am anderen Ende des Stadtparks

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Er beobachtet eine ältere Dame am anderen Ende des Stadtparks und fragt sich, was sie wohl fühlt als sie den spielenden Kinder gedankenverloren zusieht. Mitte siebzig wird sie sein, mit ihren kurzen grauen Locken und den ordentlich sauberen braunen Lederschuhen.

An ihrer Seite, ein dicker Gehstock, abgetreten und alt, dennoch stehts gesäubert. Das einzige was tatsächlich an ihr glänzte war ein goldener Anhänger, getragen von einer ebenso goldenen Kette.

Er funkelt in der Sonne wie ein heller Stern. Er fragt sich was sie denkt, als sie sich die Träne wegwischt, die entstand, als ein junges Liebespaar Hand in Hand an ihr vorbei lief.

Ihr Gesicht nimmt nach und nach an Traurigkeit zu, die Falten unter ihren Augen und auf der Stirn werden mit jeder Sekunde tiefer, wie ein älterer Baum.

Diese Frau, dachte er, besteht aus tausenden Geschichten.

Diese Frau, gedankenverloren in ihrer eigenen kleinen Vergangenheit.

Sie sieht den Kindern beim Spielen zu, diese Unbeschwertheit und das ehrliche Gelächter der Kleinen fasziniert sie jedes Mal. Ein weitere Grund warum sie täglich auf dieser Bank Platz nahm.

Ein junges Paar läuft an ihr vorbei, sie lachen und küssen sich, es scheint, als leben sie füreinander. Es erinnerte sie so sehr an ihre erste Liebe.

Ihre ersten Küsse, Gefühlte und Versprechen, die am Ende des letzten Jahres auch ihre letzten blieben.

Die Dame vermisst ihre Liebe und betet jeden Tag zu Gott, bald bei ihr sein zu dürfen. Ein Wunder war es jedoch, dass sie sich an all dies erinnern durfte. Tag für Tag spielte das Vergessen eine größere Rolle.

In ihrem goldenen Anhänger, lieblich um ihren Hals hängend, nahe an ihrem Herzen, die Asche eines besonderen Menschen. Das Ebenbild von ihr und ihrer Liebe, viel zu früh gegangen, durch einen am Steuer sitzenden Betrunkenen.

Wann holst du mich, denkt sie und schließt die Augen. So viel erlebt und doch ist nichts geblieben. Sie viel durchgemacht und doch hat sie nie Erlösung erfahren.

Sie entdeckt einen jungen Mann am anderen Ende des Stadtparks. Seine Aufmerksamkeit galt ihr. Mit Ohrenstöpsel und Kapuze, die Hände tief in seiner Jackentasche vergraben.

Sie lächelt ihm zu. Er zögert, erwidert jedoch.

Dieser junge Mann, dachte sie, besteht aus tausend unerfüllten Wünschen.

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