Kapitel 22 ❀ confusion stupide

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ALIÉNOR

Vorsichtig fuhren meine Fingerkuppen über die Rücken einiger Bücher, und ich schaute mich fasziniert in den schmalen Gängen der Bibliothek um. Werke über Werke - meist seltene Erstaufgaben in einem hervorragendem Zustand - füllten die Regale.

Während ich mich hier versuchte zurechtzufinden, bemerkte ich kaum, dass er mich hingegen nicht weniger gebannt beobachtete.

Erst als er „Eurem Blick nach zu urteilen, gefällt es Euch hier" zu mir sagte, fiel mir wieder ein, dass mein Cousin zweiten Gerades ebenso hier war. Ich drehte mich zu ihm um. Er stand mit einer hochgezogenen Augenbraue an eine Säule gelehnt und hatte einen Mundwinkel hochgezogen, dass schlagartig ein Kribbeln in meinem Bauch als Auswirkung hatte.

Diese dämlichen Empfindungen ihm gegenüber!, dachte ich mir verärgert. Rafael gibt mir alles, was er zu bieten hat, und steht stets an meiner Seite, und trotzdem fühle ich mich immer noch zu Louis-Antoine hingezogen... nur weil ich ihn nicht haben kann?
Am liebsten hätte ich mir selbst den Vogel gezeigt.

„Gefallen ist gar kein Ausdruck... ich wünschte glatt, dass ich all diese Werke in meinen Koffer packen und nach Hause verladen könnte...", erwiderte ich unbefangen.

„Bei Euch wären sie wahrscheinlich auch besser aufgehoben. Meine Mutter liest keine alten Bücher und ich habe viel zu selten Zeit dafür. Eigentlich ist es eine Schande, dass sich kaum noch jemand für diese Werke interessiert."

Aufgrund meiner eigenartigen Gefühlsduseleien ihm gegenüber war ich unfähig darauf mit einem komplexen Satz zu antworten, sodass ich nur zustimmend nickte, bevor ich mich erneut einigen Büchern widmete.
Den Kopf um 90 Grad gedreht identifizierte ich einige von ihnen, indem ich mir die Titel durchlas. Schließlich blieb bei einem eher dünnen, roten Buch stehen. „Ein vollständiges Werk über die Herstellung von Mandolinen?"

„Anscheinend schon", stimmte Louis-Antoine zu und näherte sich mir - wenn auch nur langsam, als hätte er Angst, mir zu nahe zu treten. Wie fürsorglich er nun ist, rief ich mir in den Sinn, um daraufhin die Augen zu schließen. Lass das, Aliénor.

„Konntet Ihr nicht die Mandoline spielen?", bemerkte ich nachdenklich, als ich mich an unser heimlichen Treffen im Wald zurückerinnert hatte.
Damals hatte ich ihn mit seinem Instrument unter einem Baum aufgefunden, woraufhin wir gemeinsam einen der schönsten Nachmittage meines Lebens verbracht hatten.

„Ich kann sie nach wie vor spielen... soll ich sie holen?", schlug er mit so ernster Stimmlage vor, dass ich mich irritiert zu ihm umblickte.

Als sich jedoch der Hauch eines Lächelns auf seinen Lippen bildete, tat ich es ihm nach. „Bitte nicht, Majestät", sagte ich leise lachend, woraufhin er nur die Arme vor der Brust verschränkte: „Ihr seid unhöflich, Prinzessin. So schlecht spiele ich nicht."

Ohne genau darauf zu achten, was ich tat, zog ich frech lächelnd eine Augenbraue in die Höhe, ehe mich von ihm entfernte, um die Bibliothek weiter zu erkunden.

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Während ich nach und nach hier und dort Wälzer aus den Regalen zog und einige von ihnen für wenige Minuten studierte, hatte sich Louis-Antoine an den Kamin gesetzt und schaute aus dem breiten Fenster, durch das man einen Blick auf den verschneiten Garten von Cheverny hatte.
Es war unglaublich interessant, einige dieser Romane zu lesen, und ich fühlte mich in diesen Momenten schlimmer als meine Schwägerin Florentina, die ein Bücherwurm in Person war.

PRINCESS OF TULIPS  ᵗᵉⁱˡ ᶻʷᵉⁱWo Geschichten leben. Entdecke jetzt