Der nächste Morgen war lebhafter als der vorherige. Da ich nicht still im Zelt bleiben konnte, bat ich Alexander um irgendeine Arbeit. Überrascht bat er mir kleine Hausarbeiten an, sowie ein Feuer machen oder Kochen. Es stellte sich heraus, dass ich schlecht in beidem war und ich das Feuermachen nach wenigen Versuchen erbittert aufgab. Als ich zurück ins Zelt gehen wollte, hielten mich zwei bekannte Kinder auf. „Bist du nicht das hübsche Mädchen von gestern?", fragte mich das kleine Mädchen mit grossen Augen. Der Junge neben ihr blickte mich mit gleich grossen Augen an. Ihr Anblick ermunterte mich und ich kicherte. „Das bin wohl ich", sagte ich sanft und lächelte sie an. „Wir sahen, dass du ein Feuer machen wolltest", bemerkte der Junge ich lachte nervös. „Ich weiss nicht, wie man ein Feuer macht, um ehrlich zu sein", gestand ich und stellte meine Hände auf meine Knie, damit ich auf ihrer Augenhöhe war. „Wir können dir helfen!", rief das Mädchen aufgeregt und nahm meine Hand. Lächelnd folgte ich ihnen zur Feuerstelle und schaute zu, wie sie mit Leichtigkeit ein Feuer entzündeten. Ungeschickt folgte ihren Schritten und verbrannte meine Hände während dem Prozess. Ich lernte die Namen der zwei Kinder kennen und stellte auch mich vor. Das Mädchen hiess Molly und sie konnte mit Tieren sprechen. Felix hiess der Junge und er konnte schon seit seiner Geburt Winde erschaffen. Die zwei waren überrascht, dass ich keine Kräfte hatte, aber sie gewöhnten sich schnell daran. „Schau, du musst die Steine so reiben...", erklärte Molly geduldig und zeigte es mir vor. Ich atmete tief ein und konzentrierte mich auf die Steine. So wie Molly, schlug ich die zwei Steine aufeinander. Rote Funken sprühten auf das vorgelegte Holz, welches nach langer Zeit endlich Feuer fing. Meine Augen leuchteten auf und ich warf meine Hände in die Luft. „Ich habe es geschafft!", triumphierte ich glücklich und Molly und Felix klatschen für mich. Die Mittagssonne schien hell auf uns herab. „Du hast es noch rechtzeitig geschafft", hörte ich eine spöttelnde Stimme hinter uns. Alexander setzte sich ins Gras neben uns. „Rechtzeitig?", wiederholte ich und blickte ihn an. „Zur Mittagsstunde", fügte er hinzu und grinste uns an, „Molly, Felix, holt doch einen Topf und etwas zu Essen von euren Eltern." Die zwei waren einverstanden und spurteten weg. „Wie lange hast du uns schon beobachtet?", fragte ich ihn monoton. „Seit etwa 20 Minuten", antwortete er schamlos und grinste blöd. Ich versuchte ihn böse anzuschauen, doch seine Miene fand ich äusserst komisch und lachte schliesslich selbst. Molly und Felix kamen angerannt und legten den eisernen Topf übers Feuer. Ich überliess Alexander das Kochen. Gespannt schaute ich ihm zu, wurde aber immer wie verwirrter, je länger er kochte. „Tut mir leid, dass ich kein königlicher Koch bin", schmollte Alexander und ich entschuldigte mich. „Was kochst du?", fragte ich ihn neugierig. „Eine Gemüsesuppe mit Fleischhäppchen", erklärte er kurz und ich begann die königliche Küche zu vermissen. Ich vermisste viele Sachen. Ich vermisste mein Zuhause. Ich vermisste Ethan. „Willst du probieren?", fragte mich Felix und bat mir eine Schale an. Blinzelnd blickte ich ihn an und kam aus meiner Trance heraus. „Ah, ja, gerne", stammelte ich und nahm die Schale entgegen. Ich spürte den Blick von Alexander auf mir, doch entschied mich ihn zu ignorieren. „Wie ist die Suppe?", erkundigte Alexander sich und schaute mich erwartungsvoll an. Ich nahm unsicher einen Schluck. Überrascht weiteten sich meine Augen, denn ich hatte nicht erwartet, dass es gut schmecken würde. „Essbar", log ich und ass weiter, während Alexander motzte. Weitere mir unbekannte Leute setzten sich neben uns und assen mit uns. Anfangs hielt ich mich zurück, doch später führten wir herzliche Gespräche miteinander. Ich vergass schon fast, in welcher Situation ich mich befand. Mein Magen drehte sich um und ich entschied mich, mich ins Zelt von Alexander zurückzuziehen. Schnell verabschiedete ich mich und lief an den besorgten Blicken von Molly und Felix vorbei. Im Zelt angekommen, atmete ich tief durch. „Geht es dir nicht gut?", fragte Alexander vorsichtig, der ins Zelt trat. Ich schüttelte meinen Kopf und erklärte ihm, wie ich mein Zuhause vermisste. „Alle denken bestimmt, ich sei gestorben", flüsterte ich und wandte meinen Blick von ihm ab. Wir blieben still für eine Weile. Alexander schien zu überlegen, was er sagen könnte. „Ich vermisse mein Zuhause auch", meinte er, während er traurig lächelte. Ich wollte ihn fragen, was passiert sei, doch er schien meine Gedanken gelesen zu haben und antwortete meine stille Frage. „Vor vielen Jahren wurde mein Dorf niedergebrannt", erklärte er mit verletzter Miene, „von deinen Leuten." Mein Herz stand still und es fühlte sich so an, als würde etwas in mir zerbrechen. „Das ist eine Lüge", versuchte ich mit fester Stimme zu sagen, „mein Volk würde nie so etwas tun." Alexander lachte trocken und schüttelte seinen Kopf. „Nein, dein Volk nicht. Ich meine deine Leute, deine Armee, deine Truppen", definierte er und blickte mich direkt an. Eine angespannte Stille herrschte wieder. Mein Herz war zerrissen. „Es tut mir so leid", hauchte ich nur und hielt meine Hände vor meinen Mund, „Ich wusste nicht, dass sie so etwas tun würden." Alexander seufzte kurz und lächelte mich sanft an. „Mach dir keine Sorgen darum, es liegt schon lange in der Vergangenheit", sagte er in einem zarten Ton, „man soll nicht an der Vergangenheit hängen." Ich nickte sanft und mein schlechtes Gefühl verwandelte sich in ein warmes und kribbelndes Gefühl in meinem Bauch. Etwas an ihm fand ich seltsamerweise entspannend. Alexander meinte, er würde zurück zu den anderen gehen und er drehte sich schon zum Ausgang. Seine blaue Kette glitzerte wieder. „Warte!", rief ich ihm hinterher und er stoppte abrupt. „Ja?", fragte er verwirrt und drehte sich zu mir zurück. Ich trat auf ihn zu und hielt vor ihm an. „Deine Kette", begann ich und betrachtete sie genauer. In Gedanken vertieft vergass ich, was ich sagen wollte. „Meine Kette?", wiederholte Alexander und nahm sie in seine Hand, „Der Stein ist ein blauer Turmalin. Er gehörte meiner Mutter." Ich vernahm seine Stimme nur knapp und fasste unbewusst an den Turmalin. Da fuhr ein Blitz durch meinen ganzen Körper und ich zuckte erschrocken zusammen. „Kathelyn?", rief Alexander verwirrt aus und fasste mich an meine Arme. Mein Kopf schmerzte und alles wurde für kurze Zeit schwarz. Ich öffnete wieder meine Augen und blinzelte einige Male. Unsicher schaute ich mich um und bemerkte, dass ich mich auf der Wiese ausserhalb des Zeltes befand. „Alexander?", rief ich nervös und blickte mich um. Mit kleinen Schritten lief ich umher. Alles schien normal. Leute sassen an verschiedenen Feuerstellen, Kinder spielten auf den Wiesen. Plötzlich hörte ich ein tiefes Donnern und blickte mich in diese Richtung. Eine grosse Staubwolke schien auf uns zuzukommen. „Was ist das?", fragte ich mich selbst und versuchte jemanden zu warnen. „Da kommt etwas auf uns zu!", alarmierte ich eine jüngere Frau, welche auf einem Stuhl sass und strickte. Sie ignorierte mich und strickte lächelnd weiter. Besorgt wollte ich ihren Arm ergreifen, da rutschte meine Hand durch ihren Arm hindurch. Erschrocken riss ich meine Hand an meinen Körper, während die Frau unverändert weiter strickte. Ergebend liess ich die Frau alleine und schaute mich hecktisch weiter um. Mein Herz schlug bestürzend schnell und ich rannte ziellos im Lager umher. Da entdeckte ich ihn. „Alexander!", rief ich ihm zu, während er mit Hannah und Darell sprach. Ich hielt vor ihnen an, doch auch sie ignorierten mich. Der Boden begann zu zittern und ich blickte zurück in die Richtung der Staubwolke, welche gefährlich nahe auf unser Lager zukam. „Alex, was ist das?", mahnte Hannah bedächtig, als sie endlich auch in diese Richtung schaute. Alexander runzelte seine Stirn und fuhr entsetzt hoch. „Das sind Orks", begann er und riss sein Schwert aus der Scheide. Hannah fluchte unter ihrem Atem und rannte an mir vorbei. „Darell, bereite die Greife vor, ich rufe die andern zusammen!", befahl Alexander, worauf Darell nickte und von uns weglief. Alexander fluchte laut und rannte durch mich hindurch. Ich wollte ihm folgen, da wurde alles um mich herum verschwommen. „Kathelyn!", rief jemand dumpf. Es hörte sich so an, als wäre ich Unterwasser. „Kathelyn!", rief diese Person wieder und schüttelte mich wach. Ich erkannte Alexander und Hannah vor mir. Ich lag auf einem Bett „Alexander, Hannah?", fragte ich sie verwirrt und entdeckte Darell in einer Ecke des Zeltes. Alexander seufzte erleichtert. „Du hast uns ziemlich einen Schrecken eingejagt", meinte Hannah und verschränkte ihre Arme. „Was ist passiert?", fragte ich sie durcheinander. Ich bemerkte, dass ich mich im Zelt von Alexander befand. „Nachdem du meine Kette angefasst hattest, bist du plötzlich in Ohnmacht gefallen!", erklärte Alexander und ich erinnerte mich an meine Kopfschmerzen. „Ich habe etwas gesehen", teilte ich ihnen mit und fasste an meine Stirn, „ihr wart dort." Alexander und Hannah schauten sich an. „Was hast du gesehen?", hinterfragte mich Hannah. „Wir wurden von Orks angegriffen und ich wollte euch darüber warnen, aber ihr habt mich ignoriert", erklärte ich ihnen und bewegte meine Hände dazu, „als hättet ihr mich nicht gesehen." Alexander summte überlegend. „Hattest du eine Vision?", fragte plötzlich Darell. Ich schaute ihn überrascht an und schüttelte leicht meinen Kopf. „Ich weiss es nicht", meinte ich, „aber es fühlte sich so real an!" Darell wandte sich Alexander zu und fragte ihn: „Der Stein in deiner Kette ist ein Turmalin, nein?" Alexander nickte und es schien so, als käme ihm etwas in den Sinn. Die drei schauten sich still an. „Denkt ihr, was ich denke?", fragte Hannah verschmitzt. Darell nickte und antwortete für Hannah: „Kathelyn, ich denke, du hast gerade deine Kräfte erlangt." Mein Herzschlag setzte für einen Moment aus. Ich war zu überrascht um etwas zu sagen. „Sehr raffiniert, um ehrlich zu sein", meinte Darell und legte seine Hand an sein Kinn, „Turmaline sind angeblich gut für die Augen und die Sicht. Deswegen hast du die Kraft in die Zukunft zu blicken." Ich nickte langsam und verdaute die ganze Situation. Ich besass Kräfte? Ich dachte schon, es wäre hoffnungslos! Kleine Tränen bildeten sich in meinen Augen. „Ich wusste nicht, dass du so viel reden kannst, Darell", verspottete Hannah und Darell zuckte mit seinen Schultern. Erleichtert wischte ich die Tränen weg und konnte mein Lächeln nicht verhindern. „Gut, dass es nur das ist. Ich dachte schon, du wirst krank", meinte Alexander erleichtert und wurde gleich darauf wieder ernst, „was sollen wir jetzt gegen diesen Angriff unternehmen?" Hannah lachte und grinste wissend. „Ist das dein Ernst?", lachte sie und schüttelte ihren Kopf, „unsere Leute wurden mit Bedacht ausgewählt. Wir sind Profis! Ein paar Orks können uns kaum schaden!" Alexander schnaubte und lächelte sie an. „Okay, geht doch schon nach draussen und informiert die anderen", befahl er ihnen, „ich bleib noch kurz hier." Darell und Hannah verliessen das Zelt und liessen Alexander und mich alleine. „Egal was passiert, bleib auf jeden Fall im Zelt", warnte mich Alexander und ich nickte, „ich verspreche, dass ich bald zurückkommen werde." Ich nickte wieder und Alexander lächelte mich an und säuselte: „Gute Prinzessin!" Er strich mir sanft über den Kopf und verliess das Zelt. Eine Hitze überfiel mich und ich zog die Decke über meinen Kopf. „Was ist los mit mir?!", rief ich unterdrückt und hoffte, dass der Tag so schnell wie möglich vorbeiging.
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Kathelyn und der Turmalin
FantasyKathelyns Tage verliefen normalerweise immer gleich. Aufstehen, Berichte über ihr Königreich lesen, Spaziergänge im Garten, in der Bibliothek lesen, schlafen gehen. Ihr tägliches Leben war immer gleich und nicht beschwerlich, da die meisten Arbeiten...