Kapitel 11

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Das in klarem Azur schimmernde Poolwasser weckte in Holden den Wunsch, sich auf einem Boot mitten im Ozean zu befinden. Dabei dachte er an seine Yacht am Monroe Harbor. Wie gerne wäre er jetzt auf seiner Princess 98 MY. Gedankenverloren sah er in den wolkenlosen Himmel. Vielleicht später. Chicagos Wetter war trügerisch. Der stetige Wind hatte die Stadt fest im Griff und schnell konnte eine dichte Wolkenwand auftauchen.

Hinter ihm hörte er Schritte, dann nahm er eine Bewegung wahr. Die Hände lässig in den Hosentaschen versunken, stellte Sean sich neben ihn. Ein entspanntes Lächeln zierte seine Lippen, während er die Augenlider schloss und die Wärme der frühen Morgensonne auf seinem Gesicht genoss. Dabei sah er aus, wie ein kleiner Junge, fand Bourdain. Dem Ladegerät einer Batterie gleich tankte sein Körper Sonnenstrahlen.

Zum wiederholten Mal ertappte Holden sich dabei, den anderen intensiv zu betrachten. Langsam wurde es zu einer lästigen Gewohnheit, die ihn zu ärgern begann. Das schien Sean nicht aufzufallen oder er überspielte diese Tatsache gekonnt. Widerwillig wandte Bourdain den Blick ab und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du meinst das also wörtlich", stellte Sean fest.

„Wieso dieses spitzbübische Lächeln?", fragte Bourdain. Als wollte ihn sein Körper zu etwas auffordern, begannen seine Fingerkuppen zu kribbeln.

Sean zuckte mit den Schultern. Nach kurzem Zögern antwortete er: „Ich werde einfach nicht schlau aus dir."

„Und das ist ein Grund zum Grinsen?"

„Ja." Intensiv ruhte Seans Blick auf Holdens Gesicht, den dieser nicht so recht deuten konnte. „Mit dir wird es nie langweilig, was?"

„Das könnte ich eher von dir behaupten. Es ist nicht normal, so schusselig zu sein. Ein Wunder, dass du noch beide Augen und alle Finger an der Hand hast."

„Ich meine, ich verstehe immer noch nicht, was ich hier tue, Holden?", erklärte Sean ruhig.

„Momentan würde ich sagen, dass du die Sonne genießt", gab Holden sich besserwisserisch.

„Das meine ich nicht. Und das weißt du auch."

„Du bist mein persönlicher Haussklave. Ich will Sex, du willst Arbeit. Ganz einfach." Holden setzte sich eine Sonnenbrille auf die Nase und versenkte die Hände tief in den Taschen seiner Hose.

„Ich verstehe das nicht?"

„Was?"

„Du machst mich fertig. Willst du mich demütigen, mobben oder bist du wirklich einfach nur geil?" Sean unterdrückte ein Lachen. Er wollte keine Konfrontation, sie spaßten nur herum. Holden sah es genauso, denn auch auf seinem Gesicht wurde das Grinsen um einiges breiter.

„Such dir was aus."

„So kriegst du mich nicht klein, das ist dir klar, oder?"

„Wirklich? Funktioniert es nicht einmal ein bisschen?"

„Nein. Amanda ist viel Furcht einflößender als du. Außerdem habe ich langsam das Gefühl, du tust nur so. Wir kennen uns noch nicht lange, aber bis auf das unangebrachte Grapschen und die Nervosität beim Meeting, die ich echt nachfühlen kann, warst du eigentlich nett."

„Nett? Ist das alles, was dir einfällt?" Holden gab ein gespieltes Schnauben von sich. Außerhalb der Firma, in lässiger Haltung, ohne Krawatte und mit hochgekrempelten Ärmeln, wirkte Holden gar nicht mehr mächtig oder übermenschlich. Alles war so normal und vertraut.

„Ich finde es angenehmer, wenn du so bist", gestand Sean.

Holden schwieg und einige kleine, ernste Falten zerfurchten seine Stirn.

„Warum kommen wir nicht immer so gut miteinander aus?", fragte Sean, was eher nach einer rhetorischen Frage klang, weshalb der Brünette auch nicht weiter darauf reagierte. Holden wusste, dass Sean charmant war.

„Ich will den Job", sagte Sean erneut. „Ich weiß nicht, warum du das machst. Ob du mich auf die Probe stellst oder ob das deine Art ist, sich an mich ranzumachen. Eigentlich interessiert mich das gar nicht. Du solltest nur wissen, dass ich alles dafür tun werde, um ihn zu behalten."

Holdens Handflächen begannen zu schwitzen. Ein Reflex, den er beim besten Willen nicht unterdrücken konnte, obwohl er sich nach außen gelassen gab.

„Vorsicht, Sean, du begibst dich auf sehr gefährliches Terrain." Ein laszives Lächeln huschte über Bourdains Gesicht und verlieh ihm für einen kurzen Augenblick etwas von einem Jäger, der seine Beute witterte.

„Was ich damit sagen will, ist, dass wir einfach versuchen sollten einen guten Job zu machen. Nicht mehr und nicht weniger", erwiderte Sean, den raubtierhaften Zug um die Mundwinkel seines Chefs ignorierend. Holden war sich sicher, dass Seans Gerede ein Trick war, um ihn abzulenken.

„Ich kann dich gut leiden, Sean."

„Das ist mir nicht entgangen", meinte Sean sarkastisch und zog die Augenbrauen hoch, als er Holden dabei ins Gesicht sah.

„Ach ja, Mr. Schnellchecker?" Holden lehnte sich lässig an das Geländer und wand damit seinen Köper dem anderen Mann zu.

„Du würdest mich wohl kaum küssen, wenn du mich nicht attraktiv fändest. Allerdings ist deine Art es zu zeigen ganz schön gewöhnungsbedürftig."

„Nicht so bescheiden, Mr. Sexy", wieder dieses gespielte Schnauben, das ihr Gespräch banaler machte, als es tatsächlich war. „Versuchen wir es. Aber in der Firma werde ich deine miese Arbeitsmoral nicht hinnehmen."

„Deal?", fragte Sean.

„Du fliegst hochkant raus, wenn du den Job versaust." Holden beugte sich zu ihm und lugte über den Rand seiner schwarzen Sonnenbrille, sodass Sean das klare Blau seiner Augen sehen konnte. „Ganz egal wie begabt deine Zunge ist."

Chicago AffairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt