ein Schwert verwandeln würde.
"Natürlich nicht! Aber..." Mir fiel kein plausibler Grund ein. Zumindest keinen, den ich aussprechen konnte.
Elias zuckte nur mit den Schultern. "Egal, ich werde es trotzdem schaffen, dass du mir vertraust bevor die drei Monate um sind!"
Auf gar keinen Fall! Doch ich verkniff mir jeglichen Kommentar!

DU LIEST GERADE
Ways of love
Ficção AdolescenteWelche Arten von Liebe gibt es überhaupt? Unendlich viele verschiedene! Von Liebe, die sich langsam anschleicht wie ein Traum, bis zu Liebe auf den ersten Blick. All diese Arten hat die junge Larissa bereits erlebt. Bis jetzt allerdings erst zwisch...