1. Kapitel

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Ich war gerade damit beschäftigt, meine Umzugskartons zu packen. Ich hatte mein Abitur hinter mir und wollte nach München ziehen, um dort ein neues Leben zu beginnen. Dieses Leben, das ich momentan hatte, war leider nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich hatte zwar meine Freunde und war beliebt in der Schule, aber viele haben mich als Jungen bezeichnet, nur weil ich mehr mit den Männern vom Fußball abhing und nie mit Frauen gespielt habe. Der Grund ist einfach, dass ich für meinen Traum kämpfen will: Als erste Frau in der Männerbundesliga auflaufen zu können. Am liebsten für den FC Bayern. Ich hatte nun die letzten Sachen in die Umzugskartons gepackt, bis jemand von der Küche aus schrie: „Paula, beeil dich, sonst bist du nicht pünktlich in München.“ Es war meine Mutter. Sie war früher mal eine erfolgreiche Fußballspielerin, bis sie ihre Karriere schmerzhaft beenden musste. Bei einem wichtigen Meisterschaftsspiel gegen Stuttgart hatte jemand sie so heftig gegen das Knie getreten, dass sie Schmerzen ohne Ende hatte und selbst eine Operation unmöglich schien. Ihrem Knie geht es soweit gut, aber sie traut sich nicht mehr, einen Ball anzurühren. Was ich auch verstehen kann. Sie ist auch meine Managerin und kennt alle Spieler von der Bundesliga, sogar die Spieler von den Bayern.

Als die Sachen im Umzugswagen waren, ging ich auf meine Mama zu und wir beide mussten weinen. „Pass auf dich auf, Paula. Melde dich, wenn du in München bist.“ „Ja Mama, werde ich machen. Und ich hoffe, den Richtigen in München zu finden.“ „Mach das. Irgendwo wird er auf dich warten. Das weiß ich.“ Sie wischte mir eine Träne weg, die hinunterkullerte und nahmen uns lange in den Arm. Wieso müssen Abschiede immer so schwer sein? Wir lösten uns aus der Umarmung und stieg ins Auto ein. Der Fahrer schaltete den Motor an und das Auto bewegte sich langsam aus unserer Einfahrt heraus. Ich drehte mich um und winkte meiner Mama zu.

Einen Papa hatte ich nicht mehr, der ist vor 2 Jahren gestorben. Er hatte einen Autounfall, bei dem er tödlich verunglückt ist. Ein Falschfahrer ist ihm ins Auto gefahren und dieser war noch stark alkoholisiert. Das Auto hat sich mehrere Male überschlagen und ist in einem Baum hängengeblieben. Mein Papa war so heftig eingeklemmt, dass er noch am Unfallort starb und jede Rettung zu spät kam. Aber meine Mama und ich haben den Tod ganz gut überwunden, nachdem wir eine Therapie hatten. Der Täter damals konnte nicht gefunden werden, bis sich schließlich mein Exfreund gestellt hatte. Er hieß Lukas und war auf dem Weg, ein guter Fußballer zu werden und hat früher in meiner Mannschaft gespielt, bei den Stuttgarter Kickers. Er war immer total nett, doch er hatte eine dunkle Vergangenheit, die niemand wusste und ich erst an diesem Tag, als er das gestand, herausbekam. Er hatte seinen eigenen Vater ermordet, weil dieser seinen Traum, Fußballer zu werden, zerstören wollte. Er wollte, dass er später sein Autohaus übernehmen sollte und den Fußball sich aus dem Kopf schlagen sollte. Und er war der stark alkoholisierte Autofahrer, der meinen Vater zur Strecke brachte. Ich konnte ihm das nicht verzeihen und trennte mich von ihm. Bis heute haben wir keinen Kontakt mehr und er wohnt mittlerweile in Jena und spielt bei der 3. Mannschaft von Carl Zeiss Jena. Ich wollte immer einen Freund haben, der so ist wie ich und mit dem ich mir eine Zukunft aufbauen kann.

Während der Fahrt musste ich die ganze Zeit daran denken, wie es wohl sein wird in München. Ich war dort schon mal, aber nur in der Allianz Arena, weil wir mal ein Spiel gegen die „Löwen“ hatten, dem Erzrivalen von den Bayern. Dort haben wir uns vor einem Jahr die Meisterschaft gesichert und sind in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Aber jetzt sind sie im Abstiegskampf und kämpfen um den Klassenerhalt. Der Fahrer hörte gerade die Nachrichten des Tages. Eine Neuigkeit riss mich aus den Gedanken. „Krach beim FC Bayern. Zwei Spieler des FC Bayern hatten eine handgreifliche Auseinandersetzung im Training. Sie wurden für 3 Tage aus dem Training ausgeschlossen. Und es gibt einen Neuzugang bei den Bayern. Es ist ein Mädchen namens Paula König. Sie spielte vorher erfolgreich für die Stuttgarter Kickers und wechselt ablösefrei zu den Münchnern.“ Der Fahrer, der übrigens Felix hieß, sagte zu mir: „Vielleicht hatten sie wegen dir eine Auseinandersetzung, kann doch sein. Der Mario kennt dich doch.“ „Meinst du echt? Das glaube ich nicht, er kennt mich doch gar nicht richtig. Wir haben mal ein paar Takte miteinander gesprochen, mehr nicht. Und den anderen kenne ich nicht, also kann es nicht wegen mir gewesen sein.“ Felix schaute mich verdutzt an. „Okay. Aber ich erzählte dir mal was. Ich bin öfters bei den Trainingseinheiten von den Bayern. Da hatten Mario und Xherdan öfter eine Auseinandersetzung. Diese Woche war es noch heftiger als heute, da ist Mario sogar heulend vom Platz verschwunden.“ „Echt jetzt?“ Ich überlegte kurz. „Moment mal, das war an dem Tag, als ich ihm geschrieben habe, dass er Xherdan einen Gruß von mir ausrichten sollte. Da hat er ziemlich komisch darauf reagiert und nicht mehr geschrieben. Oh man, wieso bin ich nicht gleich darauf gekommen?“ Wir unterhielten uns noch ein bisschen und legten kurz einen Stopp ein, weil wir beide Hunger hatten. Wir stellten den Wagen ab und gingen in die Raststätte. „Paula, das ist echt kein Zufall mehr. Du musst beide auf den Streit ansprechen, wenn du bei denen trainierst.“ „Ich weiß nicht...“ und verzog mir unsicher das Gesicht. „Komm schon.“ Er setzte einen Hundeblick auf und schaute gespielt traurig. Ich musste lachen. „Also gut, ich machs, aber erst, wenn ich beide näher kenne. Vorher kommt das so komisch rüber.“ „Okay.“ Wir aßen fertig und dann stiegen wir in den Wagen und fuhren weiter. Die Autos zogen an uns vorbei und ich schlief während der Fahrt ein. 3 Stunden später wachte ich auf und waren in Straßlach, einem Stadtteil von München. Wir fuhren in die Römerstraße und hielten an einem kleinen Haus an. Wir stiegen aus und ich begutachtete das kleine Haus erst mal. Das Haus sah genauso aus wie das Nachbarhaus, bloß eine Nummer kleiner. Weiße Wände und künstlerische Fundamente, die das Haus schmückten. Neben dem Haus war noch eine Garage, wo ich dann später mein Auto einparken konnte. Wir packten alle Sachen aus dem Wagen und richteten meine neue Wohnung ein. Gegen 18 Uhr waren wir fertig und Felix trat seinen Heimweg nach Nürnberg an. Ich verabschiedete mich von ihm und schon war er weg.

Danach begutachtete ich den Rest von der Wohnung. Im Wohnzimmer war noch eine große Terrasse. Genauso groß wie die Terrasse von den Nachbarn. Später ging ich wieder hinein, machte mir Essen und schaute noch ein wenig Fernsehen. Ich schaltete jedes Programm durch, bis ich schließlich beim Sportsender „Sport1“ stehenblieb. Es lief gerade die Partie Barcelona vs. Madrid. Doch dann klingelte mein Handy. „Ja?“ „Hey hier ist die Valerie.“ „Hey Liebes. Wie geht es dir?“ „Ganz gut und dir?“ „Mir auch.“ „Und wie ist es in deiner Wohnung so?“ „Es ist alles richtig schön eingerichtet und das Haus sieht genauso aus wie das Haus von den Nachbarn. Ich wohne in der Römerstraße.“ „In Straßlach?“ „Ja, wieso, was ist damit?“ „Du hast gesagt, dass in der Straße auch Xherdan wohnt.“ „Ja und jetzt?“ „Ja, Xherdan und du seit keine 200 km mehr voneinander entfernt, euch trennen wenige Meter voneinander!“ „Stimmt, du hast recht. Oh man, ich hätte es vorher wissen sollen, das Schicksal hat mich zu ihm geführt.“ „Siehst du, sag ich doch, lass das Schicksal den Rest machen, die Vorlage hast du schon gegeben. Jetzt muss nur noch das Runde ins Eckige, meine Liebe!“ Wir beide fingen an zu lachen. „Du, ich muss auflegen, Marius kommt gleich.“ „Okay, sag ihm liebe Grüße von mir und ich vermisse euch beide.“ „Wir vermissen dich auch und schon mal lieben Gruß zurück.“ „Danke, ich melde mich diese Woche noch, morgen ist mein erstes Training.“ „Okay, mach das. Bis morgen.“ Wir legten beide auf. Nach dem Telefonat schrieb ich meine Mama eine WhatsApp-Nachricht, dass ich gut angekommen sei und das alles gut geklappt hat. Sie schrieb mir „Gute Nacht“ und machte mich fertig für ins Bett. Schließlich musste ich doch für morgen fit sein für das Training. Als ich im Bett war, schlief ich auch schnell ein.

Träume mit Gefühlschaos inklusiveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt