Kapitel 3

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Kapitel 3

Den ganzen Tag über war ich so aufgeregt, wie das letzte Mal vor meinem allerersten Date. Ich ging viel zu früh duschen und saß dann in meinem Zimmer rum und drehte Däumchen. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen zu lernen, aber daraus wurde aus gegebenem Anlass leider nichts.
Mein Versuch, die Kapitel in meinem Lehrbuch durch zu arbeiten wurde relativ schnell von meinen Gedanken vereitelt, die beharrlich zu Mr. Arrogant zurück wanderten. Seine Art war gleichermaßen unterirdisch respektlos und absolut heiß.
Mein Gehirn konnte sich nicht entscheiden, ob es diesen Mann unglaublich anziehend, oder unglaublich abstoßend finden sollte. Seine selbstsichere, dominante Art war faszinierend und sie entfachte immer wieder aufs Neue ein Feuer in meiner Mitte, andererseits war ich immer sehr stolz darauf gewesen, mir von niemandem etwas sagen zu lassen und ich plante nicht, ausgerechnet für ihn eine Ausnahme zu machen.

Jetzt da ich seinen Namen kannte, versuchte ich, im Internet mehr über ihn herauszufinden. Viel gab es da allerdings nicht. Er hatte keinen Wikipedia-Eintrag und keine eigene Website. Zunächst wurde ich auf eine Menge Einladungen zu Vorträgen an meiner Uni aus den letzten Jahren verwiesen, dann auf einen Zeitungsartikel, in dem es von einem seiner Prozesse handelte und schließlich auf seine Promotion - er hatte, wie ich es mir gedacht hatte, im Privatrecht promoviert. Aber davon mal abgesehen blieb der Mann ein absolutes Mysterium. Erst recht erwähnte keine dieser Seiten eine Freundin auf irgendeine Art und Weise. Ob sie wohl von dieser Einladung zum Abendessen wusste? Das setzte ich ganz oben auf die Liste der Dinge, die ich ihn heute Abend auf jeden Fall fragen musste.

Nach dem Duschen stand ich vor meinem Kleiderschrank und rang mit mir selbst. In der einen Hand hielt ich das Höschen, das er mir hatte zukommen lassen und in der anderen Hand eine bequeme weiße Unterhose, mit dem Schriftzug "Speak friend and enter" auf dem Venushügel und einer Zeichnung des Tors nach Moria darunter. Mit einem Seufzen entschied ich mich für die sexy Unterwäsche. Zum einen sprach Vieles dafür, ihm das was er nicht haben konnte unter die Nase zu reiben und auf der anderen Seite würde ich den Verlust einer weiteren Unterhose bestimmt nicht verschmerzen. Mit gemischten Gefühlen schlüpfte ich also in das unbequeme Teil und wenn ich es schon mal trug konnte ich auch gleich etwas Enges anziehen.
Kopfüber tauchte ich in meinen Schrank, bis ich ein dunkelblaues Cocktailkleid fand. Es endete knapp über den Knien und war damit nicht sonderlich konservativ, aber auch noch nicht aufreizend. Ansonsten war es sehr schlicht. Einheitliche Farbe, einheitlicher Stoff. Ich hatte mich bei meiner Recherche im Internet auch über das Restaurant informiert und war zu dem Schluss gekommen, dass ein zwangloses Abendkleid keinesfalls Fehl am Platz wäre.
Dazu zog ich schwarze Pumps an und legte mehr Make-Up auf als ich sonst trug.
Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich immer noch über eine Stunde Zeit hatte. Von mir und meiner Ungeduld genervt, ließ ich mich aufs Bett fallen und begann, Sekunden zu zählen.


Die Blicke die ich im Bus bekam waren absolut widerlich. Die streng nach Alkohol, Zigaretten und Ungewaschenheit riechenden Männer stierten auf meine Beine, als hätten sie noch nie welche gesehen. Ich bemühte mich, trotzdem in aufrechter Haltung mit Kinn raus und Schultern zurück stehen zu bleiben und die anderen einfach zu ignorieren, aber das war gar nicht so einfach. Nicht zum ersten Mal wünschte ich mir, ein Auto zu haben. Leider war ich nur Studentin und hätte mir die Versicherung nie im Leben leisten können. Vor allem jetzt nicht, da ich keinen Job mehr hatte. Mental machte ich eine Notiz, dass ich morgen definitiv online nach Stellenanzeigen suchen musste. Am liebsten hätte ich nicht wieder gekellnert, aber ich wusste nicht, was man sonst noch so machen könnte. Vielleicht irgendwo an der Kasse, oder Regale einräumen oder so?
Von der Bushaltestelle zum Restaurant war es ein ganzes Stückchen zu Fuß und ich ging im Eilschritt, da es aussah, als würde es mal wieder jeden Moment anfangen zu regnen. Ich liebte das deutsche Wetter. Nicht.

Das letzte Mal war ich zu meiner Konfirmation in einem so schicken Restaurant. Kaum war ich durch die Tür getreten, eilte auch schon ein Mann im Anzug auf mich zu und fragte, ob er meine Jacke nehmen dürfe. Ich gab sie ihm gerne, zumal ich auf diese Weise noch mehr Zeit hatte, mich im Restaurant umzuschauen. Der Großteil der Tische war besetzt und ich war erleichtert, dass ich keinesfalls overdressed zu sein schien. Die meisten der anwesenden Frauen trugen Kleider oder Röcke, einige wenige eine Hose mit einer schicken Bluse. Die Männer waren ausnahmslos im Hemd oder sogar im Anzug da.

Don't Judge MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt