Heimkehr des verlorenen Kindes

200 7 1
                                    

Ihr Atem verschnellerte sich als sie bemerkte, das wir sie direkt ansahen. Scheinbar verunsichert sie etwas, ein kurzer Blick auf die von mir reparieren Federn und ihr Blick glitt zurück zu uns. Sie holte jene zurück, schnitt sich aber scheinbar an ihnen und ließ sie fallen. Tränen sammelten sich in ihren Augen und aus den kleinen Schnitten in ihrer Handfläche sickerte etwas Blut. Scheinbar waren sie zu fein und gespritzt für sie gewesen. Ich ging einige Schritte auf sie zu doch Rakan hielt mich zurück.
"Bist du Lebensmüde Mielaa? Wir müssen hier hier weg!" sagte er doch ich hatte nur Augen für das kleine Mädchen.
"Luya.." flüsterte ich sanft und die kleine spitze die Ohren, sah mich interessiert an. Konnte es denn wahr sein?

Rakan beobachtete die Situation skeptisch und ich kniete mich auf den Boden um weniger Bedrohlich für sie zu wirken.
"Luya" sagte ich diesmal etwas lauter "ich tu dir nichts meine kleine" fügte ich mit einem warmen Lächeln hinzu und tatsächlich stand sie vorsichtig auf und kam zu mir. Sie sah mir direkt in die Augen, halb neugierig halb ängstlich blickend. Ihr nächster Blick ging zu Rakan der sich weiterhin unruhig umsah und demnach auch nicht gerade freundlich aussah.
"Xayah jetzt lass sie hier und komm, wir sind hier nicht sicher!" Rakan wurde lauter, er war einfach nervös und genervt von mir. Normalerweise war er der gefühlvolle von uns beiden doch in dieser Situation konnte er nicht verstehen, wieso sich das plötzlich änderte. Ich strich Luya ihren Pony bei Seite und ließ meine Hand ihre Wange hinabfahren.
"Wie kannst du nur deine eigene Tochter nicht erkennen.." fragte ich ihn abwesend da ich mich weiter mit Luya beschäftigte. Lange Zeit herrschte eine unangenehme Stille.

"Ich habe mich mit Luya's Tod abgefunden..das solltest du auch Xayah.. Es bringt nichts deine Muttergefühle auf ein dahergelaufenes Mädchen zu übertragen und sie dann für unsere kleine Luya zu halten.." man merkte das es ihm schwer fiel zu reden, vorallem über dieses Thema. Luya's Entführung hatte ihn damals nicht weniger mitgenomme als mich und selbst heute, neun Jahre später verlor er weder ein Wort über sie, noch über diesen Abend. Soraka hatte versucht ihn ein wenig zu heilen damit er nicht mehr so stark litt doch egal was sie versucht hatte, es half nichts. Ich hatte immer bemerkt das es ihn innerlich zerfraß seine Tochter verloren zu haben und ihn Schuldgefühle plagten weil er sie nicht beschützen konnte.
Er hatte sie irgendwann für tot erklärt um ein wenig Frieden für sich selbst zu finden. An ihrem Geburtstag brannte immer eine weiße Kerze für sie. Genau genommen war ihr Geburtstag auch ihr Todestag für Rakan, sie wurde am Abend ihres ersten Geburtstages entführt.

"M-miella..?" fragte sie zögernd und ich sah sie erstaunt an. Sie sah zu Rakan der sie ebenfalls ansah.
"M-mielli..?" fragte sie wieder vorsichtig und nun kam auch Rakan zu uns, kniete sich neben mich und schien langsam zu begreifen, das wirklich seine kleine Luya vor ihm stand. Sie wich einen Schritt vor ihm zurück, er war etwas zu schnell.
"Mi'o tra'de ra" flüsterte er und sie spitze die Ohren, sie kannte diese Worte. Vastaya erinnern sich ab ca einem Monat nach der Geburt bewusst an alles, während es beim Menschen ab dem dritten oder vierten Lebensjahr der Fall ist, das hatte mir Leona einmal erklärt. Das könnte daran liegen, das die Vastaya früh lernen mussten um überleben zu können denn früher zogen sie noch als Nomaden durch die Lande, auf der Suche nach ihrer wahren Heimat. Die alte Vastayanische Sprache verlor langsam an Bedeutung doch von einige wurde sie nach wie vor gepflegt, gesprochen und der jüngeren Generation gelehrt, wie auch Rakan und mir. Wir sprachen es nicht oft aber so oft das wir es nicht verlernten oder einen Teil vergaßen. Rakan hatte Luya oft so genannt, übersetzt bedeutete es so viel wie 'meine kleine Prinzessin'.
"Vi-om tann va'h" sagte ich und sie lächelte.
"Baasi om soura" antwortete sie stolz und kicherte leise. Wir hatten ihr oft von der wilden Magie erzählt, die alles und jede durchströmte und sie antwortete immer, sie würde die Magie zusammen sammeln und auf sie aufpassen, damit sie nie wieder verloren ging oder sie jemand stehlen konnte. Ihr Lächeln zu sehen, ihre Stimme und ihr kichern zu hören waren Balsam für die Seele, es ging ihr demnach gut.
Rakan sah auf, offenbar hatte er etwas gehört.

Ohne zu zögern sah er Luya an und kniete sich noch einmal vor sie, als ob er sie auffordern wollte auf seinen Arm zu kommen. Sie zögerte, schaute unsicher zu mir und ich nickte. Erst nachdem sie sich meine Bestätigung eingeholt hatte, ließ sie sich von Rakan hoch heben und wir liefen so schnell wir konnten zurück zu unserer Hütte die tief im Wald versteckt war. Wir sprangen über Bäche und durch Unterholz. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Sehr Luya sich an Rakan drückte. Sie vertraute ihm scheinbar ein wenig aber die Situation war ihr mehr Feind als Freund. Wenn Rakan auch nur einen Fehler machte, der sie Das Vertrauen zu ihm kostete, war es unmöglich dies wieder zurück zu erlangen. Bei normalen Lhotlan Vastaya Kindern war es nicht so schwer aber wenn man bedachte, das Luya über Jahre von uns getrennt war, sollte es kein Wunder sein. Unser Heim geriet in Sichtweite und als wir angekamen, ließ Rakan Luya runter und sagte ihr, sie solle mit mir schon alles ins Haus gehen. Ich kam kurz nach den beiden an, Luya nahm meine Hand und betrat mit mir die kleine aber gemütliche Hütte aus Holz und Stein.

Sie war bloß mit dem nötigsten mobilisiert, jedoch reichte selbst das aus, denn mehr würde neben der Tatsache das es sonst überladen aussah nicht rein passen. Auf dem Tisch stand ein Blumenstrauß aus wildblumen in einer Vase. Rakan hatte mich heute morgen mit ihm überrascht als ich wach geworden bin. Heute vor genau zwanzig Jahren hatte Rakan mir seine Gefühle gestanden, das war kurz nachdem sich unsere Wege gekreuzt hatten. Seither waren wir nicht nur Weg Gefährten sondern Lebensgefährten, ein Pärchen könnte man es auch nennen und wenn ich heute noch einmal die chance hätte etwas am Geschehen zu ändern würde ich ablehnen denn ich bereue nichts so sehr in meinem leben das ich es ändern wollen würde wobei einige bei meiner Art mit Rakan teilweise umzuspringen denken, er sei der größte Fehler meines Lebens. Manchmal verfluchte ich ihn wirklich weil es Zeiten gibt in denen er unausstehlich ist aber das gibt es in jeder Beziehung, wieso also sollte unsere eine Ausnahme sein?

Ich setzte mich mit Luya auf das kleine Sofa während Rakan immer noch draußen war. Er traute dem plötzlichen auftauchen von Luya scheinbar nicht ganz weswegen er sich zu hundert Prozent vergewissern wollte, das uns auch niemand gefolgt war oder sich jemand draußen rum trieb. Er war besorgt und wollte das wir in Sicherheit sind, jetzt da er seine Tochter wieder bei sich hatte mehr denn je. Luya lehnte sich leicht gegen mich und schaute ziellos aus dem Fenster während ich ihr sanft die Ohren kraulte. Das war eine Schwäche die alle Lhotlan Vastaya Frauen hatten, ihre Berührungsempfindlichen Ohren. In einigen Situationen sehr hilfreich, in anderen dafür eher weniger aber jeder hat mindestens eine schwach Stelle, die so wichtig ist das sie keiner kennen darf außer den engsten vertrauten. Die männlichen Lhotlan blieben davon verschont. Sie haben kleinere Ohren die nicht viel Angriffsfläche boten doch warum es diesen Unterschied gab, konnte niemand erklären. Als langsam die Sonne Unter ging kam Rakan endlich ins Haus und setzte sich seufzend zu uns.
"Ist alles ok..?" fragte ich besorgt und er nickte bloß. Ich wollte ihn vorerst in Ruhe lassen und ihn später noch einmal ansprechen wenn wir unter uns waren. Luya war in der Zeit eingeschlafen und hatte sich an mich gekuschelt.
"Ich kann immer noch nicht glauben, das sie es wirklich ist" flüsterte Rakan und betrachtete sie mit einem Lächeln.
"Ich bin froh das es war ist" entgegnete ich leise und legte meinen Kopf auf seine Schulter.
"Das sind wir beide Miella" hauchte Rakan und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Das Gefühl, endlich als Familie wieder komplett zu sein wahr so wohltuend und durchströmte mich in Form von reinem Glück wie ich es zuvor nur zwei Mal in meinem Leben gespürt hatte.

"Wir sollten uns Hinlegen meine Hübsche, heute war ein anstrengender Tag" schlug Rakan vor und ich nickt.
"Vielleicht hast du recht" sagte ich mit einem gähnen am Ende. Rakan hob Luya vorsichtig hoch und legte sie in die Mitte während wir zwei und neben sie legten sodas sie zwischen uns lag.
Es war komisch nicht direkt neben Rakan zu liegen aber ich würde mich dran gewöhnen, immerhin hatten wir unsere kleine Tochter Luya wieder.
Das verlorene Kind ist wieder zu Hause.

Wenn der Kalte Tod das blühende Leben trifftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt