ALIÉNORDa stand er.
Seine Haare waren zerzauster, seine Kleidung wie abgetragen und vom Schnee an einigen Stellen aufgeweicht. Nur seine Militärkleidung hätte darauf hinweisen können, dass er zu einer oberen Gesellschaftsschicht gehörte. Doch darauf achtete ich kaum.
Wie benebelt sah ich in seine Augen, in denen sich kleine Tränen bildeten und zu seinem Mund, der sich zu einem traurigen Lächeln verzog.„Aliénor", wisperte er und zog mich mit einem Mal in eine Umarmung, dass ich drohte, umzukippen. Mein Herz pochte mir bis zum Hals und ich hatte Mühe mich auf den Beinen zu halten. Scharf zog ich die Luft ein: „A-Aber..."
„Shhh", hauchte er beruhigend und platzierte einen behutsamen Kuss auf meiner Stirn. In meinen Ohren rauschte es, und immer und immer wieder hörte ich seine Stimme meinen Namen sagen. „Alles wird gut."
Das konnte nicht der Realität entsprechen... er war zurück, hier vor mir, in Versailles. Mein Gehirn schien - es musste mir einfach einen Streich spielen... ich hatte den Brief doch selbst gelesen... an jedes einzelne Wort konnte ich mich erinnern, als hätte ich ihn selber verfasst.
„R-Rafael", keuchte ich unmittelbar und strich sanft mit den Fingerkuppen über sein Wange, die eine tiefe Narbe aufwies. „Aber... du bist doch... du warst... wie..-"
„Ich stehe vor dir, das ist kein Traum", wisperte er nun, dass ich meine Augen noch weiter aufriss. „G-Gott... nur...", entgegnete ich irritiert und merkte, wie erneut Tränen meine Wangen benetzten, während wir von den zarten Schneeflocken eingehüllt wurden.
Er unterbrach mich, indem er nach all der Zeit endlich seine Lippen auf die meinen legte. Ich schnappte nach Luft, ehe ich seinen innigen, jedoch auch leidenschaftlichen Kuss erwiderte. Seine Bartstoppeln kitzelten mich.Er war hier. Rafael lebte.
Mein Herz schmerzte vor Glück und Sehnsucht.~*~
LOUIS - ANTOINE
„Ich kann es nicht glauben", sprach Marie Brienne mich bestimmt schon zum zehnten Mal an diesem Tag auf die unglaubliche Nachricht an diesem Tag an, ehe sie sich graziös auf dem Sessel meines Büro niederließ.
„Meine Schwester kann es wahrscheinlich kaum fassen... all die Zeit, in der sie ihre Trauer einstecken musste... in der sie getrennt waren..."Ich nickte, doch mir kam kein Wort über die Lippen. Es war mir unklar, was ich jetzt genau empfinden sollte. Normalerweise sollte mich die Tatsache, dass Rafael Álvarez, der ehemalige Kommandant meiner Leibgarde und Vertrauter in dem Spanisch-Französischen-Konflikt, lebte, erfreuen - gar erleichtert aufatmen lassen.
Sein Tod wäre alles andere als gerechtfertigt gewesen. Wie sehr ich ihn aufgrund seiner Bindung zu Aliénor, die ich nicht nachvollziehen konnte, in einer gewissen Art und Weise auch verabscheute, hätte er den Tod nicht verdient.
„Das soll natürlich nicht heißen, dass ich ihre Beziehung für gut befinde, Majestät", fügte sie beschwichtigend hinzu und legte einen Arm auf meine Schulter, den ich in diesem Moment am liebsten abgeschüttelt hätte.
Stattdessen entschied ich mich, mich zu erheben und im Raum herumzugehen, als bräuchte ich Zeit, nachzudenken.Am einem Fenster angekommen, beobachtete ich, wie einige Angestellte und auch Adelige anderen Personen aufgeregt die Nachricht, dass Álvarez tatsächlich entkommen und nicht - wie alle angenommen hatten - getötet worden war, erzählten. Ganz Versailles war mehr in Aufruhr als damals, als Marie Brienne als meine zukünftige Gemahlin vorgestellt worden war.
Ich konnte mir schon vorstellen, woran das lag: Abgesehen davon, dass viele es für ein Wunder hielten, dass er mit seinen Verletzungen überhaupt überlebt hatte, und ihn aufgrund seines Mutes und seiner Stärke feierten wie einen Helden, genoss der Spanier schon vorher eine große Beliebtheit hier am Hof.
Doch ich konnte mich nicht - egal, wie sehr ich mich bemühte - dazu bringen, ihn ebenso zu sehen.
Klar, seine Erzählung war unglaublich und trotzte nur so vor Heldenhaftigkeit; Aliénor jedoch so glücklich wie schon lange nicht mehr zu sehen, versetzte mir einen Stich mitten ins Herz.Und dieser Stich bewies mir, was für ein idiotischer Mann ich doch war. Immer noch weinte ich meiner baldigen Schwägerin hinterher und verhielt mich wie ein beleidigtes Kind.
Musste er denn auch unbedingt heute, an meinem Geburtstag, eintreffen? Einen Tag, nachdem ich Aliénor versucht hatte aus meinem Leben zu streichen?
Die ganze Situation setzte mir mehr zu, als ich eigentlich wollte.Vor allem, da die Blondine seit seines Auftauchens heute Nachmittag alles, was mit mir und dem gestrigen Abend zu tun hatte, vergessen zu haben schön. Nun turtelte sie mit Álvarez wie ein frischverliebtes Paar in meinem Zuhause herum.
Jedermann empfand dies jedoch keineswegs als negativ. Rafael Álvarez war nun ein Held und keiner fragte mehr nach seiner Herkunft. Die Geschichte, dass er vor allem zu seiner großen Liebe hatte zurückkehren wollen, fand Anklang.
Die einzige, die diese Tatsache ebenfalls nicht als gut befand, war meine Mutter. „Dieses Gesocks treibt sich mit der Schwägerin des Kaisers herum - unfassbar", hatte sie kopfschüttelnd bemerkt, nachdem der Spanier von Aliénor nach seiner Audienz in meinem Büro abgeholt worden war.
Ich blickte zurück zu der Tür, in der meine wunderschöne Cousine vor einigen Stunden aufgetaucht war, ohne mir eines Blickes zu würdigen.
Vorerst hatte ich sogar geglaubt, dass Aliénors Mutter ihren Umgang ebenso als unpassend abstempeln würde. Sie war erst überrascht und sehr verunsichert gewesen. Doch nach seiner Erzählung war sie wie der Rest des Hofes hellauf begeistert gewesen.
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„Das würde ich auch niemals denken, Marie Brienne", erwiderte ich nachdenklich und nach einigen Minuten, ehe ich die Arme hinter dem Rücken verschränkte. „Entschuldigt, dass ich so abwesend bin. Der Ball zu meinem Geburtstag macht mir gerade etwas mehr Sorgen als die Wiederankunft Eures baldigen... Schwagers?"
Marie Briennes Augen sahen mich für einen kurzen Moment entsetzt an, ehe sie sich wieder zu fangen schien. Anschließend knickste sie kurz vor mir, ehe ihr die Tür zum Flur geöffnet wurde. „Natürlich... ich lasse Euch dann allein", entgegnete sie und unsere Blicke tragen sich ein letztes Mal, bevor sie leicht verstört meine Gemächer verließ.
Kaum waren die Türen hinter ihr geschlossen worden, ballten sich meine Hände zu Fäusten. In mir brodelte es vor Wut, doch ich beruhigte mich.
Jetzt denkt auch Marie Brienne, du würdest die Situation abwinken wollen, als wäre es nichts... somit ist alles nun gut, niemand wird dir auf die Schliche kommen...Denn eins war für mich klar:
Die Meinung von Aliénors Mutter über diesen aufgeblasen Soldaten, der sich nun wie einen Held feiern ließ, sollte sich bald ändern.
Dafür würde ich sorgen.♔ . ♔ . ♔
Wer hätte es gedacht? Rafael ist gar nicht tot...
Applaus an mein kreatives Ich xD┏━━━━━━━━━━━┓
Übersetzungen
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( TITEL ) → Überraschung, Überraschung
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PRINCESS OF TULIPS ᵗᵉⁱˡ ᶻʷᵉⁱ
Historical Fiction❀ 𝐅𝐑𝐀𝐍𝐊𝐑𝐄𝐈𝐂𝐇 ─ 1818 Ein halbes Jahr ist vergangen und eine Vermählung steht an. Aliénor macht sich keine großen Sorgen, als sie und ihre Familie zu ihrer Schwester nach Versailles geladen werden. Kaum dort angekommen...