Kapitel 04

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John schaute im Wohnzimmer eine kitschige Seifenoper, während Sherlock an seinem Computer saß.
Einen ähnlichen Vorfall, wie den der Leiche heute Mittag, hatte es schon in den 90ern gegeben. Damals wurde eine Frau tot an einem Ort aufgefunden, zu dem sie keinerlei Bezug hatte. Allem Anschein nach wurde auch sie dort erst nach ihrem Tod hingebracht. Außerdem gab es ebenfalls keine Anzeichen von Gewalt.
Das ist kein ähnlicher Fall, dachte Sherlock, das ist genau der Gleiche. Er notierte sich ein paar Informationen auf einen Zettel und rief Lestrade an. Dieser hob nach dem vierten Klingeln ab und sagte schläfrig: „Sherlock, es ist 1 Uhr am Morgen. Können Sie nicht wenigstens warten, bis die Sonne aufgegangen ist?“
Sherlock ignorierte ihn: „Wie heißt die Frau?“
„Welche Frau?“
„Na, die Leiche!“, rief er aufgebracht.
„Moment, ihr Name ist –“, Rascheln am anderen Ende der Leitung, während Lestrade in seinen Akten nachschaute. „Charlotte Watson“
Watson.
Ohne ein weiteres Wort legte Sherlock auf. Der Nachname der Leiche aus dem älteren Fall war ebenfalls Watson. Entweder war das Ganze ein riesiger Zufall, oder jemand wollte Sherlock damit ein Zeichen geben: John war in Gefahr.

Dieser war allerdings bereits vor Stunden in seinem Sessel eingeschlafen und bekam von dem, was in Sherlock gerade vorging, überhaupt nichts mit. Er bemerkte nicht, wie Sherlock auf seinem Stuhl immer weiter in sich zusammen sank. Wie sich die Augen seines Freundes vor Schreck weiteten, ehe er aufsprang und wie wild im Zimmer auf und ab ging. Wie er sich die Haare raufte und mit Tränen in den Augen zu ihm, John, hinüber blickte. Wie sein Freund vor ihm in die Knie ging, ihn beim Schlafen beobachtete und sich ganz leise immer wieder entschuldigte. Es tut mir so leid. So unendlich leid.
Nach geraumer Zeit erhob sich Sherlock wieder, atmete einmal tief durch und trug John dann sanft in sein Schlafzimmer. Er zog den beiden den gröbsten Teil ihrer Klamotten aus, legte sich dann neben John und kuschelte sich an ihn.
John bekam von all dem nichts mit. Von Sherlocks Verzweiflung, von seiner Angst, und auch nicht von der Gefahr, in der die beiden schwebten.

Nur die Straßenlaterne vor dem Fenster tauchte das Zimmer in ein komisches Licht. Wieso tat man ihnen so etwas an? Sherlock sah John dabei zu, wie sich seine Brust regelmäßig hob und dann wieder sank. Eine einzelne Träne lief ihm über die Wange. Was konnte er bloß machen, um ihn zu schützen? Oh, John.
Stundenlang wälzte sich der Consulting Detective schlaflos im Bett herum, während seine Gedanken rasten. Bevor er völlig durchdrehte, beschloss er, zurück ins Wohnzimmer zu gehen, wo er mit großen Schritten weiter hin und her lief. Doch es half alles nichts und letztendlich griff er zu seiner Geige. Sherlock ignorierte, dass es mitten in der Nacht war und er John vermutlich aufwecken würde, und erschrak trotzdem, als sich dieser nach ein paar Minuten hinter ihm verschlafen räusperte.
„Das ist eine schöne Melodie“, sagte John, seine Stimme war noch ganz rau vom Schlafen. Er lächelte, als er das Notenblatt näher betrachtete.
Mein Blogger“, las er den Titel vor. Sherlock legte seine Geige beiseite und umarmte John ganz fest, dann hielt er ihn eine Armlänge von sich entfernt, um ihm ins Gesicht sehen zu können und flüsterte mit Tränen in den Augen: „Ich liebe dich mehr als alles andere“, seine Stimme zitterte, dann küsste er seinen Freund ganz sanft auf die Lippen und legte seine Stirn an die des Arztes.
Völlig überrascht von so viel Zärtlichkeit sagte John einfach gar nichts. Er schloss die Augen und atmete Sherlocks Duft tief ein. Irgendetwas musste passiert sein, das merkte er. Irgendetwas, das Sherlock zutiefst beunruhigte. John zog den Detektiv näher an sich heran.
„Du weißt, dass du mit mir über alles, wirklich alles, reden kannst“
Nein. Sherlock konnte es ihm nicht sagen. Nicht jetzt.
„Ich weiß, John. Ich weiß“, war alles, was er darauf antwortete und er hoffte inständig, dass John nicht weiter auf das Thema eingehen würde.

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Was er allerdings nicht wusste, war, dass sie in diesem Moment überwacht wurden. Eine in Dunkelheit geweihte Gestalt lauerte auf dem Dach des Hauses gegenüber und beobachtete die beiden durch das Zielfernrohr ihres Scharfschützengewehrs. Ein kehliges Lachen entwich ihr, kurz bevor sie eine SMS bekam:

Gib den Turteltäubchen noch ein bisschen Zeit. - JM

Das Lachen des Scharfschützen wurde lauter und hallte durch die leeren Gassen, als er seine Waffe einpackte und unbemerkt vom Dach stieg.

I Owe You So Much (Johnlock Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt