Prolog

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Januar 1670- Am einunzwanzigsten Tag des neuen Jahres herrsche in der Provinz um Moskau ein schrecklicher Schneestum. Die Kälte kroch tief in die Häuser hinein, selbst das Feuer, dass nun in jedem Haus brannte, kam nicht gegen die klirrende Kälte an. Kein lebendes Wesen wagte sich bei dieser Kälte aus seinem schützenden Unterschlupf. So schien die Welt ausgestorben und still, bis auf das laute Heulen der Sturmes und das Knacken der Äste im Wald, wenn sie der Last des Schnees nachgaben.
Mitten im hohen Schnee, klein und verloren, kauerte ein Mann hinter einer schützenden Schneewehe. Niemand ging bei einem solchen Wetter freiwillig hinaus und niemand schickte jemanden hinaus. Niemand außer der verzweifelte Zar, der es auch selbst getan hätte um seinen Sohn zu retten. Der sonst immer gesunde Trohnfolger war ganz plötzlich, schlimm erkrankt. Es hatte mit einer leichten Erkältung angefangen, doch nun war es schon so weit dass selbst der Stadtmedicus nicht mehr weiter wusste. Die letzte Hoffnung war ein Mittel was es bei einem Wunderheiler, der in der ländlichen Region um Moskau wohnte, geben sollte. Seit Stunden war der Bote nun schon unterwegs, doch wenn er nun weiterging würde er bei lebendigen Leibe erfrieren. Er würde hinter der schützenden Schneewehe warten müssen bis der schneiden Wind sich legte, doch so ein Sturm konnte Tage dauern. Würde es dann schon zu spät sein? 

Im Zimmer des Zarewitsch war es dunkel, stickig und warm. Es glich einer Höhle in die sich ein krankes Tier zum sterben zurückgezogen hatte. Oft kamen Diener herein brachten frisches Wasser, oder neue Leinen Tücher. Der Medicus saß auf einem Stuhl neben dem großen Bett und betrachtete verschiedene Flüssigkeiten die in kleine Behältnisse gefüllt worden waren. Nach einer Weile tauchte er eines der neuen Leinentücher in einen Kübel der eine streng riechende Flüssigkeit enthielt. Er legte dem im Bett liegenden Jungen das Tuch auf die Stirn, dann schickte er alle noch anwesenden Diener fort. Es sah schlecht aus für den Sohn in den der Zar so viel Hoffnung gesteckt hatte. Lange sah der Medicus auf das schweißüberströmte Gesicht des Sechzehnjährigen. Seine Augen zuckten unruhig unter den Liedern hin und her und ab und zu zuckte sein ganzer Körper, oder er murmelte irgendetwas. 

Seuftzend verließ der Medicus den Raum. Was würde im drohen wenn er versagte? Wenn er es nicht schaffte den Thronfolger zu retten? Oft kam es vor dass der Zar nach Willkür und Belieben waltete und richtete. Da konnte es durch aus vorkommen, dass der Medicus seinen Status als Stadtmedicus verlor. Und das wäre noch das kleinste Übel. Der Medicus schauderte bei dem Gedanken das er seinen Kopf verlieren könnte. Genau in dem Moment kam ihm der Zar entgegen. Ängstlich verkrampfte sich der Medicus, dennoch war er der Erste der sprach. Nach einer Verbeugung berichtete er von der Lage. "Es sieht nicht gut auf für ihren Sohn, mein Zar." Nervös wischte er sich den Schweiß von der Stirn. "Das Fieber möchte einfach nicht sinken und wir können ihn nicht noch einmal in Eiswasser baden. Das wäre wahrscheinlich tödlich für ihn." Der Zar nickte bedächtig und schwieg, was den Medicus nur umso nervöser werden ließ.  Nach einer Weile brach der Zar das schweigen. "Du kannst also nichts mehr tun." Seine tiefe Stimme klang ruhig und bedächtig. "Ich fürchte, ..." Der Medicus nestelte nervös an seinem teuren Anzug. "ich fürchte, ja , mein Zar. Nun kann ihm nur noch Gott allein helfen." 

Der Zar nickte bedächtig. "Wird es der Bote rechtzeitig schaffen?" 

Der Medicus atmete tief durch. "Es sieht schwierig aus. Es müsste in den nächsten Stunden hier wieder auftauchen. Doch selbst wenn der dies schafft, wissen wir nicht ob der Heiler dann viel mehr ausrichten kann." Der Medicus hasste diesen Wunderheiler, wie sie ihn nannten. Er benutzte sehr fragwürdige Mittel, die seiner Ansicht Hexerei und Gottes Lästerung gleich kamen. Außerdem war er nicht unbeachtbare Konkurrenz. Da er seine Mittel sehr billig anbot, gingen viele, auch besser Verdienende zu ihm. Doch in einem war sich der Medicus sicher, auch der Heiler, egal welche Hexerei er nutze, er würde den jungen Thronfolger auch nicht mehr retten können. Es war zu spät. 

Der Zar sah den Medicus eindringlich an. "Also kann man nichts mehr tun?" Vergewisserte er sich. Seine Stimme war immer noch ruhig, doch in seinen Augen funkelte etwas was den Medicus in Schrecken versetzte. 

Schnell schluckte der Medicus seine Angst hinunter. "Nur beten Herr, nur beten." 

Wieder nickte der Zar. "Gut. Geh! Aber bleib in Reichweite falls man dich dennoch braucht." Gleich nach diesen Worten ging der Zar am Medicus vorbei und verschwand im Zimmer seines Sohnes. 

Noch am Abend des einundzwanzigsten Tages starb Alexei. Der Tod des Jungen traf den Zaren schwer. Obwohl seine Stimme weiterhin ruhig blieb und seine Augen trocken hüllte er sich in eine Wolke aus Trauer über die er erst ein Jahr später vollständig hinweg kam. 

Mit dem Tod des Thronfolgers blieben dem Zaren nur noch zwei männliche Nachkommen, wobei beide schwach und kränklich waren. 

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Zarewitsch = sohn eines Zaren, Thronfolger

Die Söhne des Zaren Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt