Die Woche verging schneller als erwartet. Es war früher Morgen und alle trainierten und bereiteten sich auf den Kampf vor. Überall kämpften Rebellen und Elfen miteinander und gegeneinander. Glücklicherweise wurde keiner verletzt. „Aufgeregt?", fragte mich Ethan, der neben mich trat.
Ich beobachtete Alexander und Darell im Schwertkampf. Beide bewegten sich flüssig und geschickt. Ich nickte und schaute ihnen weiter zu. Plötzlich lief alles zu schnell und Darell fiel zu Boden. Alexander stellte ihm einen Haken, als Darell sich nicht konzentrierte und warf ihn auf den Boden. Alexander half Darell auf seinen Füssen und sagte ihm etwas. Darell nickte und antwortete ihm. „Bald fliegen wir los", murmelte ich. Ethan sagte nichts, doch ich erwartete auch keine Antwort. Still verliess ich den Übungsplatz, denn ich wollte meine Ruhe. Im Zelt von Alexander angekommen, blickte ich mich still um und nahm alles noch einmal auf. „Kathelyn", meinte Alexander, der auch ins Zelt kam, „ich habe dich nicht hier erwartet." Ich lächelte und schaute mich weiter um: „Ich nehme nur kurz Abschied." Eine Stille herrschte zwischen uns. „Hier", sagte er, nahm seine blaue Kette ab, „du kannst sie haben." Ich starrte seine Hand an und blickte in seine Augen. „Ich dachte, sie gehörte deiner Mutter?", fragte ich ihn verwirrt, als er die Kette um meinen Hals band. „Und jetzt gehört sie dir", lächelte er. Seine rechte Hand strich mir sanft über meine Wange. Ich wollte die ganze Welt einfach ausblenden. Alles lief in Zeitlupe. Er kam näher auf mich zu und bückte sich leicht. Da spürte ich Alexanders Lippen auf meinen. Meine Augen blieben überrascht offen und Alexander löste sich sanft von mir. Er schien zu realisieren, was gerade passiert war und lief leicht rot an. „Oh", gab er nur von sich und murmelte etwas Unverständliches. Er blickte mich an und verliess gleich danach das Zelt. Wie erstarrt stand ich mitten im Zelt und wurde ganz heiss. Meine Knie wurden weich und ich brach auf dem Boden zusammen. Alexander steckte seinen Kopf ins Zelt. „Übrigens, wir werden bald losfliegen, also mach dich bereit", erwähnte er schnell und verliess mich wieder. Ich brauchte nichts mitzunehmen. Schnell rappelte ich mich auf und klopfte meine Kleidung ab. Ein letztes Mal blickte Alexander ins Zelt. „Und ich entschuldige mich nicht für vorhin, weil ich es nicht bereue", fügte Alexander ein weiteres Mal hinzu und verschwand wieder. Für einen Moment blieb ich still und begann vor mich hin zu grinsen. Ich schüttelte meinen Kopf und trat vorsichtig aus dem Zelt. Schnell begab ich mich auf die Suche nach Ethan. Er befand sich bei den Greifen und unterhielt sich mit Ryan. Ethan entdeckte mich und winkte mich zu ihm. „Bist du bereit?", fragte er mich und ich nickte. Alexander, Hannah und Darell kamen auch dazu. Ich achtete mich darauf, keinen Augenkontakt mit Alexander zu machen, denn es war mir zu peinlich ihn anzublicken. „Gehen wir", forderte Alexander uns auf. Ethan und ich teilten uns einen Greifen, da es für ihn selbst zu ansträngend wäre, den ganzen Weg zu fliegen. Alexander gab allen einen Befehl und sprang in die Luft. Schnell folgten wir ihm und liessen das Lager hinter uns zurück. „Machst du dir Sorgen?", fragte mich Ethan. Rastlos rutschte ich auf dem Rücken des Greifs herum. „Kann man so sagen", beichtete ich ihm, „ich hatte seit längerem keine Vision mehr." Ethan blieb still und schaute sich um. Neben uns flogen viele Greife vorbei. „Es ist erstaunlich", murmelte Ethan abwesend und ich stimmte ihm zu. Vom Boden aus sahen wir sicherlich wie ein Schwarm wilder Bienen aus, so viele waren wir. Ich hatte ein gemischtes Gefühl, was unseren Plan betraf.
Nach einer schlaflosen Nacht, erreichten wir beinahe die Stadt. Unser Schwarm teilte sich in mehrere Gruppen auf. In meiner Gruppe befanden sich nur Ethan und Ryan. Ich bemerkte, dass Alexander alleine flog und ein unangenehmes Gefühl kam in mir hoch. „Landen wir in den Gärten", befahl ich Ethan und Ryan. Ein bekanntes Rufhorn dröhnte unter uns. Pfeile wurden auf uns geschossen. „Pass auf!", rief ich und der Greif änderte schnell seine Richtung. Mit geschlossenen Augen hielt ich mich an den Federn des Greifes fest. Der Flug wurde ruhiger und ich stellte fest, dass wir uns über der Stadt befanden. „Schnell! Zu den Gärten!", befahl ich und wir flogen über die verschiedenen Häuser. Keiner schien uns bemerkt zu haben und wir landeten sicher im Garten. Geschickt stieg ich herab. „Und jetzt müssen wir nur warten?", fragte Ryan, der neben uns landete. „Wir müssen nur die Prinzessin schützen", meinte Ethan und blickte mich an. Ich schaute mich unruhig um. „Kannst du eine Vision hervorrufen?", fragte mich Ethan. Ich blinzelte mehrmals, atmete tief ein und schloss meine Augen. Nichts. Alles verfärbte sich schwarz oder blutrot. Ich schüttelte bedrückt meinen Kopf. Schon lange verlor ich Alexander aus den Augen. Das Schlachtgeschrei und das Klingen von aufeinandertreffenden Schwertern waren das einzige, was die Stille unterbrach. Aufgeregt lief ich in einem Kreis umher und grübelte. „Kathelyn", sagte Ethan, doch ich hörte ihn nicht. Was passiert, wenn unser Plan nicht funktioniert? „Kathelyn!", rief Ethan und hielt mich fest, „Beruhige dich! Atme." Ich nickte zögernd und atmete tief ein. „Ich kann nicht hier sein", erklärte ich bestimmt, „ich muss Alexander helfen!" Ethan schaute mich verletzt an, doch seufzte schliesslich. „Es ist gefährlich", erinnerte er mich und ich nickte wissend. Er schaute Ryan an, der nur mit seinen Schultern zuckte. Ethan gab auf und drehte sich von mir weg und begann zum Schloss zu laufen. „Suchen wir deinen Freund", sagte er schliesslich und meine Augen leuchteten auf. Ich realisierte auf einmal, was er gesagt hatte. „Er ist nicht mein Freund!", wehrte ich mich und holte ihn ein. Ethan prustete los und schaute mich mit erhobener Augenbraue an. „Siehst du deinen Blick, immer wenn du ihn anschaust?", fragte er und lächelte triumphierend, als ich es ihm nicht leugnen konnte. „Im Thronsaal soll er sein", meinte Ryan und öffnete die Türe, die vom Garten ins Schloss führte. „Beeilen wir uns!", forderte uns Ethan auf und rannte in Richtung Thronsaal. Als wir um eine Ecke rannten, stiessen wir auf zwei Wächter, die die Türe zum Thronsaal versperrten. „Halt!", rief eine und zog sein Schwert heraus. Ryan stand beschützend vor mich und nahm auch sein Schwert hervor. „Wenn es nicht die Prinzessin und ihren verräterischen Leibwächter sind!", stellte der andere fest. „Ihr seid die Verräter", sagte ich eiskalt, worauf die zwei Soldaten nur lachten. In diesem Moment schlug Ethan sie blitzschnell nieder. Ich zuckte erschrocken zusammen, als die zwei still auf den Boden fielen."Ich halte draussen Wache", informierte uns Ryan. „Gehen wir weiter", forderte Ethan mich auf und öffnete die Türe, welche hinter uns zufiel. Ich atmete erschrocken auf. Alexander lag blutig zu den Füssen von Gabriel. „Ihr lebt noch?", fragte Gabriel uns abstossend und kickte den unbewussten Rebellen in den Bauch. „Alexander!", rief ich aus und wollte ihm zu Hilfe eilen, doch Ethan hielt mich zurück. „Bleib hier!", rief er und trat vor mich. „Ihr könnt ihm nicht mehr helfen", verhöhnte uns Gabriel und grinste verstohlen, „einen Stoss in die Brust überlebt keiner." Heisse Tränen kullerten meinen Wangen herab, als ich ihn sprachlos anschaute. „Du hast das Königreich verraten!", rief Ethan und rannte auf Gabriel zu. Gabriel wich ihm mit Leichtigkeit aus und streckte seine Hand aus. Ein Eisstrahl sprühte aus ihr heraus und fror Ethan an einer Wand fest. Ethan stöhnte laut und liess sein Schwert auf den Boden fallen. „Mir fiel gerade etwas ein", meinte Gabriel und wandte sich mir zu, „ich töte dich vor seinen Augen!" Ethan versuchte sich zu wehren, jedoch zwecklos. „Weisst du", begann Gabriel und stolzierte um mich herum, „ich wollte dich schon lange töten." Ich wollte es nicht hören. Ich konnte mich nicht bewegen. „Jeden Tag musste ich den Guten spielen! Dir jeden Tag vorspielen, dass ich dir sinnvolle Aufgaben gebe! Die Schuld der Tode deiner Eltern auf die Rebellen schieben!", zählte er auf und schlenderte sein Schwert hin und her. „Du hast sie getötet?", fragte ich ihn heiser. Gabriel lachte. „Natürlich nicht! Die Leute, die ich dafür bezahlt hatte, haben sie getötet", erklärte er und blickte mir in die Augen. Mein Herz fühlte sich an, wie ein grosses Loch. „Wieso?", fragte ich ihn, meine Stimme immer leiser werdend. „Wieso?", wiederholte er und drehte sich mit offenen Armen im Kreis, „Ich wollte König sein! Aber nein! Mein Bruder erhielt diesen Traum, nicht ich! Ich konnte nur noch König werden, wenn ich als einziger noch lebte, oder?" Ich starrte ihn ungläubig an. Gabriel hielt die Spitze seines Schwertes vor mein Gesicht. „Mein Traum ging beinahe in Erfüllung, doch dann bist du wieder aufgetaucht", raunte er und sein Lächeln verschwand, „Ich werde meinen Traum nicht wieder verlieren!" Er hob sein Schwert und stiess es auf mich herab.
Das Schwert traf mich nie. Gabriel schaute mich mit weit aufgerissenen Augen an. „Ich habe genug gehört", sagte eine bekannte Stimme hinter Gabriel. Er fiel zu Boden und stand nie wieder auf. Vor mir stand Alexander. Ich war sprachlos und legte beide Hände über meinen Mund. „Du...", stammelte ich leise und trat auf ihn zu, „du lebst...?" Alexander liess sein blutiges Schwert los und öffnete seine Arme. Ohne zu zögern fiel ich in seine Arme. Meine Tränen fielen auf seine Schulter und formten eine feuchte Stelle. „Wie?", fragte ich ihn zwischen Schluchzern. „Ich bin nicht nur sehr stark", erklärte er und strich mir über den Rücken, „ich heile auch sehr schnell." Für eine Weile blieben wir so und sagten nichts. Bis jemand sich räusperte. „Wenn ihr fertig seid", fragte Ethan, der immer noch an der Wand hing, „könnt ihr mir helfen? Ich habe kalt." Wir lösten uns von der Umarmung und ich rannte auf ihn zu. „Tut mir so leid!", entschuldigte ich mich schnell und wusste nicht genau, wie ich ihm helfen sollte. Ethan schüttelte seinen Kopf und lächelte. „Ich bin nur froh, dass ihr beide noch lebt", sagte er sanft. Kleine Wassertropfen fielen auf das Eis und ich blickte hoch. „Weinst du?", fragte ich überrascht und Ethan schüttelte schnell seinen Kopf. „Das Eis ist sehr kalt und schmerzt", verteidigte er sich und schniefte.
Alles um mich herum wurde auf einmal schwarz. Ich befand mich in meinem Schloss. Um genauer zu sein, befand ich mich im Thronsaal. Eine Königin und ein König sassen auf den Thronen. Es waren Alexander und ich! Zwei Kinder rannten im Saal umher und lachten laut. Waren das meine Kinder? Zwei Volutiere standen neben den Thronen und beobachteten lächelnd die Kinder. Ethan und Ryan! Ich, also die Königin, blickte Alexander mit liebevollen Augen an. Ethan hatte Recht! Ich errötete und blickte mich weiter um. Diese Vision schien nicht negativ. Ich verliess den Thronsaal und entschied mich, in die Stadt zu gehen. Die Leute kamen mir glücklicher vor. War das meine Zukunft? Um mich herum wurde alles wieder normal und ich befand mich wieder im Thronsaal. Ein Lächeln schlich sich auf meinen Mund. „Geht es dir gut?", fragte mich Alexander. Ich blickte den kalten Körper von Gabriel an. „Mir geht es gut", ich machte eine Kopfbewegung auf Gabriels Leiche, „minus das." Ethan klebte noch an der Wand und mir fiel nicht ein, wie ich ihm helfen konnte. Alexander lief auf Gabriels Körper zu und hob sein Schwert auf, welches er dort fallen liess. Als er zurückkam entschuldigte er sich bei Ethan, „Falls dir später etwas fehlt, dann tut es mir leid." Ethan wollte flüchten, doch er konnte sich nicht bewegen. „Nein, nein, nein!", rief er, als das Schwert auf das Eis krachte. Das blaue Eis zersplitterte und fiel auf den Boden. Ethan lag befreit und geschockt auf dem Boden. „Das hast du nicht wirklich getan!", rief Ethan dramatisch. Alexander zuckte mit den Schultern und grinste. „Hört auf, ihr zwei. Wir müssen den andern Bescheid geben, dass die Tyrannei zu Ende ist!", forderte ich die zwei auf, worauf sie keine Einsprüche hatten. Wir rannten aus dem Thronsaal, worauf wir auf Ryan stiessen. „Was ist passiert?", fragte er überrascht. „Es ist zu Ende! Wir haben gewonnen!", rief ich aus und zog ihn mit uns mit. Der Kampf draussen hörte schon langsam auf und es war klar, welche Seite gewann. „Hört!", rief Alexander von den Toren des Schlosses. Alle Kriegenden blickten zu uns hoch. „Der König ist tot!", verkündete Alexander und hob sein Schwert in die Höhe. Er blickte mich an und nahm meine Hand. „Hoch lebe die rechtmässige Königin! Kathelyn Abigail Clourne!", rief er aus, gefolgt von Freudeschreien.
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Kathelyn und der Turmalin
FantasyKathelyns Tage verliefen normalerweise immer gleich. Aufstehen, Berichte über ihr Königreich lesen, Spaziergänge im Garten, in der Bibliothek lesen, schlafen gehen. Ihr tägliches Leben war immer gleich und nicht beschwerlich, da die meisten Arbeiten...