„Kathelyn! Kommst du auch mit?", fragte mich Molly mit grossen Augen. Ich lächelte sie traurig an und schüttelte meinen Kopf. „Tut mir leid, Kleine", entschuldigte ich mich bei ihr und blickte mich um, „Alexander wollte, dass ich mit ihm in den Wald der Riesenbäume gehe." Molly schmollte kurz und nickte verständnisvoll. Dank meiner Hilfe wurde der Angriff der Orks vor einer Woche erfolgreich abgewehrt. Ich verabschiedete mich von Molly und begab mich auf die Suche nach Alexander. Wahrscheinlich befand er sich bei seinem Greif Vic. Schnell spurtete ich durchs Lager hindurch zu einer grossen freien Stelle auf der Wiese. Ich lächelte, als ich Alexander mit Vic sprechen sah. Alexander erblickte mich und winkte mir zu. „Bist du bereit?", fragte er mich, während er über Vics Schnabel strich. Ich nickte, worauf Alexander eine Handbewegung machte und mich auf den Rücken des Greifes hob. An den Sprung in die Luft hatte ich mich schon gewöhnt und bekam nicht gleich einen Herzinfarkt. „Wie lange geht der Flug?", fragte ich Alexander und umgriff leicht seine Hüfte. „Nicht lange, wir sind bald dort", gab er mir zu wissen und ich blickte in die Ferne. Ich erkannte den finsteren Verfluchten Wald zu meiner Rechten und vor uns entdeckte ich einen riesigen Wald. Riesig war untertrieben. „Vergiss nicht", erinnerte mich Alexander mit einer ernsten Stimme, „bleib immer in meiner Nähe." Ich nickte bestimmt und blickte nach vorn. Wir flogen in den Wald der Riesenbäume und landeten sanft auf dem Boden. Mit geöffnetem Mund blickte ich hoch. Häuser und Brücken ragten hoch über unsern Köpfen. „Wer sind diese Leute?", flüsterte ich Alexander zu und bemerkte die Leute, die aus ihren Häusern auf uns herabschauten. „Elfen", sagte er nur gelassen und stieg von Vic ab, „sie sind freundlich." Auch ich sprang herunter und fuhr meine Hand sanft durch Vics Federn. „Alexander", begrüsste uns eine Elfe und wandte ihren Blick von ihm zu mir, „Prinzessin Kathelyn." Ihr beinahe weisses Haar berührte fast den Boden, als sie sich vornehmlich verbeugte. Sie trug ein weisses Kleid und man konnte schon daran erkennen, dass sie eine wichtige Rolle in diesem Wald spielte. „Mein Name ist Eyreen, Wächterin dieses Waldes. Es ist eine Ehre, euch in unserem Wald als Gast zu empfangen", hiess Eyreen uns willkommen und führte uns in eine Hütte am Boden. Ein Elf mit ebenso weissen Haaren bewachte diese Hütte und verbeugte sich, als Eyreen an ihm vorbeilief. Er trug grüne und braune Kleidung, sowie auch die meisten andern Elfen. Das grüne Innere der Hütte wurde mit hellen Blumen beleuchtet. Ein grosser runder Tisch aus Holz stand in der Mitte. Der Boden bestand aus weichen Blumen. Eyreen setzte sich an ein Ende des Tisches. Der Elf von draussen folgte uns hinein und setzte sich neben Eyreen hin. Ich nahm neben Alexander Platz und beobachtete fasziniert die verschiedenen Lichter. „Schön euch wiederzusehen, Eyreen und Adreal", begrüsste Alexander die zwei Elfen und lächelte sie an. „Ebenfalls, Bruder", lächelte Adreal ihn an. „Nun, kommen wir zur Sache", begann Eyreen, ihre Miene unverändert. „Richtig", bestätigte Alexander und blickte mich kurz an, „wie ihr sicherlich schon wisst, wollten wir das Königreich stürmen, um die Tyrannei zu beenden. Dabei konnten wir nur Prinzessin Kathelyn mitnehmen." Alexander gab uns eine Pause, bevor er weitersprach: „An was wir jedoch nicht gedacht hatten, dass Herzog Gabriel Clourne, der Bruder des verstorbenen Königs Markus Clourne, die Macht an ihrer Stelle übernehmen würde", erklärte er weiter, als ich plötzlich wieder Kopfschmerzen bekam. Dieses Mal fühlten sich die Schmerzen nicht so schlimm an. Ich schloss meine Augen und als ich sie wieder öffnete, erkannte ich, dass ich mich immer noch im selben Wald befand. Neben mir stand Vic. Hinter ihm erkannte ich einen Schatten. Ich verfolgte den Schatten und rannte an einem grossen grauen Felsen vorbei. Ich verlor den Schatten aus den Augen. Als ich mich weiter umschaute, erschrak ich mich leicht, da ein älterer Herr hinter mir vorbeilief. Er trug eine Armbrust bei sich und war wie ein Jäger bekleidet. „Hier habe ich ihn gesehen", flüsterte er sich selbst zu und lächelte listig. Was suchte er? Ich folgte ihm für eine Weile, bis er auf einmal anhielt. Sein Blick war in den Bäumen fixiert und er führte seine Armbrust auf seine Augenhöhe. Ich folgte seinem Blick und erstarrte, als ich sah, was er sah. Es war ein Volutier. Er trug dunkle, lockere Kleidung und sprang unbekümmert von Ast zu Ast. Seine Flügel bestanden aus roten, weissen und schwarzen Federn. „Hab dich", flüsterte der Jäger und schoss auf den Volutier. „Nein!", rief ich aus, als er zu Boden fiel. Der Junge stöhnte und schluchzte in Schmerzen und ich rannte auf ihn zu. Der Pfeil hat seinen Flügel durchbohrt. Die Verletzung schien nicht tödlich, doch ich wusste, wie wertvoll Volutiere sind und was man mit ihnen macht. Ich wachte von meiner Trance auf und rannte ohne zu Zögern aus dem Treffen. Alexander rief mir hinterher. Dieses Szenario fand ich nur allzu bekannt, doch das hinderte mich nicht daran, den Jungen zu retten. Ich rannte an Vic vorbei, fand endlich den bekannten Felsen und rannte schnell daran vorbei. Ich erkannte den Jäger vor mir und ich schrie verzweifelt: „Halt!" Der Jäger jedoch, schoss schon auf den Jungen und blickte mich irritiert an. „Wer bist du?", fragte er mich, als ich mich neben den verletzten Jungen hinkniete. Ich ignorierte den Herrn und versuchte den Volutier zu beruhigen. Dabei musste ich mich zuerst selbst beruhigen. „Alles wird gut", flüsterte ich ihm zu und strich ihm zitternd über die Stirn. Der Junge weinte und drückte seine Augen fest zusammen. „Was fällt dir ein?", fuhr der Jäger mich wütend an, „Der gehört mir!" Ich warf ihm stechende Blicke zu und nahm den Jungen beschützend in meine Arme. „Sie sind schrecklich!", zischte ich den Jäger an, als eine vierte Partei auf uns zu rannte. „Kathelyn!", rief Alexander. Er beobachtete die Situation und schien zu verstehen. „Verschwinde", warnte Alexander den Jäger und nahm sein Schwert hervor. Der Herr zischte aufgebracht und verschwand schliesslich. „Ich dachte schon, du wolltest wieder von uns abhauen", meinte Alexander und kniete sich neben mich hin. „Das gab ich schon seit einiger Zeit auf", antwortete ich ihm und blickte den stöhnenden Jungen an, „er braucht dringend Hilfe!" Alexander nickte und nahm den Volutier vorsichtig in seine Arme hoch. Zusammen trabten wir ins Dorf zurück, wo Eyreen und Adreal uns beunruhigt erwarteten. Eyreen bemerkte den Jungen. „Bringt ihn in die Hütte", befahl sie uns. Alexander legte den Jungen auf den weichen Boden. Eyreen setzte sich neben ihn und legte ihre Hand auf seine Stirn. „Ich werde ihn behandeln", informierte uns Eyreen und schickte uns nach draussen. Adreal schloss die Türe hinter uns und ich setzte mich seufzend an die Wand der Hütte. Ich spürte eine warme Hand auf meiner Schulter. „Mach dir keine Sorgen um ihn", versicherte Alexander mir und lächelte mich an, „Volutiere haben eine starke Regenerationskraft und Elfen sind bekannt für ihre Heilkräfte." Ich nickte still und seufzte ein weiteres Mal. Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete sich die Türe und ich fuhr hoch. „Wie geht es ihm?", fragte ich Adreal besorgt. Er lächelte mich an und ein Berg fiel mir vom Herzen. „Er ist stabil", erklärte er uns und führte uns in die Hütte, „der Kleine ist vor Schock eingeschlafen, aber keine Sorge, ihm geht es gut." Eyreen sass am grossen Tisch, während ich mich neben den Volutier setzte. „Danke, Eyreen", bedankte ich mich bei ihr. Sie lächelte mich nur still an und machte eine kleine Handbewegung. Da es langsam dämmerte, schlug Alexander vor, dass wir uns auf den Heimweg begeben sollten. Eyreen hielt es für verständlich und liess den Jungen in unserer Obhut. Wir verabschiedeten uns von den Elfen und suchten anschliessend Vic. Alexander hielt den schlafenden Jungen in seinen Armen. Ich bemerkte, dass der Pfeil nicht mehr in seinem Flügel steckte und ein Verband um seine Verletzung gewickelt war. Vic zirpte überrascht, als er uns entdeckte. Ich begrüsste ihn und stieg mit wenigen Schwierigkeiten auf seinen Rücken. Alexander übergab mir den Jungen und stieg auch auf Vic hoch. Vorsichtig sprang Vic in die Höhe und flog davon. Im Lager angekommen, brachten wir den Jungen in Alexanders Zelt. „Bleib bei ihm, ich erkläre Hannah und Darell kurz, was alles passiert ist", informierte mich Alexander und liess mich mit dem Volutier alleine. Er hatte schwarzes Haar mit einem leichten Rotton. Der Junge erinnerte mich an einen Buntspecht. Ich legte meine Arme auf die Bettkante und lehnte meinen Kopf auf meine Arme. Die ganze Aufregung war anstrengend und bald schlief ich ein.
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Kathelyn und der Turmalin
FantasyKathelyns Tage verliefen normalerweise immer gleich. Aufstehen, Berichte über ihr Königreich lesen, Spaziergänge im Garten, in der Bibliothek lesen, schlafen gehen. Ihr tägliches Leben war immer gleich und nicht beschwerlich, da die meisten Arbeiten...