14. Erbärmlich

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Erbärmlich. Das ist alles was ich sah, als ich es nach geraumer Zeit doch wagte in den Spiegel zu schauen. Meine Haare waren zerzaust und hatten mehrere Knoten. Welche von der eckligen Art. Weißt du was ich meine? Es sind diese Knoten, bei denen man einen Anfall bekommen könnte. Sie tun weh und scheinen unentwirrbar zu sein. Es kam nicht selten vor, dass ich vor lauter Verzweiflung auch mal zur Schere griff. Vermutlich war das einer der Gründe, warum ich jetzt eine Kurzhaarfrisur besaß. Und dennoch bildeten sich diese kleinen Ungeheuer immer und immer wieder. Tief dunkle Augenringe, die ganzen Affenschaukeln glichen, eine Schramme und ein bisschen abgeschürfte Haut an meiner Wange, sowie meiner Augenbrauen und der elende Dreck der mein Gesicht besudelte, rundeten meinen Zombie-Look perfekt ab. Ich war nicht mehr als ein kleines Häufchen Elend.

Nachdem ich mich mit meiner Mutter gestritten und mit der Parkbank gekuschelt hatte, waren die Ereignisse keines Falls vorbei. Nein, dann legte mein bester Freund, das Schicksal, erst so richtig los. Es war gefühlt mitten in der Nacht, als meine Geliebte Bank anfing sich zu buckeln und mich unsanft von seinem Rücken schubste. Mit einem Krach landete ich auf dem mit Kieselsteinen gespickten Boden der Tatsachen. Die Müdigkeit steckte mir in den Knochen und mein Kopf brummte, als würde ein Elefant darin Zumba tanzen. Unangenehm. Sehr Unangenehm. Aber das war erst der Beginn eines wundervollen Scheißtages. Mühsam kramte ich meine mitgenommenen Sachen zusammen und klopfte den losen Dreck von meiner schwarzen Jeans. Ein schwermütiger Blick auf mein Handy verriet mir die Uhrzeit. Es war Zehn vor um Zehn am Samstag und mein Handy hatte nur noch zwanzig Prozent Akku. Wie ich es liebte. Die Helligkeit des Displays ätzte mir die Augen weg und mein Magen knurrte, als hätte ich jahrzehntelang nichts gegessen. Mit einem Mal war der Hunger jedoch verflogen und verwandelte sich in eine drückende Übelkeit. Kennst du diese Tage, an denen sich Dienstag wie Samstag und Sonntag wie Montag anfühlt? Diese Tage, an denen man komplett vergisst, dass eigentlich doch erst Freitag ist? Mit einem Schlag verlor Ich sämtliche Farbe in meinem Gesicht.
Genau so ein Tag war heute. Ungläubig starrte ich auf das Display, nicht willig meinen Augen jeglichen Glauben zu schenken. Doch es nützte nicht das geringste. Herzlichen Glückwunsch Jess. Heute war Freitag und nicht Samstag. So eine Rotze.

Ich buckelte also meine Tasche auf, in der sich natürlich nicht das geringste Schulzeug befand und taumelte so schnell es mir möglich war Richtung Hölle. Natürlich hatte ich mit dem Gedanken gespielt es jetzt auch einfach sein zu lassen. Es hätte sich komplett gelohnt. Wirklich. Freitag war nämlich der einzige Tag in der Woche, an denen die Schule nur meine Klasse mit acht erbärmlichen Schulstunden quälte. Doch es ging noch schlimmer. Diese berühmte achte Stunde hatte ich Freitags immer Deutsch bei Ms. Morgan. Was mir vor einem Tag noch wie ein Traum erschien, war nun nun mehr die graue Realität. Ich weiß, ich weiß... wir hatten uns geküsst und ja, sie hatte durchaus den Kuss erwidert. Jedoch schnürte allein der Gedanke daran mir die komplette Luft ab. Ich hatte ihr meine gesamten Gefühle offenbart und ich wusste genau, es war ein Fehler. Von vorne bis hinten falsch. Jeder hätte meine Ansicht bestätigt, auch wenn die Bestätigung nicht von Nöten war.
Doch das wirklich schlimme an der Situation war, dass ich mich nicht einmal richtig an den Kuss erinnern kann. Die Szene an sich sehe ich zwar noch bildlich vor meinen Augen, allerdings scheint meine bestandene Nervosität und das Adrenalin, sowie die Spannung die im Raum stand, meine Gefühle verschluckt zu haben. Ich konnte mich einfach nicht mehr daran erinnern, was ich gefühlt hatte. Schräg oder? Huh... Ich weiß. Wie also sollte ich ihr noch in die wunderschönen Augen sehen können, wenn ich mich nicht einmal daran erinnern kann, was für ein Feuerwerk der erste Kuss vermutlich in mir ausgelöst hat. Es war... erbärmlich.

Trotz der gegebenen Umstände entschied ich mich aber dagegen, auch den restlichen Tag blau zu machen. Erneutes Schwänzen hätte nur mehr Ärger mit meinen Eltern bedeutet, welchen ich mir im Augenblick weder leisten konnte noch wollte. Schließlich war es nicht mein Plan auf ewig auf der Parkbank zu schlafen. So bequem war es dann halt doch nicht.

But Honey, It's just LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt