no. 23

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Vielleicht war Markus nicht der beste Vater, Ehemann oder Mensch in dieser Welt, doch Ardian war ihm nicht egal. Markus' Angst und Frustration saß in seinen Knochen fest. So fest, dass es ihn Dinge sagen und tun ließ, die er nicht über seine Lippen kommen lassen wollte.

In seinem Herzen wusste er genau, dass Ardian sein Sohn war und es immer bleiben würde. Dass er ihn liebte, egal wie er aussah und ob er überhaupt etwas sah.
Er liebte Ardian, keine Frage.

Er wusste bloß nicht, wie er mit der Blindheit seines Sohnes umgehen sollte. Er wusste nicht, wie ihm geschah und was er überhaupt über seine Lippen brachte.

An diesem Tag ging dieselbe Haustür, welche sich für Ardian und Josi schon einmal geöffnet hatte, erneut auf, während sie auf den Stufen saßen, die sich vor ihr befanden. Sie quietschte, was Ardian signalisierte, dass etwas geschah.

In seinem Herzen stach und zerrte alles. Der Gedanke, sein Vater würde ihn verachten oder nicht wollen, schlecht von ihm denken, riss an ihm herum. Er fühlte sich wieder wie ein Fehler in seiner Familiengeschichte. Wie jemand, der es nicht wert war, überhaupt von irgendwem geliebt zu werden. Akzeptiert zu werden für der Mensch, der er eben war.

Nur, da er blind war, hieß das noch lange nicht, dass er keine Gefühle besaß.

"Ardian?"

Josi drehte sich als erstes zu der männlichen Stimme um, die hinter den beiden erklang. Sie schaute Markus in sein bärtiges Gesicht, doch verzog ihre Miene um keinen Zentimeter. Sie sah ihn an, als wolle sie ihn am liebsten in einen brodelnden Vulkan werfen wollen.

"Geh weg", murmelte Ardian. Er empfand Wut, doch wollte sie nicht hinaus lassen. Er wollte nicht, dass Josi sich ebenso sehr aufregte, wie er es im Inneren tat.

"Entschuldige bitte, aber du sitzt vor meinem Haus."

Ardian stand mit wackligen Beinen auf. Sie fühlten sich wie Pudding an. Er klammerte sich an Josi's Arm. Und Josi klammerte sich an Ardian's Arm.

"Komm, wir gehen.", sagte sie leise zu ihm.

"Nein, wartet, so habe ich das nicht gemeint!", platzte aus dem älteren Mann hinaus. Ungewollt erinnerte er Ardian an Klaus. Ungewollt erinnerte er ihn an Nancy. Und ungewollt wuchs in Ardian der Drang, sehen und Markus eine scheuern zu wollen. "I-Ich...wollt ihr vielleicht wieder reinkommen und wir können uns unterhalten?"

Ardian schnaufte. Er riss sich von Josi los, drehte sich entschlossen um und schaute Markus mit seinen blinden Augen an, unter deren Blick sich Markus unwohl fühlte. Er kannte die Augen seines Sohnes, doch er sah sie nun voller Emotionen, die er zuvor noch nie in ihnen gesehen hatte.

"Wieso willst du reden? Worüber willst du reden? Darüber, dass du mich...dass du UNS damals verlassen hast und derweil schon ein anderes Kind in der Welt war, dessen Vater du ebenfalls bist?! Willst du darüber reden?!"

Ardian hörte leise Josi seinen Namen sagen, doch er reagierte nicht auf den Klang ihrer sanften Stimme, die ihn doch nur beruhigen wollte. Ihm war es egal. Er wollte bloß schreien und fluchen und all seinen Hass raus lassen, den er für so viele Jahre in sich eingeschlossen hatte. Er wollte nur schreien und seinen eigenen Vater verfluchen.

"Willst du darüber reden, dass du dachtest, du könntest mir meine Halbgeschwister verschweigen?! Darüber, dass du meine Mutter-, dass du Nancy allein gelassen hast?!"

"Beruhig dich", hörte er Josi flüstern, doch das brachte ihn noch mehr auf.

"Ich will mich nicht ständig beruhigen!"

blind.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt