Visitor

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„Ich möchte ihn besuchen, wenn es geht. So schnell wie möglich...", war das Erste, was meine Lippen verließ, als ich wieder bei Sunhi in der Küche stand. Sie musterte mich kurz, ehe sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen legte.
„Du bist einer seiner Freunde... Ich bin mir sicher, dass es ihm helfen wird!" Wenn sie nur wüsste...
Knapp eine halbe Stunde später waren wir auf dem Weg in die Klinik, in der Yoongi sich befand. Ich hatte meine Sachen gepackt und sie mitgenommen. Nach dem Besuch wollte ich wieder zurück nach Seoul fahren. Ewig konnte ich nicht bei Sunhi hier in Daegu bleiben. Auch wenn sie sehr nett war, ich hatte eine Familie, die sich wohl bald Sorgen um mich machen würde. Nicht zu vergessen mein Squad. Die wussten immerhin auch nicht wo ich war und vor allem auch nicht wieso. War auch erst einmal besser so...
Wir kamen vor dem großen, einstöckigem Gebäude an, welches am Rande der Stadt in einem ruhigen Gebiet lag. Allgemein war es hier in diesem Stadtteil sehr ruhig, fast schon idyllisch wenn man die Skyline im Hintergrund ausblendete. Wäre ich gerade nicht mit Sunhi unterwegs, würde ich mir die Gegend hier genauer ansehen.
Sunhi ging mir voraus zu dem Eingangstor und gab ihre Tasche zur Kontrolle ab, ehe sie mich zu sich winkte. Ich hielt inne, zweifelte ob dass hier eine gute Idee war. Was wäre, wenn Yoongi mich überhaupt nicht sehen wollte? Ich wusste nicht einmal, was ich zu ihm sagen sollte, wenn ich ihm gegenüber stehen werde. Ich konnte nicht mit ihm reden, so als ob Nichts gewesen wäre. Dazu hatte er mich zu sehr verletzt und das nicht körperlich.
Sunhi kam ein Stück auf mich zu und legte mir ihre Hand beruhigend auf die Schulter, sprach mir Mut zu. Sie schien wohl zu merken, was in meinem Kopf vor ging. Also gab auch ich meine Tasche ab, damit sie diese nach bestimmten Gegenständen wie etwa Scheren oder irgendwelchen anderen spitzen beziehungsweise scharfen Sachen durchsuchen konnten. Bei mir würden sie allerdings nicht fündig werden. Ich hatte Nichts dergleichen gestern eingepackt.
Nachdem unsere Taschen und Ausweise kontrolliert wurden konnten wir endlich die Klinik betreten. Während wir auf dem Weg zum Besucherraum waren begutachtete ich das Innere des Gebäudes. Alles war in hellen Farben gehalten. Die Räume hatten große Fenster, die es ermöglichten, dass die Räume noch heller wurden, als sie es eh schon waren. Hier und da hingen fröhliche Bilder, die den Patienten wohl zeigen sollten, dass Alles in Ordnung war, so wie es war, doch Jeder hier wusste, dass es nicht so war. Jeder hatte sein Päckchen zu tragen. Manche ein Großes, Andere wiederum ein Kleines.
Wir kamen schließlich im Besucherraum an. Überall standen Tische mit ein paar Stühlen und fast an jedem Tisch saßen mindestens zwei Leute. Jeweils ein Patient und ein Besucher. Nur an einem Tisch saß Einer ganz alleine. Er schien vollkommen abwesend zu sein, da er nur stumm auf die lavendelfarbene Wand vor sich starrte. Seine Haare hatten eine unverwechselbare Farbe. Klar... Dieses Minzgrün würde man überall wieder erkennen. So viel stand auf jeden Fall fest. Sunhi ging auf ihn zu und ließ sich ihm gegenüber nieder, griff nach seiner Hand. Ich trat näher an sie heran, sagte aber erst einmal Nichts. Ich musste das hier erst einmal verarbeiten.
„Yoongi... Ich habe dir Jemanden mitgebracht.", erklärte sie ihm und streichelte über seine Hand. Er drehte sich langsam um und sah mir geschockt in die Augen, brachte aber kein Wort heraus. Wir sahen uns eine gefühlte Ewigkeit in die Augen, aber etwas in mir war gerade dabei zu zerbrechen. Es brach mir das Herz, Yoongi so zu sehen. Er hatte riesige Augenringe und sah einfach nur fertig aus.
Mein Blick wurde traurig, so dass ich ihn abwendete und mich nun neben die fragend schauende Sunhi setzte. Sie wusste nicht, was genau alles zwischen mir und ihrem Cousin passiert war. Und das war besser so... Für uns Beide. Niemand sollte wissen, was Yoongi getan hatte. Damit würde man seine Zukunft nur noch weiter verbauen und das konnte er nun wirklich nicht gebrauchen.
„Was ist los Jimin? Warum redest du nicht mir ihm?"
„Ich- Es... tut mir leid. Alles..." Man konnte deutlich ihre Verwirrung sehen. Sie verstand nicht, warum ich es war, der sich entschuldigte, beziehungsweise konnte sie es gar nicht wissen, da ihr die Vorgeschichte fehlte.
Ich sah bedrückt auf den Tisch vor mir, traute mich nicht, Yoongi anzusehen. Ich wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Und das machte mich wahnsinnig! Ich hasste es, nichts tun zu können. Ich war machtlos und konnte Yoongi nicht aus seinem "Loch" herausholen, war zum Nichtstun verdammt. Tränen sammelten sich in meinen Augen, doch ich kämpfte gegen sie an. Sie würden die Situation auch nicht besser machen, wobei sein Schweigen es mir nicht einfacher machte. Allerdings unterbrach er dies nach einigen Minuten, in denen Sunhi wohl versuchte herauszufinden, was hier vor sich ging.
„Geh bitte einfach wieder... Lass mich einfach in Ruhe...", meinte er mit leiser, ruhiger Stimme, so dass es mir einen Stich versetzte. Seine Stimme... Sie klang so kalt, so distanziert. Sie verpasste einem förmlich einen Tritt in die Magengegend. Mir wurde gerade so schlecht.
„Yoongi! Sag doch so etwas nicht... Er hat dich gestern den ganzen Tag gesucht. Er hat die ganze Stadt auf den Kopf gestellt, nur um dich zu finden. Ihr beide seid doch Freunde und ihr solltet-"
„Nein, sind wir nicht. Wir waren nur einmal Nachbarn und Klassenkameraden. Mehr nicht." Leugnete er etwa gerade unsere Freundschaft und somit auch unsere Beziehung? Das war nicht sein Ernst! Das konnte er mir nicht antun! Nun konnte ich nicht mehr gegen meine Tränen ankämpfen und ließ ihnen stumm freien Lauf. War es das, was er wollte? Er wollte mich nicht mehr sehen? Dann war es das also... Wir würden nie wieder miteinander reden können oder sonst irgendetwas zusammen machen.
Ich wischte mir meine bereits vergossenen Tränen weg und stand auf, ging ohne auch nur ein Wort zu sagen.

So far away - YoonMinWhere stories live. Discover now