4. Hello Again

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Es waren schon wieder 2 Wochen vergangen, seid Mrs. Brighton einen weniger eleganten Abgang auf der Treppe hingelegt hatte. Auch wenn Sie nicht mehr die Jüngste war, sah es tatsächlich gar nicht so unsportlich aus, wie man hätte annehmen können. Jedoch wollte ich mir nicht vorstellen, welche Knochen sie sich gebrochen, welche Gelenke sie sich verrenkt und welche Prellungen sie sich durch diese Rutschpartie zugezogen hatte. Etwas gutes hatte dieser Unfall aber doch. Zwar nicht unbedingt für unsere ehemalige Lehrerin, aber für uns. Denn wir hatten somit schon 2 Wochen hintereinande Geschichte und Deutsch ausfall. Ich hatte keine Ahnung wie lange dies noch anhalten würde. Doch wie fast jeder Schüler hoffte ich, dass sich das Ganze nicht all zu schnell wieder ändern würde.

Und so kam es, das ich Hand in Hand, gemeinsam mit Ben einmal mehr zum Vertretungsplan schlenderte. Der Plan war am Schwarzen Brett, in der Mitte des Schulgebäudes, eine Art Foyer, angebracht. Wie eigentlich jedes Mal, wenn ein neuer Plan ausgehangen wurde, befand sich auch jetzt eine Traube an 5. Klässlern dort herum, dazwischen nur wenige Köpfe, die Leuten aus dem höheren Klassenstufen gehörten. „Und? Steht was dran?" flüsterte er kaum hörbar in mein Ohr. „Nein. Nichts. gar Nichts. Nur Mr. Brooke der in ein paar unteren Klassen ausfällt, aber für uns Mal wieder nichts." Ich atmete tief aus. Und wie ich die eben gesagten Worte noch einmal verarbeitete, dämmerte mir so langsam was genau das zu bedeuten hatte. „Shit." Kam es zur selben Zeit von Ben, der genau wie ich, auch jetzt erst erkannte, was nun auf uns zu kam. Sie hatten einen neuen Lehrer oder eine neue Lehrerin gefunden. Der Unterricht würde wieder seinen Lauf nehmen. Die Hausaufgaben würden sich wieder häufen und der Stress würde weitergehen.

„Huhhh... Ernsthaft? Konnten die sich nicht noch n' bisschen mehr Zeit lassen?" Ich schaute ihm mit ernstem Blick in die Augen, worauf er sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte. „Scheinbar nicht... Hey, Kopf hoch kleines. Ein bisschen Bildung kann auch dir nicht Schaden." scherzte er und zog mich in eine Umarmung. Seine Nähe tat gut und für einen Moment vergaß ich wo wir uns befanden. „Alter, sucht euch ein Zimmer." scherzte Chris, als auch er am Vertretungsplan angekommen war. „Typisch... Jede Freiheit hat irgendwann mal ein Ende." Er unterstütze seine Aussage mit einem leichten Kopfschütteln, als er sich dann auch zu uns gesellte. „Aber wer weiß, vielleicht haben wir ja Glück und bekommen eine junge heiße Lehrerin?" „Wäre auf jeden Fall mal ne nette Abwechslung." gab Ben darauf zur Antwort. Zeitgleich gaben sich beide ein schellendes High 5, doch Ich konnte darauf nicht mehr als ein ironisches Kopfschütteln erwidern. „Selbst wenn... Erfahren werden wir es sowieso erst Morgen." „Stimmt auch wieder, Babe." Mit dem letzten Satz drückte Ben mir noch einen kurzen Kuss zum Abschied auf die Wange, nahm seinen Rucksack und verschwand durch die Tür nach draußen. Wir hatten Schluss und er hatte mir zuvor gesagt, dass er noch einen Termin hatte.

„Und? Was wollen wir beiden Hübschen heute noch machen?" Unterbrach Chris meinen weiteren Gedankengang. „Also... Ich werde nach Hause gehen, Musik hören und das Leben an mir vorbei ziehen lassen." „Woah. Was für ein Plan. Da könnte man ja glatt neidisch werden." Auch wir machten uns jetzt auf den Weg nach draußen. Die große Tür ging auf und ein kühler Windzug kam uns entgegen. Ich genoss die Kühle auf meiner Haut. Sie hatte etwas befreiendes. Es war, als würde sie einem vermitteln, dass einfach alles möglich war. Es war einfach der beste Beweis, in Freiheit zu sein. Nicht irgendwo eingesperrt, drinnen, im stickigen Gebäude zu sein. Nein. Freiheit assoziiert ich schon immer mit dem Wissen, einfach überall hingehen zu können. Draußen zu sein vermittelte mir genau dieses Wissen, was auch der Grund dafür war, warum ich am liebsten mich an der frischen Luft aufhielt und nur ungern bereits vor 20 Uhr nach Hause kam.

Für einen kurzen Moment schloss ich meine Augen, um noch einmal die Frische, die der Wind mit sich brachte, zu genießen. Mit großen Augen begutachtete ich den Anblick, der sich mir jeden Nachmittag bot, wenn ich durch die Haupttür schritt und das große, dunkle Gebäude hinter mir ließ, in dem ich zuvor noch Stunden mit dem Versuch verbracht hatte, mir weiteres Wissen in mein Hirn zu prügeln. Es war ein Bild, wie man es einfacher Aber auch schöner nicht hätte malen können. Geradeaus, unmittelbar vor mir, erstreckte sich ein kleiner Pausenhof, wenn man das so nennen konnte. Es glich eher einem kleinen Vorgarten, der sich aus einem gepflasterten Weg, welcher zur Straße führte, und zwei kleineren Stücken Wiese, jeweils an der Seite des Weges, zusammen setzte. Die Schule selbst befand sich in der Altstadt. Somit war sie ringsum umkreist von wunderschönen, rustikalen Fachwerkgebäuden, die einen altmodischen Charme versprühten. Vor den Gebäuden fand sich eben falls immer ein hellgrau gepflasterter Fußgängerweg wieder. Aller 2 Meter standen im Wechsel eine romantisch verzierte schwarze Laterne und ein Kirschblütenbaum, von denen uns immer wieder kleine Spatzen aus beobachteten. 'Stalker'. Wie ich sie auch gerne nannte, da sie einem auf Schritt und Tritt verfolgten und einfach alles beobachten. Unsere Schule befand sich direkt an einer Kreuzung. Somit erstreckte sich also rechts, sowie Links und auch direkt geradeaus vor uns eine traumhafte Allee.

Es mag ein wenig Schräg klingen, aber ich liebte diesen Anblick einfach. „Also ich werde jetzt in den Park gehen und mich mit den Anderen treffen. Wir gehen runter an den See. Sicher das du nicht mitkommen willst?" Holte er mich wieder aus meinen Gedanken zurück. „Hm? Äh... Naja, ich würde echt gern mitkommen... Aber..." „Aber was? Schätzchen... Was ist los?" Ich spürte wie er mich eindringlich musterte. „Ach... Es ist nur meine Mom. Sie hat sich aufgeregt das ich immer erst so spät zu Hause bin. Ich musste ihr versprechen, dass ich heute direkt nach der Schule nach Hause komme. Keine Ahnung was die wieder für 'n Problem hat. Wir sehen uns dann einfach morgen." Ich gab ihm zum Abschied noch eine Umarmung und wollte mich auf den Weg machen, als er noch etwas ergänzte: „Geht klar. Sehen uns morgen in Geschichte. Mal schauen wer der oder die Neue geheimnisvolle ist. Huh? Ciao!" Ich winkte ihm noch kurz zum Abschied und machte mich dann auf zu meinem Moped, welches ich nur wenige Meter weiter geparkt hatte. Alle waren schon aufgeregt, wegen dem neuen Lehrer oder der Lehrerin. Wie üblich hofften die meisten Mädchen auf einen neuen, jungen, heißen Lehrer, mit am besten 'nem Sixpack. Die Jungs hingegen hofften auf eine sexy Lehrerin. Tja. Im Grunde genommen war es mir egal. Doch Meine Neugierde konnte auch ich nicht verstecken, weshalb ich mir ein leichtes Lächeln wegen dem anstehenden Tag nicht verkneifen konnte.
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Da war er. Der Tag an dem das große Mysterium um die fremde Person endlich gelüftet werden konnte. Alle unterhielten sich aufgeregt und spekulierten wie Wild. Ich hingegen saß an meinem Platz, in der ersten Reihe, direkt vor dem Lehrertisch (wieso ich mich ausgerechnet dort hingesetzt hatte, wusste ich bis heute nicht) und hoffte einfach das es niemand wagte mich anzusprechen. Ich war noch nie ein 'Guten Morgen Mensch' gewesen, aber der heutige Morgen war besonders schlimm. Ich hatte schlecht, bis fast gar nicht geschlafen, einmal mehr wollten meine Haare heute einfach nicht liegen und ich hatte Keine Zeit etwas zu frühstücken, weshalb mein Magen unaufhörlich knurrte. Geil. In Selbstmitleid versunken, nahm ich nur unterbewusst mit, wie die Tür auf ging und schließlich wieder zu viel. Die Klasse verstummte. Ich hörte wie sich einer nach dem anderen umdrehte und mit einem Schlag ein aufgeregtes Gemurmel begann. Ich hingegen, hatte schlicht weg einfach keine Lust mich umzudrehen. In weniger als  einer Minute, würde sie sich sowieso unmittelbar vor mir befinden und sich umdrehen. Ja. Es war eine SIE. Das hatte auch ich mitbekommen. Nun, zumindestens nahm ich dies, auf Grund des Klappern ihres Absatzes an. Es kam schließlich eher selten vor, dass ein Mann jemals den Mut aufbrachte und in High Heels vor seine neue Klasse trat.

Das Gemurmel meiner Klassenkameraden nahm kein Ende. Alle tuschelten und folgten mit ihren Blicken den Schritten der Lehrerin. Am anderen Ende des Raumes kam jemand auf die gescheite Idee, ihr hinterher Pfeifen zu müssen, woraus ich schloss, dass sie gut aussehen müsste. Sie ließ sich davon hingegen nicht beirren und lief weiter im flotten Schritt auf das Lehrerpult zu.

Bei dem plumpen Geräusch, welches durch das aufknallen der Ledertasche, der Lehrerin, auf den Holztisch verursacht wurde, schrak ich auf und setzte mich aufrecht hin. Langsam hobb ich meinen Blick von meinem Platz und schaute meinen Gegenüber an. Was, bzw. Wen ich sah, verschlug mir für einen Augenblick die Sprache. Vor mir stand die Frau, die ich zuvor im Flur umgerannt hatte. Die Frau, die ich erst vor wenigen Wochen versucht hatte aus meinen Gedanken zu streichen. Sie kramte in ihrer Tasche und schien mich nicht bemerkt zu haben, weshalb ich meinen Blick schnell wieder senkte.

Nach einem kurzen Augenblick, schaute ich erneut langsam wieder zu ihr auf. Sie trug schwarze, hochhackige Schuhe und eine etwas dunklere Feinstrumpfhose. Darüber trug sie einen schwarzen  Rock, in den sie eine weiße Bluse gesteckt hatte. Ein dunkelblauer Blazer, mit zarten, kleinen, weißen Punkten rundete das Outfit perfekt ab. Die Ärmel hatte sie ein wenig hoch geschoben. Um ihr Handgelenk trug sie eine schmale Uhr. Ihre dunklen, welligen Haare hatte sie in einen Zopf zusammengebunden. Vereinzelt umrahmten Strähnen ihr blasses Gesicht. Wie auch beim letzten Mal hatte sie eine braune, eher holz-farbene, etwas größere Brille. Ihre vollen Lippen zierte ein zartes Rosa. Allgemein war ihr Make Up eher schlicht gehalten. Ein wenig Wimperntusche brachten ihre hellen, kristallblauen Augen zur Geltung. Sie war wunderschön. Halt Stopp, durfte man so etwas überhaupt über seine Lehrerin denken? Ich meine... Boah, Jessi, komm mal wieder klar?!

Ich spürte, wie auch  sie mich jetzt anschaute und mir ein leichtes Lächeln schenkte. Sie nahm ein Stück Kreide in die Hand und schrieb mit großen Buchstaben ihren Namen an die Tafel. „Ich bin Ms. Morgan und ich werde euch ab heute in Geschichte und Deutsch unterrichten." Sagte sie mit fester und bestimmter Stimme, die trotzdem weich und zerbrechlich klang.
Ms. Morgan... hallte es mir an diesem Tag immerwieder in meinen Gedanken nach.

But Honey, It's just LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt