Kapitel 1 | Der neue Job

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Nervös strich Holly das schwarze Kostüm glatt, das sich beim Laufen bis über beide Knie hochzog. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie spät dran war.

„Mist", murmelte sie halblaut und beschleunigte ihren Gang. Die hohen schwarzen Absätze klackten unerbittlich auf dem teuren Marmorboden, als Holly den Flur des schicken Londoner Hotels entlang hastete. Warum hatte sie bloß die Nummer des Sitzungsraums nicht aufgeschrieben? Sie seufzte. Es sah ihr wieder einmal ähnlich, das erste Treffen mit dem potenziellen neuen Arbeitgeber gründlich zu vermasseln.

H308. Aus dem Augenwinkel registrierte sie die schwarzen Ziffern. Das war das Zimmer! Halt! Holly kam so abrupt zum Stehen, dass sie ins Schwanken geriet. Mit einem absolut lächerlich aussehenden Ausfallschritt und ausgestreckten Armen versuchte sie einen Sturz zu verhindern.

„Knack!" Nein! Holly sah entgeistert an ihrem rechten Bein hinunter auf ihren schwarzen Stiletto und schluckte. Der Absatz war gebrochen. „Warum?", die junge Frau stöhnte auf und blickte theatralisch Richtung Himmel. Sie schielte auf ihre Armbanduhr. Bereits zehn Minuten zu spät. Ihr blieb keine andere Wahl. Holly stopfte den abgebrochenen Absatz in ihre Handtasche und richtete sich auf. Mit einer schnellen Bewegung fuhr sie sich durch das lange rotblonde Haar und atmete tief ein und aus. „Los geht's!"

Das Klopfen war kaum hörbar und Holly war überrascht, als bereits Sekunden später die Tür von innen aufgerissen wurde. Ein dunkelhaariger junger Mann mit Hornbrille schaute sie fragend an.

„Ms. Clark?" Seine Stimme klang ungehalten.

„Ja, das bin ich", Holly setzte ein entschuldigendes Lächeln auf. „Es tut mir sehr leid, dass ich zu spät bin. Es sieht mit eigentlich gar nicht ähnlich", log sie und deutete etwas hilflos auf ihren rechten Schuh. Der Mann folgte ihrem Blick und räusperte sich geräuschvoll, während er in irgendwelchen Unterlagen blätterte.

„Ah ja", sagte er und hob vielsagend die Augenbraue. „Natürlich. Kommen Sie herein. Mr. Williams wird gleich hier sein." Eine Welle der Erleichterung durchfuhr Holly. Mr. Williams, ihr potenzieller neuer Arbeitgeber, war also noch gar nicht da! Vielleicht gab es doch einen Gott. Ohne ein weiteres Wort bedeutete der Dunkelhaarige ihr, auf der riesigen, braunen Ledercouch am Fenster Platz zu nehmen, bevor er durch eine Zwischentür in ein angrenzendes Zimmer verschwand.

„Wow, das war merkwürdig", dachte Holly, die sich anstrengte, eine halbwegs grazile Sitzhaltung einzunehmen. Warum zum Teufel hatte sie bloß den engen Bleistiftrock angezogen? Sie kämpfte einige Sekunden um eine einigermaßen würdevolle und feminine Haltung, bevor sie schließlich resignierte. Schlussendlich legte Holly ihre geschlossenen Beine leicht zur Seite und faltete ihre Hände in den Schoß.

Gerade als sie ihren rechten Fuß hinter den linken geschoben hatte, um den kaputten Absatz zu verstecken, wurde die Zwischentür schwungvoll aufgestoßen und ein großgewachsener, schlanker Mann betrat den Raum, Ein breites Lächeln umspielte seine schmalen Lippen, als er mit ausgestreckter Hand auf Holly zukam.

„Ms. Clark, es freut mich sehr sie kennenzulernen. Die Verspätung tut mir leid. Ich hoffe, Luke hat Ihnen etwas zu trinken angeboten?" Seine Stimme war sanft, aber bestimmt.

Holly saß wie erstarrt auf dem Sofa und blickte ihren Gegenüber mit leeren Augen an. Sie ließ ihren Blick an seinem dunkelblauen Gucci-Anzug hinaufgleiten, besah sich die dunkelblonden Haare, die etwas widerspenstig vom Kopf abstanden, sodass er immer wieder mit der Hand hindurch fahren musste. Die weißen, geraden Zähne blitzen hervor, als er sie etwas fragte und die kleinen Lachfältchen um seine blauen Augen wurden größer, während er auf ihre Antwort wartete. Holly hörte nichts außer dem Rauschen in ihren Ohren.

Schatten der Vergangenheit [Tom Hiddleston] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt