Ich stellte das Wasser ab, schnappte mir ein Handtuch und begann meine Haare trocken zu rubbeln. Sunhi hatte mir dabei geholfen, mir die Haare zu färben, da das ausgewaschene Minzgrün wirklich nicht mehr gut ausgesehen hatte. Mittlerweile war ich bereits schon wieder zwei Wochen auf "freiem" Fuß, besuchte Chanyeol jedoch täglich. Ihm hatte ich das mit Jimin erzählt und jetzt, da ich wieder in Besitz meines Handys war, konnte ich ihm endlich ein Bild von ihm zeigen. Er riet mir nicht aufzugeben und einfach noch einmal mit ihm zu reden, unsere Probleme aus der Welt zu schaffen. Nur war das leichter gesagt als getan. Ich war in Daegu, er in Seoul. Uns trennten mehrere Hundert Kilometer. Warum ich ihn nicht einfach anrief? Ganz einfach. Mir fehlte der Mut. Und ich bezweifelte auch stark, dass er meinen Anruf überhaupt entgegen nehmen würde.
Seufzend sah ich mich im Spiegel an. Meine nun blonden Haare fielen mir ins Gesicht. Ich hatte mich um einige Stellen beworben. Welche Richtung ich genau einschlagen wollte, war mir nicht bewusst. Ich wäre einfach nur froh, wenn ich überhaupt einen Arbeitsplatz bekommen würde. Doch leider hatte ich von allen Stellen hier in ganz Daegu eine Absage erhalten. Das war ziemlich deprimierend, doch ich würde mich davon ganz bestimmt nicht unterkriegen lassen. Ich würde, egal wie oft ich fallen würde, immer wieder aufstehen und weiter machen, solange bis ich zufrieden mit der Situation war. Doch dazu gehörte auch, dass ich mich mit Jimin wieder versöhnen musste.
Warum ich nicht studierte? Nun... Ich hatte zwar einen Abschluss, aber meine Noten waren jetzt nicht unbedingt die Besten. Aber ich hatte einen Abschluss und das war Alles, was zählte. Zudem bezweifelte ich, dass ich für ein Studium geeignet war...
Am Abend stand ich mit Sunhi in der Küche. Wir machten uns gerade etwas zu Essen und würden es uns anschließend auf dem Sofa vor dem Fernseher bequem machen. Sie verwickelte mich immer wieder in Gespräche, da sie womöglich Angst hatte, dass ich wieder tief in die Depression fallen würde. Aber das wollte ich nicht. Noch einmal in Klinik würde mein Verstand nicht aushalten. Zwar könnte ich Chanyeol dann wieder täglich sehen, aber ich wäre so erst recht nicht in der Lage, Jimin wiederzusehen. Unser Essen war nach ein paar Minuten fertig und nun saßen wir mit jeweils einer Schüssel gebratener Nudeln vor der Flimmerkiste und sahen uns irgendwelche Dramen an. Ich verstand nicht, was Alle so toll an solchen Sendungen fanden. Sie waren zum größten Teil so vorhersehbar.
„Yoongi ich hab vorhin vergessen nach der Post zu sehen. Würdest du das bitte machen?", fragte Sunhi mich, nachdem wir beide unsere Schüsseln geleert hatten und ich stand nickend auf. Ich schnappte mir ihren Schlüsselbund und ging runter zum Briefkasten. Es waren ein paar Flyer und zwei Briefe darin. Ich sah sie mir aber nicht groß an und ging wieder hoch, da es leicht kühl im Hausflur war und ich nur eine Jogginghose und einT-Shirt trug. Ich reichte ihr dann die Post, die sie mir allerdings nach wenigen Sekunden lächelnd wiedergab.
„Die sind nicht für mich." Ich sah mir die Umschläge an und tatsächlich stand da mein Name drauf. Verwirrt ließ ich mich neben ihr auf dem Sofa nieder und öffnete sie, las sie mir sorgfältig durch, da ich keine Post aus Seoul erwartete. Ungläubig ließ ich sie wieder sinken und starrte Luftlöcher, während meine Cousine ihr Grinsen nicht mehr los wurde. Die beiden Schriftstücke waren Einladungen zu Vorstellungsgesprächen. Man hatte mich tatsächlich in Erwägung für einen Job gezogen. Und dann gleich zweimal!
„Hast du etwas damit zu tun? Ich habe keine Bewerbung nach Seoul geschickt..." Sie brauchte mir gar nicht zu antworten. Ihr Gesichtsausdruck war schon Antwort genug, weshalb ich ihr glücklich in die Arme fiel. Das war echt zu viel für mich. Ich war ihr so unendlich dankbar!Eine Woche später waren wir gerade aus dem Zug ausgestiegen und ich war seid langem wieder in Seoul. Irgendwie hatte ich die Menschenmassen hier vermisst... Und zeitgleich auch wieder nicht. Wir gingen zusammen durch die Innenstadt und suchten das Hotel, dass Sunhi gebucht hatte. Sie hatte sich extra frei genommen um mich zu begleiten. Sie war echt zu gut für diese Welt. Ich hatte sie nicht verdient.
In der Eingangshalle des Hotels sah ich mich um, während sie eincheckte. Es war jetzt nicht eines der hochwertigen, teuren gewesen, aber es war auch keine billige Absteige gewesen. Für die paar Tage, die wir Beide hier waren, würde es schon reichen. Warum wir nicht zu meinem Vater sind? Der Gute ist kurz nach meinem Suizidversuch weggezogen, um irgendwo einen Neuanfang zu starten. Meine Eltern würden sich scheiden lassen, doch es berührte mich keines Wegs. Ich hatte wohl mit ihnen abgeschlossen. Kontakt würden wir wohl nie wieder miteinander haben. Aus meiner Familie hatte ich nur noch Sunhi, die mich wohl vorerst nicht im Stich lassen würde.
„Kommst du Yoongi?" Ich folgte ihr über die Treppe nach oben in den zweiten Stock, sah mir das Zimmer genau an. Es war ein Doppelbettzimmer. Ob es mich störte, dass ich mir ein Bett mit ihr teilen musste? Nein. Sie war Familie. Es wäre komisch, wenn es mich stören würde. Und selbst wenn ich nicht mit ihr Verwand wäre, so würde es mich vermutlich auch nicht stören. Vor ein paar Monaten hatte ich noch gedacht, ich würde etwas für Frauen empfinden, wenn ich denn die Richtige finden würde, doch ich hatte mich getäuscht. Dem war definitiv nicht so.Am nächsten Nachmittag waren wir gerade wieder auf dem Weg zum Hotel und ich konnte einfach nicht aufhören zu Grinsen. Zumindest innerlich. Nach Außen hin zeigte ich es wie so meist auch nicht. Die Vorstellungsgespräche waren soweit gut gelaufen und man würde sich bei mir melden. Das war zwar keine feste Zusage, aber dennoch machte es mich so glücklich. Das war einer der ersten Schritte in mein eigenes, richtiges Leben. Würden sie mich allerdings einstellen, würde das bedeuten, dass ich wieder nach Seoul ziehen müsste. Ich würde Sunhi wieder verlassen müssen.
Wir holten uns unterwegs noch jeweils eine Portion Tteokbokki (Rice Cakes), aßen diese auf und gingen zurück zu unserem Hotelzimmer. Wir verbrachten unseren Abend wie sonst auch und hockten vor dem Fernseher, sahen irgendwelche Dramen. Da ich mich langweilte schnappte ich mir mein Handy und öffnete die App des sozialen Netzwerkes. Ich scrollte die Timeline durch und ein Foto, welches Hoseok heute geposted hatte, zog meine komplette Aufmerksamkeit auf sich. Nicht etwa, weil er, Jungkook und Taehyung darauf zu sehen waren, sondern weil Jimin im Hintergrund zu sehen war. Und verdammt... Er sah überhaupt nicht gut aus. Auch wenn das Bild etwas unscharf war, so konnte man dennoch seine Augenringe erkennen. Sein Blick wirkte so, als ob er am Liebsten gar nicht anwesend wäre. Er wirkte so teilnahmelos, so unglücklich. Ob ich ihn anschreiben sollte? Ich hielt das für keine gute Idee. Ihm würde es dann bestimmt nur noch viel schlechter gehen, als es ihm eh schon ging.
Ich verwarf den Gedanken, sperrte mein Handy und legte es auf den Nachttisch, rollte mich dann auf die Seite. Ich wurde zwar fragend von Sunhi angesehen, doch ich reagierte da nicht drauf. Ich wollte schlafen. Wir würden morgen Abend wieder zurück nach Daegu fahren und ich war schon gespannt darauf, ob sich in der Zwischenzeit nicht in Daegu etwas ergeben hatte und ich zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wurde. Vielleicht müsste ich gar nicht nach Seoul ziehen und könnte bei meiner Cousine bleiben.
YOU ARE READING
So far away - YoonMin
Fanfiction„Wieso gehen wir nicht mal miteinander aus? Nur wir Beide..." „Weil du mir damals versichert hattest, dass du nichts für mich empfindest und sei ehrlich - wir Beide würden nie zusammen passen." „Du traust dich einfach nur nicht weil du Angst hast, d...