6 Zahmer Vogel

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Der Weg wurde schmaler und links ging es steil bergab. Unten war ein Bach, der friedlich dahin plätscherte.

Vona bestaunte wieder den Wald und sah sich verzückt um. Ringsum standen alte Buchen und Eichen, sie waren mit Efeu überwuchert und manche Äste sahen aus, wie knorrige Mänchen.

,,Wo gehen wir jetzt hin?" fragte sie ganz verzückt.
,,Wir gehen nach Granichberg."
,,wie weit ist das?"
,,Wir gehen ungefähr bis Mittag."antwortete Ricu und  Vona nickte daraufhin dankbar. Die letzten zwei tage waren sehr anstrengend und Vona vermisste bereits ihr eigenes Bett.

Sie redeten über dieses und jenes und nach einiger Zeit kam ein Berg mit Häusern in Sicht.

Vona blieb wieder stehen und sagte zu Ricu: ,,Bitte sag mir, dass wir da nicht hoch müssen!?"
Ricu lächelte und nickte. ,,Doch. Genau dahin gehen wir. Aber glaub mir, du bist schneller oben als du denkst."

Sie sah ihn fragend an, doch er ging unbeirrt weiter.
Die beiden standen am Fuß des Berges und Vona sah, dass Ricu den Berg etwas trübsehlich ansah.

Was man aus der Ferne nicht sehen konnte, war, dass es außen am Berg eine art Flaschenzug gab, der die Menschen nach oben transportierte.

Es war eine Kabine aus Holz,darin befand sich eine art Bank und eine Kurbel,mit der man die Kabine nach oben transportirte.
Die beiden stiegen ein und kurbelten sich den Berg hoch.

Es war anstrengend, aber das musste Vona Ricu lassen; sie waren schneller oben als zu Fuß.
Oben angekommen konnten die beiden eine grandiose Aussicht geniessen.

,,Ist das da hinten Krein?"
Ricu bejahte und Vona sah sich weiter verzückt um.
Sie sah die Vögel am Himmel fliegen und sie beneidete sie im Stillen. Sie liebte es, den Wind zu spüren, die Freiheit zu geniesen, überall hin zu können, wohin man will.

Ricu bemerkte, dass sie ihren Blick gen Himmel hatte und fragte neugierig: ,,Wenn du dich in ein Tier verwandeln könntest? welches wäre das?"

Vona zuckte leicht zusammen bei seiner Frage, aber sie beruhigte sich damit, dass sie zu sich selber sagte, das er nichts wissen konnte.
,,Ich glaube, ich wäre eine Dohle. Die haben tolle Augen und sind sehr clever. Außerdem sind sie frei und können dahin, wo sie hin wollen.

Oder vieleicht auch ein Falke. Du?"
,,Ich glaube Hund. Man hat Fell gegen die Kälte und jeder mag einen, solange man nicht nervt."

Die beiden lachten und wieder einmal vergaß Vona alles um sich herum.
Ricu hatte ihr den Rücken zugewandt und war ein stück weg  auf eine Terasse gegangen.

Sie dachte nicht nach, sondern breitete die Arme aus und schlug eine Sekunde später die schwarzen glänzenden Flügel zusammen.
Hier oben sieht mich schon niemand.

Sie flog eine Runde über dem Berg und flog dann in die Richtung, in die ihr neuer Freund gegangen war.
Er stand auf einer Terasse und sah in den Himmel.

Sie setzte sich direkt neben ihm auf die Brüstung und sah ihn aus diesen cleveren blauen Augen an.
Er lächelte den Vogel an und sagte zu sich: ,,Wenn Vona das säh, würde sie sich bestimmt über den Anblick freuen."

Er streckte seinen Arm aus und der Vogel hüpfte zu ihm, nur dass er keine Ahnung hatte, wer der Vogel war. Sie schmiegte ihren Kopf in seine Hand und jetzt grinste er. ,,Wie zutraulich du doch bist. Hast du einen Besitzer?"
Sie schüttelte den kopf und flog davon.

Vona landete wieder auf dem Plateau und ging nach ihrer Verwandlung wieder zu Ricu.
Er sah immer noch in die Ferne. ,,Hier bin ich Geboren." Trauer schwang unüberhörbar in seiner Stimme mit. ,,Da drüben, in dem Haus haben wir gewohnt."

Er zeigte auf ein Haus, das etwas tiefer am Hang lag. ,,Ich hab hier gewohnt bis meine Eltern starben".
,,Woher wusstest du, dass ich hier bin"?
,,Dein Schatten", sagte er, ohne sich umzudrehen.

Piraten Blut (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt