Schatten der Vergangenheit [Tom Hiddleston]

Kapitel 11 | Zuhause auf Zeit

Es war früher Abend, als die Maschine nach gut elf Stunden Flugzeit in Los Angeles landete. Grace war überrascht, wie frei und unbeschwert sie sich nach der Aussprache mit Tom fühlte. Auch wenn viele ihrer dunklen Geheimnisse vorerst ungelüftet blieben und der Schmerz der letzten fünfzehn Jahre weiterhin tief saß, so spürte sie doch, dass das unsichtbare Band, welches Tom und sie all die Jahre miteinander verbunden hatte, noch existierte.

Es war als hätten die Geständnisse eine imaginäre Mauer in ihren Köpfen eingerissen und obwohl man Tom seine Besorgnis ansehen konnte, so bemühte er sich doch gute Mine zum bösen Spiel zu machen. Er würde Grace nicht unter Druck setzen, ihm ihre dunkle Vergangenheit anzuvertrauen, jedoch – und dessen war sich Grace ebenfalls bewusst – würde er das Thema auch nicht auf sich beruhen lassen. Sie wusste, dass sie ihm irgendwann die ganze Wahrheit erzählen musste.

Grace bemerkte schnell, dass Zeit keine Rolle spielte, wenn sie mit Tom zusammen war. Diesbezüglich hatte sich also in den Jahren seiner Abwesenheit nichts geändert. Die Minuten vergingen im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug, während die beiden angeregt über alte Zeiten sprachen. Grace musste unweigerlich feststellen, dass sich Tom so gut wie gar nicht verändert hatte. Er lachte noch immer über dieselben albernen Witze, gestikulierte wie damals wild mit den Händen, wenn er eine besonders emotionale Geschichte erzählte und hörte ihr stets so aufrichtig interessiert zu, wenn sie sprach, dass Grace sogar etwas rot wurde. Sie war es schlichtweg nicht gewohnt, dass ein Mann ihr derart viel Aufmerksamkeit entgegenbrachte. Das Gefühl war unglaublich verwirrend und wunderschön zugleich.

Die letzten fünf Stunden des Fluges war Grace in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen, aus dem sie nun ausgeruht und ungewohnt gut gelaunt erwachte.

„Guten Morgen, Schlafmütze", witzelte Tom und hielt ihr einen dampfenden Becher Kaffee unter die Nase.

„Guten Morgen", gähnte Grace und streckte geräuschvoll die Arme von sich, um das letzte Bisschen Schlaf aus ihren Gliedern zu schütteln. Beim Anblick ihres Gegenübers seufzte sie kurz auf. Warum sah Tom nur schon wieder so unverschämt attraktiv aus? Sie hatten gerade elf Stunden in einem verdammten Flugzeug verbracht und er wirkte noch perfekter als am Tag zuvor – wenn das überhaupt möglich war.

„Danke", krächzte Grace und nahm dankbar den heißen Kaffee entgegen. Sie selbst machte wahrscheinlich gerade eher einem Zombie Konkurrenz. Shit!

„Gut geschlafen?", Tom ließ sich auf den Sitz neben ihr fallen und streckte seine langen Beine aus, während er an seinem Kaffee nippte.

„Tatsächlich habe ich das", erwiderte Grace lächelnd und klemmte sich eine rotblonde wirre Strähne hinter das Ohr. Wahrscheinlich musterte sie ihn eine Spur zu auffällig, während sie ihren Kaffee trank, doch das war ihr egal. Sein schwarzes Langarmshirt kannte sie bereits, es war das Gleiche, das er an dem Abend in ihrer Wohnung getragen hatte. Die schwarze Brille, die Tom trug, sorgte abermals für ein verräterisches Kribbeln in ihrem Unterleib. Schnell schlug Grace die Beine übereinander und grinste ihn an.

„Hast du deinen Rasierer vergessen?", stichelte sie und beobachtete, wie er Mittel- und Zeigefinger sogleich prüfend über seinen Bart gleiten ließ.

„So schlimm?", wollte Tom wissen und runzelte fragend die Stirn. Grace überlegte einen Moment und schlug ihm dann betont spielerisch auf den Oberarm.

„Du siehst sehr gut aus, Mr. Filmstar", frotzelte sie und stand auf, um sich im kleinen Bad frischzumachen.

Die Fahrt vom LAX zum Hotel dauerte keine halbe Stunde und obwohl Grace die letzten fünf Stunden geschlafen hatte, spürte sie die allzu bekannte Müdigkeit bereits wieder in sich hochkriechen. Die Zeitverschiebung machte ihr offenbar mehr zu schaffen als sie geahnt hatte. Verstohlen gähnte die junge Frau in ihren Ärmel und sah aus dem Fenster des schwarzen Mercedes. Palme um Palme zog am Straßenrand vorbei, während der Wagen durch den dichten Verkehr manövriert wurde. Der Gedanke an ein wohltuendes Schaumbad und einen heißen Tee entlockte Grace ein schwaches Lächeln. Tom saß neben ihr auf der Rückbank der schwarzen Limousine und tippte konzentriert auf seinem Smartphone herum. Sie war sich fast sicher, dass er Taylor Swift textete. Warum auch nicht? Wenn man der Klatschpresse glauben konnte, waren die beiden noch immer zusammen und Taylor lebte nun einmal in Los Angeles. Grace ließ ihre Stirn härter als beabsichtigt gegen die kühle Fensterscheibe fallen.