Kapitel 2.1

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Celestiel hörte einen schmerzerfüllten Schrei aus Richtung des Dorfes kommen, der ihr durch Mark und Bein trat. Sie drehte sich in die Richtung aus der er kam und konnte ihren Augen nicht trauen. Rauchschwaden stiegen aus dem Wald empor, Flammen reichten bis zur Spitze der gigantischen Bäume und verteilten sich rasend schnell.

Alle standen wie versteinert da. Selbst dem Hauptmann, der noch immer Elendriel am Kragen packte, stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Langsam regten sich die Leute wieder und einige Schreie wurden laut. Manche wollten loslaufen, um das Feuer zu löschen, da ertönte der nächste ohrenbetäubende Knall. Ein riesiger, leuchtender Feuerball flog über die Köpfe der Anwesenden hinweg und krachte in einen der Bäume. Funken und Flammen stießen in alle Richtungen und schon bald brannte alles lichterloh.

Jemand brüllte und plötzlich traten Soldaten aus dem Wald. Waren es dieselben wie aus der Hauptstadt, fragte sich Celestiel. Doch das konnte nicht sein, denn ihre Rüstungen sahen anders aus und die Personen waren ungewohnt klein. Es konnte nicht sein, doch entsetzt stellte sie fest, dass es sich um Menschen handelte.

Der Hauptmann und seine Männer erkannten die Situation, zogen ihre Schwerter und stürmten brüllend auf die Angreifer zu. Andere schrien und flüchteten.

Celestiel konnte sich weder bewegen, noch verstand sie, was vor sich ging. Sie stand inmitten des Platzes, um sie herum ertönte Gebrüll und Geschrei. Das knackende Geräusch zerberstenden Holzes und die ausstrahlende Hitze drangen auf sie ein.

Plötzlich stand ihr Vater neben ihr und griff sie beim Arm.

„Komm mit! Du musst sofort verschwinden", rief er ihr über das Klirren von Schwertern zu und zog sie hinter sich her.

Was passiert gerade, fragte sie sich, während sie wie benommen hinter ihrem Vater hergezogen wurde. Für sie brach eine Welt zusammen. Ihr bisher friedliches Leben sollte nun ein Ende finden.

Im nächsten Augenblick stand sie bereits im Haus. Sie wusste nicht, wie sie dorthin gekommen war, doch es erleichterte sie etwas, eine gewohnte Umgebung zu sehen. Der Geschmack der Asche lag ihr noch immer auf der Zunge.

Auch Elendriel war plötzlich da und schnürte sich eilig ein Schwert an seine mit Stahlkappen verstärkte Rüstung.

Ihr Vater stand daneben und packte hastig einige Gegenstände in einen Beutel, während er gehetzt versuchte seinem Sohn etwas zu erklären.

Celestiel konnte nur wie angewurzelt dastehen und zusehen. Ihre Sinne waren wie betäubt. Keiner ihrer Muskeln wollte sich regen und der Lärm von draußen war nur noch ein gedämpftes Rauschen im Hintergrund. Sie hoffte inständig, dass das alles nur ein böser Traum war und sie bald aufwachen würde.

Als auf einmal Afariel vor ihr stand und sie wachrüttelte, krachten alle diese Sinneseindrücke ungefiltert auf sie ein.

Etwas perplex blinzelte sie und blickte auf die Schriftrolle, die er ihr entgegenhielt.

„Ich sagte, du musst unbedingt auf diesen Brief aufpassen! Er beinhaltet deine Zukunft. Und unter keinen Umständen darfst du ihn vorzeitig öffnen!" machte er ihr klar.

Er steckte die Schriftrolle in den Beutel und drückte ihr ihn in die Hand.

„Und jetzt hole noch schnell deinen Bogen. Du wirst ihn brauchen meine Liebe", sagte er und gab ihr einen väterlichen Kuss auf die Stirn.

Noch immer wie betäubt, stapfte Celestiel in ihr Zimmer und schnallte sich ihren Bogen und Köcher um. Von draußen hörte man noch immer Kampfgeräusche und die Schreie der Dorfbewohner.

Als sie in den vorherigen Raum zurückkehrte, sah sie ihren Vater, wie er gerade Elendriel an den Schultern packte und ihm eindringlich etwas erklärte. Dieser stand nur verdutzt da und schaute ihn verwirrt in die Augen. Dann sah er zu Celestiel. Noch nie zuvor hatte sie einen solchen Blick bei ihm gesehen. Erfüllt von Entsetzen und Unglauben starrte er sie an. Sein Vater rüttelte ihn wieder wach: „Los jetzt, ihr dürft keine Zeit verlieren!" Er schob die beiden zur Tür hinaus.

„Wohin gehen wir? Und kommst du nicht mit?" fragte Celestiel.

„Ich muss hier bleiben und den anderen helfen. Elendriel weiß was zu tun ist. Jetzt geht endlich!", Afariel stieß die beiden aus dem Haus, auf die oberste Plattform der gewundenen Treppe, und verschwand daraufhin wieder im Haus.

Celestiel blickte in den Wald, der sich vor ihr erstreckte. Alles stand in Flammen. Ein riesiges Inferno verschluckte die ihr bekannte Welt und machte vor nichts Halt. Die panischen Schreie und das Gebrüll der Soldaten hallten durch die Nacht. Der viele Sauerstoff, den die Flammen verschlangen, erzeugte einen enormen Wind, der an ihren Haaren und Kleidern zerrte. In der Entfernung stieg eine gigantische Aschewolke zum Himmel empor.

„Wir müssen ihnen helfen!", rief sie ihrem Bruder über das Rauschen der Flammen zu.

Mit traurigem Blick, betrachtete er das Elend, dass sich vor ihnen erstreckte.

„Dafür haben wir keine Zeit. Wir müssen unbedingt los", sagte er mit qualvoller Stimme.

Celestiel konnte es nicht fassen. War dieser Elf tatsächlich ihr Bruder, der sonst so selbstlos seinem Dorf zur Hilfe eilte?

„Wir können sie doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen!", schrie sie ihn an.

Doch er warf ihr nur einen traurigen und zugleich wütenden Blick zu und sprang den Baum hinunter.

Sie tat es ihm gleich und lief ihm hinterher.

„Was hat Vater dir nur gesagt, dass du plötzlich so denkst? Was ist denn wichtiger als unsere Freunde und Familie?", warf sie ihm vorwurfsvoll an den Kopf.

Der davonstapfende Elendriel machte eine Kehrtwende und packte sie.

„Mir gefällt es genauso wenig wie dir. Ich werde dir das später alles erklären, aber jetzt musst du mir vertrauen. Es ist jetzt viel wichtiger, dass wir beide von hier fortkommen." Er packte den Beutel, den sie noch immer in der Hand hielt, und lief erneut eiligen Schrittes davon.

Noch immer fassungslos musste sie sich damit abfinden. Sie warf noch einen letzten Blick zurück auf ihr Dorf, bevor sie ihm mit Tränen in den Augen folgte.

CelestielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt