2. Kapitel

55 2 0
                                    

Am nächsten Morgen wurde ich unsanft von meinem Wecker geweckt. Ich öffnete langsam die Augen und die Sonne lachte schon durch das Fenster hinein. Ich stand auf, machte mein Bett und ging in die Küche, um mir Frühstück zu machen. Es war 8 Uhr morgens, also hatte ich noch eine Stunde, bis ich zum Training musste. Ich werde dann persönlich von meinem neuen Trainer abgeholt, weil ich mein neues Auto erst heute Nachmittag bekomme. Als ich gerade von meinem Brot ein Stück abbiss, hörte ich zwei Stimmen, die laut waren, schon leicht aggressiv. „Xherdan, hör auf zu schreien, sonst hören uns die Nachbarn. Die wollen doch noch schlafen.“ „Das ist mir gerade so was von egal. Ich will dieses Mädchen haben, von dem Mario immer so schwärmt. Der hat doch schon längst eine Freundin.“ „Hey, jetzt beruhige dich doch erst mal. Wer ist das Mädchen überhaupt, über die ihr euch streitet die ganze Zeit?“ „Sie heißt Paula.“ Ich erschrak und mein abgebissenes Stück Brot blieb mir im Hals stecken. Seine Stimme war in meinem Kopf, mein Name schallte wie ein Echo durch das Trommelfell und blieb daran haften. Das kann doch alles kein Zufall mehr sein, das gibt es doch gar nicht. Aber ich meine, es gibt doch so viele Paulas in München, damit könnte jede gemeint sein. Ich aß mein Brot weiter und ein roter Audi fuhr an meinem Haus vorbei. Es war Xherdan und sein Bruder Ari, so nannten ihn alle, Freunde und Familie. Ich machte mich fertig und es ertönte die Autohupe von draußen. Es war der Bayerntrainer, Pep. Ich schloss die Tür ab und ging ins Auto. „Hey Paula.“ „Hey.“ Er startete den Motor und wir fuhren los. „Zwei Spieler streiten sich wegen dir.“ „Wie jetzt? Es gibt doch so viele Paulas in München und wieso denkt jeder es wäre ich?“ Ich lachte kurz. „Mario hat mir viel von dir erzählt. Und Xherdan hat er angeblich auch Bilder von dir gezeigt und er war begeistert davon. Aber beide habe ich vom Training ausgeschlossen, sie werden auf der Zuschauertribüne sitzen.“ „Okay.“ sagte ich verblüfft. „Ja, weil sie sich immer in die Haare bekommen und Mario weinend das Training vorzeitig verlassen hat.“ „Oh nein. Und Xherdan?“ „Er hat sich bei seinem Bruder daheim ausgeheult. Er konnte einfach nicht mehr.“

Wir waren jetzt da, am Trainingsgelände. Alle Spieler warteten schon gespannt auf den Trainer und auf mich. Wir stiegen aus und gingen auf alle zu. Ich kannte die Spieler nur von Bildern und Interviews. Doch dann tauchte auf einmal ER auf. Seine Muskeln, sein Lächeln. Alles haute mich um. Es kommt mir gerade so vor, als würde die Welt stehenbleiben. Jede Bewegung eine Zelebrierung für den Körper. Ich setzte mein schönstes Lächeln auf und er lächelte schüchtern zurück. Aber ich wurde durch den Trainer wieder in die Realität gerufen. „So Jungs, das ist die Paula. Sie wird ab jetzt mit uns trainieren und wenn sie sich gut macht, darf sie auch mal ein Bundesligaspiel absolvieren.“ Es meldete sich Mario, er hatte sich bei der Begrüßung hinter dem Spieler mit der Nummer 13 versteckt. „Sie ist ein Mädchen und Mädchen spielen nicht in der Bundesliga.“ Ich könnte austicken, was er sagt. Aber ich sagte ganz cool. „Ach, hat da etwa jemand Angst um seinen Stammplatz? Wie süß.“ Alle fingen an zu lachen. Mario schaute beschämt nach unten und das Training ging auch schon los. Wir mussten erst einmal sieben Runden um den Platz laufen. Ich lief neben ihm, Xherdan. Ich fragte ihn: „Ist Mario eigentlich immer so, wenn er ein Mädchen sieht, die Fußball im Verein spielt?“ Er schaute mich nur an und sagte nichts. Ich wurde stutzig. „Bekomme ich keine Antwort?“ Bevor ich eine Antwort bekam, rempelte mich Mario und ich fiel zu Boden. Alles wurde schwarz. Ich war mit dem Kopf gegen eine Stange gestoßen, als Mario mich gerempelt hat. Das einzige, was ich noch hörte, war. „So Paula, das hast du nun davon.“ Ich wachte kurze Zeit später wieder auf und vor mir war der Bayerntrainer. „Alles okay bei dir Paula?“ Ich schaute ihn an. „Ja, es geht wieder. Wo sind Xherdan und Mario?“ „Mario habe ich vorzeitig heimgeschickt und Xherdan ist gerade in der Kabine.“ „Ich will zu ihm. Bitte.“ „Klar, geh ruhig.“ Mit leisen Schritten ging ich in Richtung Kabine. Die Tür war offen und ich hörte ein leises Weinen. Sein Weinen. Ich schaute durch die Tür hinein und sah, wie er alles durch den Raum geworfen hat. Er saß auf dem Boden und hielt sich die Hände über das Gesicht. Mir lief bei diesem Anblick eine Träne über die Wange, die ich schnell wieder wegwischte. Ich ging zu ihm hinein. „Xherdan?“ fragte ich schüchtern. Er schaute mich an. „Paula.“ Er fiel mir in die Arme und weinte sich aus. Ich streichelte ihm den Rücken entlang. „Was ist los?“ „Das gerade eben. Es tut mir Leid, dass ich nicht gleich eine Antwort auf deine Frage gegeben habe, ich war in Gedanken versunken.“ „Ist schon okay.“ Wir lösten uns aus der Umarmung und seine Tränen wurden weniger. „Aber das von Mario war unterste Schublade. So ein tolles Mädchen wie dich anzurempeln. Ich hatte echt Angst um dich.“ Ich konnte es mir nicht verkneifen, zu lächeln. „Jetzt geht’s mir ja wieder gut. Kommst du wieder raus, noch ein bisschen fünf gegen fünf spielen?“ Er nickte und wir gingen wieder auf den Platz. Beim Spielen war Xherdan wie ausgewechselt. Er gewann jeden Zweikampf und spielte einfach perfekt. Weltklasse.

Nach dem Training musste ich mit Pep noch schnell mein neues Auto abholen. Es war ein blauer Audi. Ich hatte mich sehr schnell in das Auto verliebt und fuhr mit diesem Auto dann auch nach Hause.

Als ich daheim ankam und dann an der Garage parkte, wollte ich gerade ins Haus gehen, bis jemand meinen Namen rief. Es war Valerie. Ich drehte mich um. „Hey, was machst du denn hier?“ Wir fielen uns in die Arme. „Dich besuchen, was denn sonst?“ Marius stand hinter Valerie und umarmte ihn auch. Ich bat sie in meine Wohnung hinein und beide staunten nicht schlecht. Sie erzählten mir, dass sie neben mir wohnten und das Stuttgart ihnen schon langsam auf den Geist gegangen ist.

Marius sind Valerie sind jetzt seit 2 Jahren ein Paar. Kennengelernt haben sie sich vor drei Jahren. Marius war damals in meiner Parallelklasse und wir haben uns auch da blendend verstanden. Valerie war neben unserer Schule und sie kam immer vor der ersten Stunde vorbei. Sie hat sich seit dem ersten Augenblick an in ihn verliebt. Sie unternahmen mehrere Male etwas, bis es schließlich zum ersten Kuss kam und von da an unzertrennlich waren.

„So, Paula, jetzt erzähl mal, wie war dein erstes Training?“ fragte Valerie neugierig. Ich erzähle alles bis ins kleinste Detail. Bis zu dem Augenblick, als Mario mich anrempelte. „Ich bin mit dem Kopf gegen eine Stange geknallt und dann wurde alles schwarz.“ Sie schauten mich mit offenen Mündern an. „Ja, der Trainer hat sofort eingegriffen und Mario vorzeitig heimgeschickt.“ „Und Xherdan?“ Ich schaute kurz zu Boden. „Wollt ihr das wirklich wissen?“ „Ja, bitte.“ schrie Valerie schon fast. Man konnte sehen, wir ihr Adrenalinspiegel von Sekunde zu Sekunde stieg. „Okay. Ich wollte unbedingt zu ihm und bin in Richtung Kabine gelaufen. Die Tür war offen und er hat geheult.“ „Echt jetzt?“ fragte mich Valerie. „Ja. Er hat außerdem seine Sachen quer durch den Raum geworfen und noch mehr geweint.“ Ich musste bei diesem Gedanken selber anfangen zu heulen. „Du Arme. Erzähl mal weiter. Was hat er dann gesagt, als du ihn darauf angesprochen hast?“ „Er hatte Angst um mich. Nach der Aktion, was Mario mir angetan hat.“ „Das ist doch total süß, oder?“ Wir mussten lachen. Marius schaute auf die Uhr. „Was? Schon so spät?“ Er nahm Valerie an der Hand und verabschiedeten sich von mir. Sie mussten noch einige Einkäufe erledigen und mit dem Hund raus. Als sie draußen waren, kam mir die Idee, Xherdan einen Besuch abzustatten. Ich zog mich an und ging an seine Haustür. Dann wollte ich die Klingel tätigen, doch ich konnte nicht. Meine Hände waren wie versteinert, meine Knie fühlten sich wie Wackelpudding an und meine Beine waren wie gefesselt und festgenagelt auf den Boden. Ich atmete noch einmal tief durch und klingelte. Ich hörte einige Schritte auf die Tür zukommen. Die Tür ging auf und es war Xherdan's Bruder. „Hey, wer bist du denn?“ „Ich bin Paula. Kann ich zu Xherdan?“ „Ach du bist die Paula, von dem Xherdan immer erzählt? Komm rein, er ist im Wohnzimmer. Er wird sich bestimmt freuen, wenn du reinkommst.“ Ari ließ mich ins Haus und schloss die Tür hinter sich. Alles war so wunderschön eingerichtet. Genau wie ich es mir vorgestellt habe. Ich kam mit Ari ins Wohnzimmer. „Xherdan, hier ist Besuch für dich.“ Er spielte gerade an seiner Konsole und drückte auf Pause. „Paula, na das ist eine Überraschung.“ Er kam auf mich zu und umarmte mich. „Ich dachte, wenn wir schon mal Nachbarn sind, komme ich dich mal besuchen.“ „Das ist schön. Setz dich doch.“ Ich setzte mich neben ihn. „Xherdan, ich bin dann mal mit meinem Kumpel was trinken. Bin morgen früh wieder daheim.“ „Okay, viel Spaß.“ Schon war er weg und wir waren ganz alleine. „Schön hast du es hier.“ Mir fiel wirklich nichts ein, über was ich mit ihm reden konnte. „Danke. Spielen wir eine Runde FIFA?“ „Klar.“ Er nahm die Bayern und ich Dortmund. Ich mochte außer Bayern noch Borussia Dortmund.

Wir spielten eine Weile und ich gewann mit 3:1 und er gewann später mit 4:0. „Bist du etwa eine heimliche Zockerin?“ „Ich habe das immer auf dem Computer gespielt.“ Ich musste lachen. Er stand auf und kitzelte mich durch. „Xherdan hör auf, ich bin verdammt kitzlig.“ Das hätte ich nicht sagen sollen. „Dann umso besser.“ Er kitzelte mich noch mehr. Solange, bis wir beide auf den Boden fielen und uns in die Augen sahen. Ich rappelte mich schnell wieder auf, ich darf mich echt nicht in ihn verlieben. Was Xherdan dachte, wusste ich nicht, aber er sah auch ziemlich verwirrt aus, genauso wie ich. Wir spielten weiter und ich beschloss, bis morgen bei ihm zu bleiben.

Träume mit Gefühlschaos inklusiveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt