06.September. 1676

Mit einer Mischung aus Stauen und Verzweiflung sah sich Iwan um. Alles war neu. Die kleinen Häuser, die dicht gedrängt zusammenstanden. Der Dreck in den Rinnen der Gassen. Die Menschen, die eilig hin und her liefen. Alles war neu. Ewig lief Iwan nun schon durch die verwinkelten Gassen und Straßen. Einmal schon war er jemanden aufgefallen. Erst da hatte der Junge mitbekommen, dass er in seiner Kleidung hier auffiel. Während seine Kleidung, sauber, teuer und gut gearbeitet war, hatten die Meisten auf der Straße dreckige und einfach gearbeitete Sachen an. Natürlich, dachte sich Iwan, die waren zum Arbeiten fiel praktischer.  
Er war vorsichtiger geworden und mied nun große Straßen. Doch die Kleidung war nicht sein größtes Problem, langsam begann es zu dämmern und Iwan hatte nicht die geringste Ahnung wie er zurück zum Palast fand. Er war auf dem Hinweg so schnell gelaufen, dass ihm nicht aufgefallen war wo lang er gegangen war. 
Einsam lief der Junge umher. Manche Gassen wurden bereits von tiefen Schatten verdunkelt. Und Angst keimte in Iwan auf. Ratten huschten durch die Gassen. Fenster gingen auf und Nachttöpfe wurden ausgekippt. Gerade als Iwan um eine nächste Ecke bog hörte er ein Geräusch hinter sich. Als er sich umwand war jedoch niemand da. Eine Weile verharrte Iwan still und lauschte. Doch es war nichts zu hören außer der Wind der die Häuserwände entlang strich. Noch ängstlicher als zuvor ging Iwan weiter. Nun hörte er wieder etwas hinter sich. Es waren Schritte, die da hinter ihm auf dem Pflaster der Straße entstanden und an den Wänden der Häuser wieder hallten.  Iwan beschleunigte sein Schritte und bog spontan ab. Doch er kam nicht weit. Vor ihm stand breitbeinig ein kräftiger Junge. Er sah dreckig aus und stank nach Schweiß. Seine Hose war durchlöchert und schon mehrmals geflickt worden. Sein Oberteil hatte keine Ärmel. Es sah aus als hätte er sich ein großes Stück Stoff um den Bauch gewickelt. Seine Arme waren von Narben übersät und im Gesicht hatte er blaue Flecken, wie von einer Schlägerei. 
Der Junge schenkte Iwan ein hämisches Grinsen. "Wen haben wir denn da? Woher kommst du denn? Hast du dich etwas verirrt?" 
Iwan wand sich um, doch hinter ihm versprerrte ihm sein Verfolger den Weg. Er war lang und dünn, sah eben so dreckig aus wie der andere und funkelte Iwan bedrohlich an. 
Hektisch sah sich Iwan um. Er sah keinen Ausweg, dennoch versuchte er aus der Situation zu entkommen. Er rannte zu gegenüberliegenden Hauswand und dann an dieser Entlang in Richtug des Dicken. Schnelle versuchte Iwan an ihm vorbei zu kommen, doch dieser wartete schon aus ihn. Er packte ihn an der Schulter und drückte ihn gegen die Wand. Sein grinsen war noch breiter geworden. "Ah du willst spielen. Na dann..." 
Der Dicke stieß Iwan von sich, sodass er fiel und durch den Matsch in der Gasse zum Dünnen hinüber schlitterte. Dieser sah von oben auf ihn herab. "Na, los, mach schon. Steh auf." forderte er Iwan auf. 
Langsam folgte Iwan der Anweisung und versuchte sich währenddessen weiter von ihm weg zu bewegen. Als er sich aufgerichtet hatte und einen Schritt nach hinten machen wollte, stieß er gegen den Dicken, der herangekommen war und Iwan nun von hinten festhielt. "Feine Sachen hast du da an." flüsterte er Iwan von hinten direkt ins Ohr. Der Dünne lehnte sich zu Iwan vor. In seiner Hand blitzte etwas auf und Iwan erkannte, dass es ein Messer war. "So, und nun..." der Dünne richtete das Messer auf Iwans Brust. "Was hast du denn für uns." Iwan schwieg und sah dem Jungen vor ihm ihn die Augen. 
"Kannst du nicht sprechen, oder was?" Der Dicke schüttelte ihn, sodass er fast in das Messer vor ihm fiel. 
Der Dünne lächelte. "Nein, ich glaube unser Kleiner hat Angst." Er trat einen Schritt zurück, dann sprach er zu seinem Komplizen. "Von dem kann man nicht viel erwarten, von der Kleidung mal angesehen." 
"Du meinst er hat kein Geld?" Der Dicke schüttelte Iwan wieder. 
"Am Anfang sah es vielversprechend aus, aber jetzt... Sieh ihn dir doch mal an. Der Kleine hat sich einfach nur verirrt." 
"Aber er spielt doch sicher gern." Die beiden Jungen grinsten sich an. "Sicher." 
Dann liefen sie auf einmal los und zogen Iwan hinter sich her. Während sie ihn immer weiter durch die Gassen zerrten überlegte sich Iwan ob es für ihn irgendeine Möglichkeit gab zu entkommen. Doch seine Chancen waren verschwindend gering. Die beiden waren größer und stärker und kannten sich in den Straßen von Moskau aus. 
Plötzlich blieben sie stehen, sodass Iwan gegen den Dicken stieß. Die Jungen raunten sich etwas zu und las Stimmen zu hören waren und eine Gruppe von Frauen aus einem Haus kam, sprangen sie schnell in eine enge Seitengasse. Der Dicke drückte Iwan auf den Boden. Die Frauen standen noch immer draußen vor dem Haus und redeten. 
Iwans Entführer raunten sich gegenseitig etwas zu und Iwan glaubte das Wort Mutter zu verstehe, was ihn innerlich grinsen lies. So strak wie die zwei vor kleineren taten, vor ihrer Mutter  knickten sie ein. 
Der Griff des Dicken lockerte sich und in Iwan keimte eine Idee. 
Die Stimmen der Frauen wurde leiser und die Straße wieder ruhig. Da riss sich Iwan los. Er schlüpfte aus seiner Jacke und rannte auf die Straße hinaus. Sofort erhoben sich die Jungen hinter ihm und brüllten verärgert. Iwan rannte schnell, doch weit kam er nicht. Er rutschte aus und viel an einer Hauswand entlang in einen großen Berg aus Exkrementen und Schmutz. Mühsam richtete sich Iwan wieder auf. Das schallende Lachen der beiden Jungs hallte durch die Straße. "Das passiert wenn du versuchst uns zu entkommen." Die beiden standen direkt vor ihm. "Und weißt du was." Der Dicke packte Iwan erneut und hob ihn etwas hoch. "Dafür, dass du versucht hast wegzulaufen, darfst du gleich noch mal da rein fallen." 
Es stank fürchterlich und die Welt wurde erneut schwarz, als Iwan in den Berg aus Exkrementen und Dreck gedrückt wurde. Abscheu, Wut und Ekel regten sich in ihm, und entfesselten neue Kräfte. Iwan drückte sich an der Wand ab und schaffte es auf das Pflaster der Straße. Eine Hand griff nach ihm, doch er wich aus und krabbelte blind über die Straße. Doch schon wieder kam er nicht weit. Durch einen Tritt fiel er wieder flach auf den Boden. Als Iwan wieder etwas sehen konnte, tauchten die Gesichter der beiden Jungen vor seinem Blickfeld auf. Sie sagten etwas, doch Iwan konnte es nicht verstehen. Er wünschte sich zurück in das Schloss. Er wünschte er wäre nie hinausgegangen. Irgendjemand hatte seine Abwesenheit sicher schon bemerkt. Alle würden ihn suchen und jede Minute, die ma ihn nicht fand wurde Sofia wütender. 

Schmerz riss ihn zurück in die Realität. Es wurde auf ihn eingetreten. Immer wieder beute sich einer der beiden Jungen zu ihm hinunter und sagte irgendetwas. Ihre Stimmen waren laut und hallten die Straße entlang, dennoch verstand Iwan kein Wort. Ein Schleier legte sich ums ihn die Welt vor ihm verschwamm zu einem Spiel aus Licht und Farbe. Der beißende Geruch, vor dem er sich bi eben noch geekelt hatte, war nun nicht mehr wichtig. Ganz langsam wurde die Welt schwarz, während das Blut durch seine Adern rauschte. 
Ganz plötzlich, drangen andere Geräusche in Iwans Ohren und von dort durch den Nebel, bis in sein Bewusstsein. Eine andere Stimme rief etwas. Dann war ruhe. Iwan lag einige Minuten regungslos da. Dann verschwand der Nebel langsam und er bemerkte, dass die Tritte aufgehört hatten. Die Welt kam zu ihm zurück und mit ihr eine andere Stimme. 
"Na komm schon steh auf. Oder haben sie dich bewusstlich geschlagen." 
Es war die Stimme einer Frau. 
Langsam richtete Iwan sich auf. "Na also. Geht doch!"  Schmerz fuhr durch Iwans Körper. Doch er schaffte es groben Dreck  sich vom Gesicht zu streifen und zu der Frau aufzusehen. Sie war dicklich und schnaufte. "Du siehst ja aus!" sagte sie Frau mehr zu sich selbst. 

Die Söhne des Zaren Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt