Prolog

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»Es war zu einer Zeit, als wir alle am wenigsten damit rechneten. Als hätte überhaupt jemand damit rechnen können. Die ersten Begabten erreichten unsere Stadt vor circa vier Monaten und das einzige was davon übrig geblieben ist, nachdem der Krieg über unsere Heimat herzog, war nichts weiteres als die jeweiligen Fragmente einer Stadt. Es gab kein Haus, keinen Menschen, kein kleines Kind, was inmitten dieser Stadt überlebte. Das einzige was davon geblieben ist, ist die grausame Erinnerung an Massenmorden und Krieg.«
»Aber warum haben die Begabten mit dem Krieg begonnen? Welchen Grund hatten sie?«, fragte seine kleine Enkelin und rutschte ein wenig weiter zu ihm hinüber.

»Sie hatten keinen Grund und sie brauchten nie einen Grund für das was sie taten. Sie sind anders als wir. Sie fühlen nicht so wie wir und leben anders als wir. Lediglich ihre Erscheinung, ihr Äußeres, unterscheidet sich nicht von uns. Denk daran, solltest du jemals einer solchen Kreatur begegnen. Zögere keinen Moment und hoffe nicht auf das Gute, was du zu sehen glaubst. Denn ich kann dir sagen, dass es nicht existiert.«

»Aber was ist eigentlich, wenn ...«

»Kein wenn und aber meine Kleine«, unterbrach er sie leise. »Du weißt wir müssen alle akzeptieren was geschehen ist. Nicht nur dir fällt das schwer, sondern uns allen. Das einzige was wir noch tun können ist für unsere übrig gebliebende Familie zu sorgen. Ich denke, dass auch Großmutter das so gewollt hätte.«

Bei seinen Worten weiteten sich die Augen des kleinen Mädchens, doch ihre einst so glänzenden Augen verfielen in Kummer. Ihr Großvater strich behutsam über ihre rotbraunen Haare. Er wusste, dass sie über etwas nachdachte, was ihr anscheindend zu Denken bereitete.

»Mama hatte mir vor einiger Zeit ein Buch gegeben, was sie selbst schon früher gelesen hatte«, fing sie leise an, unterlegt von der bitteren Verzweiflung, die in ihrer Stimme lag.
»War die Welt wirklich so schön, wie es dort geschrieben steht?« Bei ihren Worten huschte ein kleines Grinsen über sein Gesicht. Ein kleiner Funke, der sich in seiner Erzählung wiederspiegelte.

»Ja, das war sie. Stell dir weites Land vor, auf dem du den goldenen Glanz des Getreides bewundern konntest, der von der Sonne am Himmel zu reflektieren schien. Das Gezwitscher der Vögel, die dich am Morgen weckten und dich den ganzen Tag bis zur Abend Dämmerung begleiteten. Die Blumenvielvalt, die Farbpracht auf der sich im Sommer Schmetterlinge, Bienen und Libellen sammelten und um dich herumflogen, während der anhaltenden Duft der Blumen in der Luft lag. All das sind keine ausgedachten Geschichten, sondern es ist eine übrig gebliebene Erinnerung an die Welt, in der wir einst lebten.« Er schaute zu seiner Ekelin herunter, der langsam eine vereinzelte Träne über ihre Wange lief und ihn mit rot unterlaufenden Augen ausdruckslos anschaute. Mit einem seiner Finger wischte er ihr die Träne weg und zog sie auf seinen Schoß.

»Denkst du, dass es sich lohnen würde dafür einmal zu kämpfen?«, fragte sie leise wimmernd. Ihr Großvater nickte ihr nur langsam zu.

»Die Schönheit der Natur war für uns immer eine Selbstverständlichkeit und jetzt wo wir sie verloren haben, merken wir erst, was für ein unverzichtbares Geschenk sie war und wie wenig wir sie wertgeschätzt haben.« Seine Ekelin nickte ihm kaum wahrnehmbar zu und stützte sich von seinem Schoß langsam ab.

»Möchtest du ins Bett gehen?«
Erneut nickte sie ohne, dass ein Laut über ihre vollen Lippen an die Oberfläche trat. Sie streckte beide Arme zu ihrem Großvater auf, der sie mit aller Kraft aus dem kleinen Wohnzimmer ins Schlafzimmer nebenan trug. Der Holzboden knarrte bei jedem einzelnen Schritt den er setzte. Als er am Bett stand ließ er sie langsam aus seinen Armen gleiten. »Schlaf gut meine Kleine.« Er wandte sich zur Lampe an der Decke und drehte die Glühbirne einige male, die ihr m strahlendes Licht über die Wände ergoss, bis es plötzlich schwand. Finsterste Schwärze breitete sich aus. Doch in dem Moment, wo er fast ihr kleines Zimmer verließ hörte er nochmal die vertraute Stimme seiner Ekelin.

»Großvater? Warum haben die Magier uns noch nicht gefunden? Wir leben doch in der Nähe der Stadt.«

Ihr Großvater hielt einen Moment inne und blickte fürsorglich zu ihr herab.

»Wir haben etwas was sie nicht haben.«

»Und was ist das?«, fragte sie ihn erwartungsvoll.

»Einen kleinen Schutzengel mit rotbraunem Haar, der uns täglich daran erinnert, warum wir leben.«

Kampf um KredonienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt