Kapitel 25 ❀ la confession de brienne

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ALIÉNOR

Der Gesichtsausdruck meiner Schwester zeigte nicht wie gedacht Überraschung, Enttäuschung oder Wut - im Gegenteil -, er hatte sich überhaupt nicht verändert. „Ich weiß schon über alles Bescheid, also mache dir gar nicht erst die Mühe."

Verdattert blickte ich sie an. „Du... - woher?"

„Ich habe da so meine Wege", erklärte sie mir kühl und drehte eine blonde Haarsträhne um ihren Zeigefinger. „Doch ich wusste eigentlich schon immer, dass du nicht so harmlos bist, wie du immer tust. Die kleine, freiheitsliebende Herzogstochter... so wild und aufgeweckt, tanzt ständig aus der Reihe... da konnte irgendetwas nicht stimmen. Keiner von uns ist ohne Fehler...", entgegnete sie und lächelte überheblich.

„Aber dass du deinen liebenswerten Freund mit dem Mann deiner Schwester betrügst, hätte ich mir niemals ausmalen können. Das klingt doch wohl wirklich nach einem schlechten Drama."

Ihre Worten trafen mich tief. Egal, wie sehr sie mich enttäuschte und mich behandelte, als sei ich eine Fremde, lag sie nach wie vor im Recht.

Ich log den Mann, den ich so sehr liebte und ehelichen wollte, an und hatte ihn mit dem Mann betrogen, mit dem mich jetzt eine Scheinfreundschaft verband.

„Wieso bist du so?", wollte ich wissen und klare Enttäuschung und Trauer schwang in meiner Stimme mit. „Ich erkenne dich nicht wieder, grande sœur."

„Dein Problem ist, Aliénor, dass du nicht verstehen kannst, dass Menschen sich verändern. Ich bin erwachsen geworden - nur seine Krone und mein Platz neben ihm ist sind mir nun wichtig." Daraufhin verdrehte sie die Augen. „Also, schlaf von mir aus mit ihm und dann wieder mit deinem Soldaten und und und... Louis-Antoine wird dich jedoch niemals nehmen. Dafür habe ich gesorgt..."
Gähnend schloss sie ihre Augen und verschränkte die Hände hinterm Kopf.

„Ich will ihn doch gar nicht!", presste ich hervor. „Ich will bloß, d-dass du es Rafael nicht erzählst... wir sind glücklich zusammen. Mehr als du es je sein wirst..."

„Aber, aber, Aliénor, was denkst du von mir? Glaubst du, ich habe Interesse daran, wie es dir mit deinem armen Schlucker geht?", lachte sie auf. „Erst war ich zwar darauf aus, dich als Helferin Rafaels darzustellen, damit ihr zwei in den Knast wandert, aber das Problem hat sich ja geklärt... ihr seid keine Gefahr mehr für meine Krone..."

Plötzlich wurde mir alles klar. „Du warst diejenige, die ihn aus dem Kerker befreit hat?", platzte es aus mir heraus.

„Selbstverständlich, was denkst du denn?", erwiderte sie seufzend, als würde ich über keinerlei Intelligenz verfügen. „Ich habe ihm geholfen, sodass man dir die Schuld zuschieben würde. Voilà... Zwei Verbrecher, ein Liebespaar... zusammen geflohen aus Versailles vor dem Kaiser. Aber dann musstest du dich ja unbedingt auf dieses Schiff begeben, und Rafael rettete dich..."

Genervt winkte sie ab. „Er war ein freier Mann und Held. Die Angelegenheit von dem Ausbruch aus dem Kerker war schon vergessen. Erst war ich entsetzt, bis er dir einen Antrag machte und du zustimmtest. Als ich Louis-Antoine anschließend damit drohte, die Affäre aufliegen zu lassen, wenn er nicht mit mir zusammenblieb, war dies auch geklärt."

Sie legte eine Kunstpause ein. „Du siehst: Mir ist es egal, was mit euch beiden geschieht. Zwar beschämst du mich, doch im Endeffekt wird niemand Eure Vermählung mehr verhindern.... Ach ja, und wenn du schonmal gehst, schick' Alexandre wieder rein. Wir waren noch nicht fertig..."

Ein genugtuendes Grinsen umspielte ihre Lippen. „Und jetzt geh', husch, husch! Bald ist das Fest vorbei - ich schätze zwei ganz freundliche Männer warten noch auf dich!"



LOUIS - ANTOINE

Die Festlichkeiten hatten sich noch lange nicht dem Ende geneigt, als ich mich auf den großen Balkon des Schlosses begab, um etwas eiskalte Luft zu schnappen.

Trotz ihres Geburtstages zeigte sich meine Mutter wie immer sehr ernst und streng. Manchmal wünschte ich mir, eine Feier ohne all' diese alten Menschen feiern zu können. Doch stets musste ich sie einladen, da Feierlichkeiten mit Gästen, die alle nur unter 30 Jahre alt waren, wahrscheinlich zu einem Skandal geführt hätten. Gott, bin ich gelangweilt, dachte ich mir, kratzte mich am Kinn und ließ mein Gesicht mit den zarten Schneeflocken besetzen.

Auf der anderen Seite des Balkons flog eine Tür auf. Sie grenzte an den Flur neben dem Ballsaal.

In der Dunkelheit erkannte ich die Gestalt einer Frau, die sich an das steinerne Geländer klammerte, ehe sie ihren Kopf senkte, als würde sie ihn auf das mit Schnee bedeckte Gestein legen wollen. Ich beobachtete, wie die Frau oder das Mädchen schließlich ihren Kopf in den Nacken warf und tief durchatmete. Der Mond zeigte sich zwischen den Wolken und schien auf den Balkon herab, sodass ich Aliénor als die Gestalt identifizieren konnte.

Langsam wandte sich ihr Blick zu mir und unsere Augen verbanden sich miteinander. Sie schaute hilfesuchend, ja, etwas verstört drein, als wäre etwas geschehen.

Ich schluckte, zeigte jedoch keine enttäuschte Reaktion, als sie sich umdrehte, und eilig den Balkon verließ. Aufgrund ihrer Erscheinung war mir trotz der beträchtlichen Kälte ganz warm geworden.

Erneut könnte ich schwören, dass sie nach wie vor kein Vertrauen zu mir aufbauen konnte. Wahrscheinlich sah ich ganz depressiv drein.

Schon ungeheuerlich genug, was ich alles für sie tat, obwohl sie Rafael ausgewählt hatte. Ich ließ ihre Hochzeit zu, nahm sogar daran teil und musste am Ende wahrscheinlich noch eine Rede halten. Auf der Hochzeit meiner großen Liebe... Bloß war man selbst nicht der Glückliche.

Der Termin meiner eigenen Vermählung sollte bereits morgen beschlossen werde.

Jedoch selbst wenn es schmerzte und es nicht meine Art war, einfach so aufzugeben, könnte ich es ebenso nicht ertragen, Aliénor an meiner Seite zu wissen, wenn sie mich nicht wollte.
Mein Herz schrie zwar danach, etwas zu unternehmen, für sie zu kämpfen. Mein Kopf sagte, ich solle es so belassen wie es war, sie vergessen und gehen lassen, da ich ihr keine Gefühle aufzwingen könnte. Dass diese nämlich nicht existieren, zeigte mir ihre Reaktion in den letzten Minuten und ihr Verhalten um Álvarez herum.






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Übersetzungen

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( TITEL ) Briennes Geständnis
( petite / grande sœur ) kleine / große Schwester
( Voilà ) Siehst du / Schau

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PRINCESS OF TULIPS  ᵗᵉⁱˡ ᶻʷᵉⁱWo Geschichten leben. Entdecke jetzt