Kapitel 2

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Mr. und Mrs. Arrogant gingen mir den Rest des Tages nicht mehr aus dem Kopf. Und auch als ich abends im Bett lag und meinen allseits bewährten Vibrator bemühte, konnte ich an nichts anderes denken als an die beiden.

Meine Träume waren unglaublich konfus in der Nacht, aber als ich am nächsten Morgen aufwachte, konnte ich mich partout nicht mehr erinnern, was genau ich geträumt hatte - vielleicht war das auch besser so.

Auch während der Vorlesung drifteten meine Gedanken immer wieder ungewollt zu den beiden und in meinem Schritt breitete sich eine unangenehme Wärme aus. Fast bereute ich es, ihm nicht meine Nummer gegeben zu haben. Andererseits war mir abends im Bett noch aufgefallen, dass ich ihm eigentlich den Freifahrtschein für meinen Rausschmiss in die Hand gedrückt hatte. Wenn er mit meinem Spruch unter dem Kassenbeleg zu meinem Chef ging, wär's das für mich. Nachdem ich den Gedanken eine Weile in meinem Kopf hin und her gedreht hatte, überkam mich eine eigenartige Sicherheit, dass er garantiert nicht zu meinem Chef gehen würde. Keine Ahnung warum, aber ich wusste es einfach. Gleichzeitig ärgerte ich mich tierisch über meinen Stolz. Hätte ich ihm nicht einfach meine Nummer geben können? Und seine Freundin? Welche Rolle spielte sie bei dem Ganzen? Ich hatte ewig keinen Sex mehr und hätte mich auch nicht gerade als Expertin auf dem Gebiet bezeichnet, aber selbst ich lebte nicht unter einem Stein. Ob sie wohl sowas Swinger waren? Partner, die sich gegenseitig mit anderen teilten? Bei dem Gedanken wurde mir ganz anders und ich war plötzlich doch froh, meine Nummer nicht herausgegeben zu haben.

"Ähm, Greta? Hallo?" Erschrocken fuhr ich zusammen. Leises Lachen brach um mich herum aus. Ich wurde natürlich mal wieder knallrot.

"Entschuldige Thorsten, was hast du gesagt?" Ich hatte mich hinreißen lassen und war mitten in meiner Stunde in Tagträume über Mr. und Mrs. Arrogant verfallen.

"Ich wollte nur nochmal wissen, warum das jetzt ein unechtes Unterlassungsdelikt und kein echtes ist. Das habe ich nicht so richtig verstanden." Ich klickte zwei Folien zurück in der Präsentation und versuchte verzweifelt, den gestrigen Tag aus meinem Kopf zu verdrängen.

"Wir prüfen hier ein Unterlassen in Zusammenhang mit einem Totschlag. Dass das Unterlassen, das den Tod eines anderen Menschen zur Folge hat, sanktioniert wird, steht nicht ausdrücklich so im Gesetz, wir prüfen praktisch kombinierend, während zum Beispiel durch den §323, also der unterlassenen Hilfeleistung, explizit normiert ist, dass das strafbar ist." Ich atmete tief durch und gab mein Bestes, mich voll und ganz auf die Erstsemester vor mir zu konzentrieren. Sie waren nur Gäste in einem Restaurant gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Kein Grund, sich so aus der Fassung bringen zu lassen.

Ich musste direkt nach der AG wieder zur Arbeit. Diesmal war ich sogar zwanzig Minuten früher da und lungerte unsicher neben Jannik herum, der meine sprunghafte Laune überhaupt nicht nachvollziehen konnte.

"Was ist denn los mir dir? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen."

"Hm?" Ich hörte ihm gar nicht richtig zu. Wie gebannt ließ ich den Blick durch den Raum schweifen und blieb dabei immer wieder an Tisch sechs hängen, an dem heute zu meinem Bedauern allerdings nur eine Gruppe alter Damen saß. Ich blieb dort stehen, bis mein Chef vorbei kam und mich wegscheuchte, damit ich mich umziehen ging.


Das gleiche Spiel wiederholte ich den Rest der Woche. Immer war ich viel zu früh da, in der Hoffnung die beiden abpassen zu können, doch sie kamen nicht noch einmal. Vermutlich hatte ich es mit meinem Scherz am Ende doch übertrieben, oder sie hatten nie ernsthaftes Interesse an mir gehabt. Am liebsten hätte ich mich für solche Gedanken geohrfeigt. Interesse. Wie klang denn das? Natürlich hatten sie kein Interesse an mir, genauso wenig wie ich eben an ihnen hatte. In den nächsten Tagen zweifelte ich oft, ob ich noch ganz bei Verstand war.

Don't Judge MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt