Kapitel 1.2

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„Was machst du da? Hast du vor uns aufzuspießen?", sprach Elendriel sie mit einem breiten Grinsen an.

Die Elfe blickte schon fast herrschaftlich von ihrem Felsen herunter. „Na ihr beiden. Wie lief euer Training bisher?" Sie packte ihr Schwert zurück, sprang leicht wie eine Feder vom Felsen herunter und setzte sich zu den zwei anderen, die es sich mittlerweile zwischen den Steinen bequem gemacht hatten.

„Ziemlich gut. Heute habe ich es endlich erwischt", antwortete Celestiel während sie ihren Bogen und Köcher neben sich ins Gras legte. „Und was ist bei dir so passiert?"

Luana erstrahlte. „Ich habe heute meine Dolche fertiggestellt." Sie fasste nach hinten und zog zwei identisch aussehende Dolche hinter ihrem Rücken hervor. Die Messer waren so lang wie Celestiels Unterarm und typisch geschwungen wie ein elfisches Schwert. Man erkannte die präzise und grazile Arbeit eines Meisterschmieds.

Elendriel nahm einen Dolch in seine Hand und begutachtete ihn ganz genau. „Dein Vater hat ganze Arbeit geleistet. Das sind Kunstwerke."

„Die sind nicht von ihm", antwortete Luana fast schon beleidigt. „Jedenfalls nicht komplett. Er hat nur ein bisschen geholfen. Aber im Grunde sind die von mir."

Sie nahm ihm wieder den Dolch aus der Hand. „Ich muss sie nur noch polieren und dann sind sie fertig."

„Dein Vater vergeudet hier seine Gabe", sagte Elendriel. „Wer so etwas herstellen kann, der sollte sein Handwerk in der Hauptstadt ausüben."

Celestiel erinnerte sich, dass Luanas Vater Schmied war. Er stellte Werkzeug für die Bewohner des Dorfes und Waffen für die Krieger her. Doch auch sie verwunderte es, dass er sein Handwerk nicht in der Hauptstadt ausübte.

„Dafür genießt er die Ruhe zu sehr", entgegnete Luana. „Außerdem hat er einst unter dem König gedient und Waffen für ihn hergestellt." Das sonst immerwährende Lächeln in ihrem Gesicht erlosch. „Er ist das Fertigen von Waffen für einen immerwährenden Krieg leid und will diesen damit nicht unterstützen. Da bleibt er lieber in einem kleinen Dorf, weit abseits aller Kämpfe und schmiedet Werkzeug." Ihr Gesicht hellte wieder auf: „Und ihr wäret doch auch verloren, wenn ich nicht hier wäre."

Celestiel musste lachen. „Stimmt. Was würde ich denn bloß ohne eine Freundin wie dich machen, die mich immer wieder in Schwierigkeiten bringt."

Luana erwiderte das Lachen. „Eben, was würdest du nur ohne mich machen."

Jetzt schaltete sich Elendriel wieder ein: „Die Frage ist bloß, wie lange es hier noch friedlich bleibt. Ich habe gehört, ein Hauptmann aus der Hauptstadt fängt an Leute tief im Inland zu rekrutieren. Mittlerweile ist er sogar bei uns unterwegs."

Celestiel war etwas erstaunt über den plötzlichen Wechsel zu einem so ernsten Thema. „Das kann nichts Gutes bedeuten", entgegnete sie. „Wenn sie jetzt schon so weit gehen müssen, heißt das, dass sich die Kämpfe zuspitzen."

„Heute bei der Versammlung will er vorsprechen und Leute rekrutieren", sagte Elendriel mit einem verärgerten Unterton.

Luana klatschte in die Hände: „Genug davon, lasst uns über etwas anderes reden."

„Zum Beispiel?", fragte Celestiel.

Ein breites Grinsen erschien auf Luanas Gesicht. „Zum Beispiel davon, wie einfach ich Elendriel in einem Duell fertig machen könnte."

„Wie bitte?" Er sprang mit gespieltem Entsetzen auf. „Du Winzling hast doch keine Chance gegen mich!"

„Dann lass es uns doch herausfinden!" Noch immer mit ihren zwei Dolchen in der Hand, sprang auch Luana auf.

Celestiel ließ einen tiefen Seufzer von sich.

„Muss das jetzt sein?"

Elendriel zog mit seiner rechten Hand das Schwert und richtete es mit der Spitze zum Boden. Mit der anderen Hand ballte er eine Faust und schloss die Augen. Kurz darauf umgab sie ein leuchtender Schimmer. Damit strich er über die Klinge seines Schwertes. Das war ein Zauber mit dem er seinem Schwert temporär die Schärfe nahm. Eigentlich ausgelegt auf tatsächliche Kampfsituationen, bei denen man die Waffe des Gegners unbrauchbar machte, nutze man diese Technik auch für Übungszwecke.

Luana packte ihr zwei Dolche zurück in die Befestigung an ihrem Rücken und zog auch ihr Schwert, was sie anschließend mit dem gleichen Zauber belegte.

Die beiden machten sich etwas abseits der Felsen bereit und stellten sich etwa zehn Schritte einander gegenüber auf.

Celestiel stand nun ebenfalls auf und kletterte auf Luanas Felsen hinauf, um besser zusehen zu können. Sie verstand nicht, warum die beiden sich immer zanken und am Ende ihre Streitigkeiten in Übungskämpfen austragen mussten, von denen Elendriel die meisten aufgrund seines körperlichen Vorteils und Erfahrung ohnehin gewann.

Er und Luana hoben ihre Schwerter und begaben sich in Kampfposition. Beide musterten ihren Gegenüber und versuchten anhand der Körpersprache die nächste Handlung vorherzusehen. Sie bewegten sich langsam kreisförmig um einander herum, ohne ihren Blick auch nur einen Moment vom Gegner zu lassen.

Celestiel wusste bereits was passieren würde. Elendriel würde strategisch warten bevor er angriff. Luana jedoch war viel zu hitzköpfig und ungeduldig.

So war es nicht verwunderlich, dass sie zuerst angriff. Sie stürmte mit lautem Gebrüll los und versuchte Elendriel damit zu überraschen. Dieser jedoch sah den Angriff bereits kommen und parierte ihren Hieb mühelos. Luana nutze ihre Geschwindigkeit und holte zu einer Folge rascher Schläge aus. Mühelos wich Elendriel den Hieben aus. Beinahe tänzelnd bewegte er sich um sie herum. Trotz der Vielzahl der schnellen Angriffe konnte Luana keine schwerwiegenden Treffer landen. Er dagegen nutzte einen ihrer Fehler und holte zu einem Angriff aus. Mit enormer Wucht traf er sie in die Seite, sodass sie weggeschleudert wurde. Luana rollte sich gerade rechtzeitig auf Seite, bevor sie der Folgeangriff verfehlte. Dann standen sie einander erneut gegenüber.

Celestiel blickte interessiert zu ihrer Freundin. Sie hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an der Hüfte und war bereits heftig am Schnaufen, während er noch keinerlei Anzeichen von Erschöpfung zeigte.

„Ist das alles, was du drauf hast?" Provokant versuchte Luana ihn aufzustacheln und hoffte auf einen Fehler seinerseits.

Elendriel stützte sich gelassen auf sein Schwert: „Wenn du schon nicht mehr kannst, darfst du gerne aufgeben."

„Ich dachte du wolltest mir zeigen, wie sehr du mich fertig machen könntest?"

Luana knurrte und fletschte die Zähne. Schneller als Celestiel ihr folgen konnte, sprintete sie auf ihn zu. Er war bereits auf den Angriff vorbereitet und hob sein Schwert zum Parieren. Doch statt mit ihrem Schwert zuzuhauen, warf sie es ihm entgegen. Trotz Verwirrung, schaffte er es das entgegenfliegende Schwert abzuwehren, aber rechnete nicht mit Luana, die nun mit ihren beiden gezückten Dolchen auf ihn zusprang. Mit den beiden, viel leichteren Waffen war es ihr möglich umso schneller anzugreifen. Völlig perplex versuchte Elendriel den erneuten Angriffen auszuweichen. Mit entsetztem Blick, schaffte er es gerade so die Hiebe unbeholfen abzuwehren und taumelte dabei langsam rückwärts. Das erhöhte Tempo kam für ihn völlig unerwartet. Er musste sich auf die beiden Dolche konzentrieren, um deren Hiebe von sich abzulenken. Deshalb sah er auch den plötzlichen Tritt nicht kommen.

Mit enormer Wucht traf Luana den schon herumtaumelnden Elendriel am Bein und stieß ihn aus dem Gleichgewicht, sodass dieser umfiel. Einen Sekundenbruchteil später lehnte auch schon Luana über den auf dem Rücken liegenden Elendriel und hielt einen Dolch an seinen Hals.

Erschöpft schnaufte sie: „Na, reicht dir das jetzt?" und ließ von ihm ab.

Noch ziemlich perplex darüber, was soeben geschehen war, schubste er sie von sich herunter und rappelte sich auf. „Bist du komplett verrückt geworden?", schnauzte er sie wütend an, während er sich den Schmutz abklopfte. „Wir haben die Schwerter nicht ohne Grund verzaubert und du benutzt deine scharfen Dolche?"

„In einer echten Kampfsituation wirst du auch keine stumpfen Waffen finden."

„Das war aber ein Übungskampf!"

Luana grinste: „Und ich habe ihn gewonnen."

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