Kapitel 06

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„Fahren Sie nach Hause. Machen Sie sich frisch."

Vollgepackt mit riesigen Tüten stand Sean, zusammen mit Bourdain, der lediglich die Autoschlüssel mit sich trug, auf dem Parkplatz. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, Sean zwei neue Anzüge, mitsamt Krawatte, Schuhe und Anstecktuch, sowie eine edle Abendgarderobe, die einer Oscarverleihung würdig wäre, zu kaufen. Tragen musste Sean sie aber dann doch selbst. Bourdain verlangsamte ihm zuliebe nicht einmal seinen energischen Schritt. Entsprechend atemlos stand der Blonde neben ihm und versuchte - zum zweiten Mal an diesem Tag - Sauerstoff in seine malträtierten Lungen zu lassen.

„Willst du mir nicht endlich einmal sagen, was das heute für eine Verabredung ist? Vielleicht muss ich mich mental darauf vorbereiten."

Bourdain warf Sean einen strengen Blick zu, sodass dieser schwer schluckte. Wie selbstverständlich war er bei der lässigen Anrede geblieben.

„Wie gesagt, und ich hasse es mich zu wiederholen, du brauchst dich nicht mit den Einzelheiten zu quälen", sagte er. Und öffnete mit einem leisen Klicken den Audi.

Sean seufzte. „Ich fühle mich nicht wohl bei dem Gedanken, dass du meinetwegen so viel Geld ausgegeben hast. Früher oder später werde ich dafür bezahlen müssen."

„Wahrscheinlich. Aber auch darüber brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen. Sieh den heutigen Abend als deine Feuertaufe."

„Das ist ja zum Fürchten."

„Übertreib nicht so maßlos."

„Du bist unheimlich. In der Kabine hast du mit mir geflirtet, jetzt lässt du den eiskalten Geschäftsmann raushängen."

„Und?"

„Ich weiß gar nicht, woran ich bin", Bourdain zuckte mit den Achseln, als ob er Sean keine Erklärung schuldig wäre. Sean seufzte. „Und, was sage ich jetzt meiner Frau?"

„Wie wäre es mit der Wahrheit?"

„Du spinnst wohl. Ich soll ihr sagen, ich hätte mit meinem Chef eine Sache laufen - ich will dem einfach keinen Namen geben - damit ich meinen Job wieder kriege?"

„Das ist wirklich nicht mein Problem."

„Das kann ich mir denken. Durch dich werde ich zur Untreue gezwungen."

„Immer langsam, Grandy", Bourdain machte ein paar Schritte in seine Richtung. Er wirkte auf eine absurde Art und Weise bedrohlich, obwohl Sean ihm körperlich definitiv überlegen war. „Du bist freiwillig hier. Wenn dir die Bedingungen nicht passen, kannst du noch immer verschwinden. Das kannst du gut."

Sean runzelte die Stirn. Was sollte das bedeuten?

„Was meinst du damit?"

Bourdain warf ihm einen langen durchdringenden Blick zu, bei dem sich Sean nackt und schutzlos fühlte.

„Sie sehen aus, als ob Sie schnell aufgeben, Mr. Grandy."

„Das tue ich nicht. Schließlich bin ich noch immer hier."

„Wir werden sehen, für wie lange." Mit den Augen tastete Bourdain sich über Seans verwirrtes Gesicht. „Ich denke, Sie kommen zurecht. Ich habe noch einen wichtigen Termin. Wir sehen uns heute Abend. Kommen Sie nicht zu spät."

Mit diesen Worten brauste Bourdain davon, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

Fast eine ganze Stunde brauchte Sean, um aus der Innenstadt zu seinem Fahrzeug zu gelangen und dann klapperte die alte Blechdose müde nach Hause. Sein Gefährt kam ihm nach der Fahrt mit dem Audi, wie ein stinkendes, altersschwache Kamel vor. Es war kaum zu ertragen. Der Tag war furchtbar lang und die Kette der Demütigungen würde so bald nicht abreißen. Das grausame Piepen und das dauerhafte Blinken auf dem Armaturenbrett signalisierte Sean, dass sein Kamel dringend Futter benötigte. Er hoffte inständig es bis nach Hause zu schaffen, bevor ihm der Treibstoff ausging. Einen Abschleppdienst konnte er sich nicht leisten.

Chicago AffairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt