ALIÉNORLouis-Antoine.
Mir entging nicht, wie seine dunklen Augen für einen kurzen Moment aufblitzten, als sein Blick über meine offenen Haare zu meinen Lippen wanderte. Ein nicht identifizierbares Gefühl machte sich in meinem Bauch breit, als ich schon automatisch einen Schritt zurücksetzte, um ihm nicht mehr so nahe sein zu müssen.Zugleich war ich so überrascht und irritiert von seinem plötzlichen Auftauchen, dass mir jedes Wort im Halse stecken blieb. Mein Herz pochte gegen meine Brustkorb und meine Knie schien augenblicklich in seiner Gegenwart weich zu werden.
Gott, bin ich eine Memme, dachte ich mir verärgert und folgte Louis-Antoines Blick, der sich angespannt auf die Wachen, die etwa zehn Meter von uns entfernt standen, gerichtet hatte.Ich zuckte zusammen, als er sich auf einmal erneut zu mir wandte. „Ihr habt meine Frage wohl nicht gehört... Was sucht ihr hier, Hoheit?", wollte er mit leiser, wenn auch scharfer Stimme wissen.
Er hielt mich nicht fest, drückte mich nicht gegen die Wand oder versperrte mir gar den Weg. Doch fühlte ich mich, als würde er mich in dieser kleinen Nische einkesseln.
Wahrscheinlich wusste er ganz genau, was ich hier trieb. Ob er mir gefolgt war? Möglicherweise spionierte er mir ja schon länger hinterher... was für ein Kaiser tat das denn bitte persönlich?
Da ich spürte, dass ich ihm durch diese Tatsache überlegen war, sprach ich schließlich meine Vermutung aus: „Spioniert Ihr mir nun auch noch hinterher?"„Ihr weicht meiner Frage aus", stellte er fest und zog seine Mundwinkel in die Höhe, wenn ich auch im Schein des Mondes, der durch das Fenster neben uns fiel, den Ernst in seinem Gesichtsausdruck feststellen konnte.
„Ich glaube, dass wir beide ganz genau wissen, dass Ihr nicht reinzufällig heute Nacht hier unterwegs seid."Mühsam unterdrückte ich ein Schlucken, doch entschied mich trotz der Risikos dazu, weiterhin so zu tun, als wenn ich einen ganz normalen Nachtspaziergang im Palast unternahm.
So spiegelte ich seinen Gesichtsausdruck, indem ich ebenso ein Lächeln aufsetzte.
„Und selbst wenn es so wäre, Majestät... was geht es Euch an, wenn ich hier nachts herumgehe? Wir wissen doch beide auch ganz genau, dass ich immer für mich selbst entscheide, was ich tue. Ich lasse mir nicht in meine Vorhaben pfuschen und noch weniger lasse ich mich zu Dingen... zwingen."Die Anspielung auf unsere heimliche Affäre im letzten Sommer, in der ich ihm stets weisgemacht hatte, eine freie Person zu sein, die nicht sein Eigentum war, ließ ihn wahrscheinlich innerlich nahezu zur Weißglut bringen, da ich ihn an unsere Nacht miteinander erinnerte.
„Fein", hauchte ich schließlich, und er sah mich wie gebannt an. „Denn zwingen lasse ich mich niemals."
Noch ehe er etwas hatte erwidern können, hatte ich damals meine Lippen auf die seinen gedrückt. Sicherlich dachte Louis-Antoine daran zurück - er musste es einfach tun. Doch selbstverständlich ließ er sich von außen nichts davon anmerken.
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Es herrschte kurze Stille, in der wir uns bloß amüsiert anfunkelten, bevor Louis-Antoine die Stimme senkte und mich plötzlich am Handgelenk packte: „Nun gut, dann geht, Prinzessin. Aber lasst Euch gesagt sein... wenn ich Euch in Zukunft noch einmal hier herumschleichen sehe, überlege ich mir vielleicht, Euch ein paar neue Leibwachen zuzuordnen oder Eurem Freund möglicherweise ein neues Zuhause zu geben."
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PRINCESS OF TULIPS ᵗᵉⁱˡ ᶻʷᵉⁱ
Historical Fiction❀ 𝐅𝐑𝐀𝐍𝐊𝐑𝐄𝐈𝐂𝐇 ─ 1818 Ein halbes Jahr ist vergangen und eine Vermählung steht an. Aliénor macht sich keine großen Sorgen, als sie und ihre Familie zu ihrer Schwester nach Versailles geladen werden. Kaum dort angekommen...