Kapitel 4.2

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Der nächste Morgen kam schneller als erwartet. Die warmen Sonnenstrahlen schienen durch das Blattwerk hindurch und wärmten Celestiels Gesicht. Sie blinzelte den Schlaf aus den Augen und starrte den wolkenlosen und blauen Himmel durch die Blätter und Äste hindurch an. Das Wetter war wunderbar und der frische Duft von Moos und Holz erfüllte die Luft. Dennoch fühlte sie sich noch müde und ausgelaugt und wollte sich gar nicht vorstellen wie sich Sarya fühlen musste. Eigentlich könnte sie noch ewig hier liegen bleiben, sich ausruhen und einfach mal entspannen. Sie spielte mit dem Gedanken, doch wusste sie, dass sie keine Zeit zu vertrödeln hatte. Immerhin wollte sie so schnell wie möglich Elendriel wiedersehen.

Und dann? Sie stellte sich die Frage selbst. Was würde dann geschehen? Ein Weg zurück zur Normalität war nicht mehr. Das Dorf wurde von den Flammen verschluckt und sie wollte sich nicht ausmalen, was mit den Bewohnern passiert war. Hoffentlich konnten alle unbeschadet fliehen. Sie merkte jedoch selbst, wie unwahrscheinlich dieser Gedanke klang, mochte aber nicht weiter darüber nachdenken.

Aktuell war es ihr einziges Ziel, um jeden Preis zu den Zwergen zu gelangen und Elendriel wiederzutreffen. Eine Alternative sah sie nicht. Außerdem hatte sie ja auch noch den mysteriösen Brief dabei, von dem sie Sarya immer noch nichts erzählt hatte. Mittlerweile vertraute sie ihr genug um ihr davon zu verraten.

"Sarya, ich muss dir etwas sagen." Sie setzte sich auf und drehte sich zur Stelle an der Sarya schlief. Oder eher geschlafen hatte, denn sie war weg und das Seil mit denen Celestiel die Äste am Vorabend zusammengebunden hatte, war auch verschwunden. Alles in allem hatte sie keine Spuren hinterlassen.

Celestiel blicke den Baum hinunter und versuchte nicht allzu laut zu rufen: "Sarya? Bist du da?"

Doch auch unten war sie nicht zu erblicken und so schnappte sich Celestiel ihren Beutel, der zwischen den Ästen hing und sprang den Baum hinunter, dass sie unten weich und still wie eine Feder landete. Mittlerweile machte sie sich etwas Sorgen. Wohin konnte Sarya verschwunden sein? Hatte sie es doch nicht mehr ausgehalten und war umgekehrt? Noch einmal rief sie nach ihr und dieses Mal etwas lauter als vorher. Doch noch immer keine Antwort.

Plötzlich tauchte Sarya zwischen den Bäumen auf. Aufbruchbereit mit Beutel auf dem Rücken und Schwert an den feinen Ledergürtel gesteckt, hielt sie sich den Finger warnend vor die Lippen. "Psst, leise!"

"Wo warst du denn? Ich dachte du hast es dir anders überlegt und bist auf dem Rückweg", fragte Celestiel mit einem besorgten Unterton.

"Ach nicht doch." Sarya lächelte und deutete auf ihren eigenen Beutel. "Ich war etwas früher wach und bin nochmal einige Beeren und Wurzeln sammeln gegangen."

"Du hättest mich doch wenigstens wecken können", beschwerte sich Celestiel und verschränkte ihre Arme vor der Brust."

"Aber du hast so friedlich geschlafen, da konnte ich das nicht." Sarya grinste und zeigte in die Richtung, in der gerade die Sonne stand. "Übrigens, ich bin etwas in diese Richtung gegangen und konnte schon das Wasser hören. Der Fluss von dem Darian erzählt hat, kann nicht mehr sehr weit sein."

Nun grinste auch Celestiel und hatte den kurzen Schreckmoment von eben vergessen. Endlich war einmal ein Fortschritt zu sehen, dachte sie sich. Bisher waren sie blindlings durch teils brache Wälder gen Osten gelaufen und mussten hoffen, dass sie die ungefähre Richtung einhielten. Doch jetzt hatten sie einen festen Orientierungspunkt und mussten dem Fluss nur noch bis zur Quelle folgen.

"Ein Glück! Lass uns gleich aufbrechen", sprach Celestiel voller Motivation.

Gut gelaunt vergaßen die beiden ihre schmerzenden Glieder und liefen weiter in Richtung Osten. Das Rauschen des Wassers ließ nicht lange auf sich warten und wurde immer lauter. Sie liefen ausdem Wald heraus auf felsigen Untergrund, auf dem nichts wachsen konnte, bis der Weg an einer Klippe endete. Vor ihnen erstreckte sich eine unglaublich breite Schlucht, die das Land enzwei zu teilen schien. Celestiel blickte die Klippe hinunter und sah den reißenden Fluss, den sie so lange zu finden gehofft hatten. Über Jahrtausende hinweg musste sich das Wasser in den Boden gefressen haben und so die Schlucht hervorgebracht haben.

"Den Fluss habe ich mir anders vorgestellt", rief Sarya über das laute Rauschen des Wassers hinweg. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir auf eine so tiefe Schlucht treffen."

"Ich ehrlich gesagt auch nicht", antwortete Celestiel, die mit einem seicht fließenden Gewässer gerechnet hatte.

Das Wasser hatte eine gewaltige Kraft inne und schoss mit immenser Wucht an den Felsen vorbei. Jeder Wahnsinnige der versuchen sollte den Fluss zu durchqueren, sollte von ihm mitgerissen werden.

Die Elfe betrachtete argwöhnisch die gegenüberliegende Seite. Die Bäume - oder eher das was on ihnen übrig war – waren allesamt abgebrannt. Nur noch ihre vom Feuer schwarz gefärbten Stämme ragten aus dem Boden. Sie ähnelten eher riesigen Kohlebrocken als Bäumen aus Holz.

"Was glaubst du ist dort drüben passiert?", fragte Celestiel beunruhigt und deutete mit einer Kopfbewegung auf die andere Seite.

Mit der Hand vor der blendenden Sonne schützend und Augen zusammenkneifend blickte auch Sarya hinüber.

"Wahrscheinlich ein Waldbrand", gab sie gelassen zurück. "Es sieht so aus, als hätte die Schlucht das Feuer daran gehindert auf unsere Seite zu gelangen."

Irgendetwas gefiel Celestiel bei diesem Anblick nicht. Er erinnerte sie an die menschengemachten Feuerbälle, die über ihr Dorf hinweggeschossen waren. Möglicherweise hatten auch sie etwas mit dem Waldbrand zu tun gehabt.

"Das scheint aber noch recht frisch zu sein", merkte sie an.

Unbekümmert zuckte Sarya mit den Schultern. "Einige Tage oder vielleicht Wochen. Ich kenne mich da nicht so gut aus. Aber wichtig ist doch, dass es vorbei ist und uns nicht daran hindern kann, weiter flussaufwärts zu gelangen."

Mit ihrer aufhellenden Art griff sie Celestiel am Arm und zog sie mit sich, um anzudeuten, dass sie weitergehen sollten.

Die Elfe schloss sich zwar an, doch blieb das mulmige Gefühl bei dem Anblick der anderen Seite trotzdem bestehen. Vielleicht machte sie sich auch einfach unnötig zu viele Sorgen.

CelestielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt