Kapitel 04

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Irritiert starrte Sean sein Gegenüber an. Keinen einzigen Ton brachte er über die Lippen. Er erwachte erst aus seiner Starre, als Bourdain ihn zum wiederholten Mal ansprach.

„Hören Sie überhaupt, was ich sage? Erde an Grandy! Erde an Grandy!" Der Brünette schnippte mit den Fingern vor Seans Gesicht, um dessen Aufmerksamkeit zu erlangen.

„Was sollte das werden, Mr. Grandy?", fragte er brüsk.

„Was?", Sean wirkte verwirrt. „Da-Das wollten Sie doch."

„Was?"

„Na, das hier." Vergeblich versuchte der Blonde, mit den Händen, die Situation einzufangen.

„Damit habe ich nicht gemeint, dass Sie die Erlaubnis haben über mich herzufallen und mir die Zunge in den Hals zu stecken, verdammt", zischte er.

„Aber gestern haben-."

„Das war gestern, nicht heute."

„Was wollen Sie denn dann? Ich bin verwirrt."

„Das ist ja nichts Neues", murmelte Bourdain gereizt.

Ergeben warf Sean die Hände in die Luft, dann setzte er sich geschlagen auf die Kante des edlen Bürotisches. Er hatte nicht mehr die Kraft aufrecht zu stehen. Ein mulmiges Gefühl ergriff von ihm Besitz und rumorte in seinem Inneren wie ein hungriges Ungetüm.

Um seine Hände zu beschäftigen, stellte er die umgeworfenen Utensilien wieder auf. Währenddessen suchte Bourdain nach seinem Headset, das bei ihrer unerwarteten körperlichen Aktion irgendwo zwischen Stuhl und Tisch gefallen war.

Mit seriöser Professionalität entschuldigte er sich bei seinem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung für die Unterbrechung. Erst da erkannte Sean, dass es eventuell ungebetene Zuhörer gegeben haben könnte. Seine Ohren brannten heiß vor Scham.

Während seines kurzen Gesprächs ließ Bourdain ihn keine Sekunde aus den Augen. Sein bohrender Blick war unangenehm und von der Leichtigkeit, die am Abend zuvor auf dem Parkplatz zwischen ihnen geherrscht hatte, war nichts mehr zu spüren. Sean fühlte sich wie ein ungezogener Junge auf der Schulbank, der auf seine Bestrafung wartete, dem der Rektor aber keinerlei Beachtung schenkte. Die Ungewissheit brachte ihn zum schwitzen. Nervös zog er an dem Knoten seiner Krawatte.

Die Sekunden bis Bourdain sein Gespräch beendet hatte, fühlten sich zäh und unwirklich an. Dann endlich wandte er sich wieder Sean zu.

„Damit das klar ist - und ich möchte mich in diesem Punkt nicht wiederholen - ich bestimme die Regeln und Sie befolgen sie oder verschwinden aus meinem Büro und setzen nie wieder einen Fuß hinein."

Sean verstand nicht, warum er plötzlich so aggressiv wirkte, als ob ihn etwas fürchterlich verärgert hätte. Er schluckte und nickte vorsichtig mit dem Kopf.

„Es ist nicht, was Sie tun, sondern wie. Das ist ein Arbeitsplatz und im Gegensatz zu Ihnen kann ich mir derartige Verfehlungen nicht leisten."

Sean runzelte die Stirn. „Aber-."

Bourdain hob einen Zeigefinger. Der Andere verstummte.

„Sie sind wieder eingestellt. Aber Sie durchlaufen eine Probezeit. Wenn Sie die bestehen, dann reden wir weiter."

Sean hob die Hände. „Moment mal. Und wie genau soll meine Arbeit aussehen? Ich versteh das nicht, ich dachte, Sie wollten-." Er schürzte die Lippen. Wie sollte er das nur formulieren?

„Sex?", half Bourdain ihm.

„Ja."

„Ganz so einfach ist es nicht."

Chicago AffairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt