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Verwirrung. Pure Verwirrung. Das war alles, was der jungen Frau in diesem Moment durch den Kopf schoss. Und das aus zwei Gründen.

Erstens, von wem würde man erwarten, dass er in einem solchen Haus wohnt? Von reichen Geschäftsleuten mit ihren verzogenen Familien. Oder einfach nur reiche Rentner, die ihre Aktien richtig angelegt hatten. Filmstars oder Musiker, die sich in der Branche einen Namen gemacht hatten. Eben all diese klischeehaften, reichen, verdammten Glückspilze. 

Nicht aber, einen jungen Mann, der kaum älter aussah, als sie selbst.

Und zweitens, war das absolut nicht die Reaktion, die sie erwartet hatte. Sie wusste, dass sie schlimm aussehen musste. Wie eine Vogelscheuche stand sie auf der Schwelle einer Villa eines Wildfremden und alles was er fragte war, wer sie sei? Wo bleibt ein 'Was ist passiert? Kann ich dir helfen? Willst du herein? Möchtest du all mein Geld?' Manieren waren wohl nicht mehr das, was sie einst waren.

Zögernd ließ sie die Arme von ihrem zitternden Oberkörper fallen und knetete sie nun nervös ineinander. Sie blickte dem Fremden auf die glänzenden Lackschuhe und begann eine Antwort zu stottern.

"Ich äh- ich hatte einen Unfall, draußen im Wald und- und mein Handy ist kaputt, ich konnte keine Hilfe rufen und wusste nicht wohin und dann wurde es dunkel und dann-"

Schon als sie anfing zu reden, schlug sie sich gedanklich mit der Hand gegen die Stirn. Souverän geht anders, dachte sie sich. Aber auf ein Verhör war sie nun beim besten Willen auch nicht eingestellt gewesen. 

Sie blickte den Mann von unten an und musste zu ihrer großen Empörung feststellen, dass dieser sie nur gelangweilt anblickte. Sie riss sich den Arsch auf, um ihm ihr nächtliches Erscheinen zu erklären, ohne dabei ohnmächtig zu werden und der Penner schlief fast im Stehen ein. 

"-dann habe ich Ihr Haus gesehen und hatte gehofft, Sie könnten mir helfen?". Ihre Stimme wurde immer leiser, bis das letzte Wort ihren Mund nur noch als piepsendes Flüstern verließ. 

Seine großen, grünen Augen durchbohrten die ihren mit einem intensiven Blick, den sie jedoch nicht deuten konnte. 

Sie wollte gerade noch einmal den Mund aufmachen, um sich für die Störung zu entschuldigen und dann zu gehen, denn sie ahnte bereits, dass sie hier nicht weiter kommen würde. Doch sie entschied sich dagegen, mit dem Gedanken, er hätte keine Entschuldigung verdient. Solidarität war wohl ein Fremdwort für ihn. 

Gerade als sie sich zum zweiten Mal in zwei Minuten umdrehen und gehen wollte, sprach er erneut:

"Hast du auch einen Namen?"

Egal, wie er es schaffte so emotionslos zu klingen, sie musste das für später auch lernen. Das würde einige Situationen sehr viel einfacher machen. Begegnung mit dem Ex, unangenehme Gespräche mit den Arbeitgebern, peinliche Flirtversuche, du sagst es.

In dieser Situation jedoch brachte es sie nur noch mehr zur Weißglut. Sie steht hier vor ihm, am ganzen Leib zitternd, möglicherweise verblutend und er fragte tatsächlich nach ihrem Namen. 

Sie überlegte sich kurz, ob sie es einfach sein lassen und wirklich gehen sollte, aber sie beschlich das Gefühl, dass man eine derartige Villa bestimmt nicht in unmittelbarerer Nähe der nächsten Stadt baute. Und das letzte was sie wollte, war weitere Stunden in der Nacht herumzuirren, also seufzte sie laut und spielte sein Spiel ausnahmsweise mit.

"Alex. Alex Shaw."

"Alex wie Alexandra?", fragte er weiter und hob die linke Augenbraue, sonst blieb sein Gesicht emotionslos wie zuvor.

Das konnte nicht sein Ernst sein. Das konnte er doch beim besten Willen nicht ernst meinen. Er sah doch, dass sie eindeutig größere Probleme hatte und er interessierte sich dafür, wie sie mit ganzen Namen hieß. Natürlich ist es Alexandra, du hirnamputierter Schwachkopf, für Bert steht es jedenfalls nicht, dachte Alex sich wütend.

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