Kapitel 09

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„Morgen, Ivy", grüßte er die korpulente Schwarze und drückte ihr einen Kuss auf die Wange, nachdem er ihr eine herrlich duftende Papiertüte mit frischem Gebäck überreichte. Ivy ihrerseits gab ihm eine große Tasse Kaffee.

„Danke." Dann wandte er sich an die junge Frau, schenkte ihr ein warmes Lächeln, dass Sean ohne Zweifel als flirtend bezeichnet hätte und reichte ihr einen wunderschön verzierten Karton. „Für dich Jesse. Es tut mir leid, dass ich unseren Termin versäumt habe, aber ich hatte eine Kleinigkeit zu erledigen", entschuldigte er sich mit samtig weicher, beinahe unterwürfiger Stimme.

„Ich finde, du hättest ihn seinen Dreck ruhig selbst wegmachen lassen können, sonst lernt der Idiot nichts daraus", mischte Ivy sich ein und warf Sean einen bitterbösen Blick zu, der diesen allerdings amüsierte. Die Frau sah zu ulkig aus, als das man sich vor ihr hätte fürchten müssen.

Währenddessen hatte Jesse den Karton geöffnet, indem, entgegen jeder Erwartung, wieder Süßkram drin war. Edler Süßkram, über den sie sich gleich hermachte, wie eine Maus über Speck. Dabei blendete sie ihre Umgebung völlig aus.

Sean beugte sich ein wenig zu Bourdain und raunte ihm hinter vorgehaltener Hand zu: „Warum ist sie denn so feindselig? Sie kennt mich doch überhaupt nicht."

Bourdain wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, doch Ivy kam ihm zuvor. „Sie brauchen nicht zu flüstern, Mr. Grandy. Ich kann Sie gut hören. Gestern waren Sie von Ihren verdammten Schuhsohlen bis zu den Haarspitzen voller Kotze. Wir mussten Sie baden. Sie haben geklammert wie ein Babyäffchen, das man seiner Mutter entrissen hat. Und lauter unverständliches Zeug geschwafelt, dass ich nicht wiederholen möchte."

„Ist das wahr?", fragte Sean in Holdens Richtung, der nur die Augenbrauen hochzog und bestätigen nickte. „Du hast einen ganz schön festen Griff."

„Und heute musste Mr. Bourdain seinen wertvollen Morgen darauf verschwenden Ihre Sauerei wegzumachen. Ich an seiner Stelle hätte es nicht getan", drohend richtete Ivy den Kochlöffel auf Seans Gesicht.

„Keine Sorge, Ivy. Ich habe mir eine nette Bestrafung für ihn ausgedacht", Bourdain warf ihr einen vielsagenden Blick zu. Sie grinste und Sean hatte das Gefühl, die zwei hätten sich gegen ihn verbündet. Sein Magen kribbelte, als er Bourdain aus dem Augenwinkel musterte, während dieser mit Ivy sprach.

Holden hatte den Schlaf noch nicht komplett abgeschüttelt. Seine Frisur saß nicht ganz so perfekt. Dunkle Locken glänzten in der frühen Morgensonne, während einige dicke Strähnen seine Wangen belagerten. Das Hemd, das er trug, war blütenweiß. Der Kragen und die Manschetten gestärkt. Er trug die Manschettenknöpfe, die auch Sean bei dem Essen getragen hatte. Das Gefühl dessen Besitz zu sein verstärkte sich.

„Na hoffentlich behältst du das in deinem Magen, ansonsten lass auch ich mir was für dich einfallen. Und das wird dir nicht gefallen." Ein diabolisches Lächeln zierte Ivys vollen Lippen. Sie erinnerte Sean an einen Charakter aus einem 50's Feel-Good-Movie, dessen Titel ihm gerade nicht einfallen wollte. Man mochte sie, obwohl sie kein Blatt vor den Mund nahm und offensichtlich sagte, was sie dachte. Mit unverfälschter Hingabe widmete sie sich dem Essen, das sie zu kochen begonnen hatte und dessen köstlicher Duft den Wohnraum einnahm.

Inzwischen hatte Jesse ihre Fressorgie beendet und erinnerte sich, dass sie ein paar wichtige Fragen an Bourdain hatte, die durch ihr Gespräch mit Sean aufgekommen waren. Puderzucker klebte an ihrer Wange, als sie ihre Aufmerksamkeit vom leeren Karton auf die beiden Männer richtete.

„Sag mal, Holden, seit wann knetest du denn Heten?"

Sean verschluckte sich an seinem Orangensaft. Unkontrolliert hustete er, sodass ihm Tränen in die Augen schossen und Bourdain ihm ein paar kräftige Klopfer auf den Rücken verpasste.

„Und seit wann ist Sex am Arbeitsplatz kein No-Go mehr?", fragte Jesse ungeniert weiter, bevor sie eine Antwort bekommen hatte.

„Wir hatten keinen Sex am Arbeitsplatz", gab Bourdain unberührt zurück, dann grinste er und legte Sean die Hand auf den Oberschenkel, sodass dieser zusammenzuckte. „Noch nicht."

„Habt ihr es denn letzte Nacht getan?", fragte Jesse und platzte fast vor Neugier. Sie spitzte die Ohren und schürzte amüsiert die Lippen, als sie dem Brünetten einen neugierigen Blick zuwarf.

„Ein paar Geheimnisse sollte man auch für sich behalten können", erwiderte Bourdain.

„Du verdammter Fuchs." Jesse boxte ihn spielerisch mit der Faust in den Oberarm. „Gib mir wenigstens irgendetwas, damit ich mich ein wenig besser fühle."

Das tat er. Und er zog eine unglaubliche Show ab. Auf Seans Kosten natürlich.

Chicago AffairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt