Kapitel VII

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Nach einem kurzen Spaziergang durch die Stadt und nach ein paar Abbiegungen in dunklen Gassen kamen wir an einer kleinen Kneipe an. „Bevor wir hineingehen", warnte mich Alexander, „sie ist... speziell." Er lächelte nervös, als plötzlich jemand aus dem Fenster krachte. „Lass dich nie mehr blicken!", rief eine tiefe Frauenstimme, „Und bezahl gefälligst mein Fenster!" Der Mann rappelte sich auf und fluchte laut, bevor er murmelnd abzischte. „Sind wir hier wirklich richtig?", fragte ich Alexander vorsichtig, als er die Türe zur Kneipe öffnete. „Wer ist da!", rief eine Frau von grosser Statur, die hinter dem Tresen stand. Sie hatte feuerrotes Haar und eine feste Figur. „Oh, Alex!", rief sie erfreut aus und trat vom Tresen hervor. „Hi, Rebecca", begrüsste Alexander sie. Rebecca zog Alexander in eine herzliche Umarmung und erstickte ihn fast dabei. „Schon lange nicht mehr gesehen!", lachte sie freudig, doch änderte ihre Miene sofort, „Wieso hast du mich nicht öfters besucht?" Alexander lachte nervös und kratzte sich hinter dem Nacken: „Naja, die Arbeit liess mich nicht in Ruhe", begründete er und blickte mich kurz an. Rebecca schaute mich an und wandte ihren Blick wieder zu Alexander. „Verstehe", sagte sie in einer ernsten Stimme und führte uns durch eine Hintertür. Als wir alleine waren, begann Alexander zu sprechen: „Rebecca, ich brauche deine Hilfe nur noch ein letztes Mal." Rebecca hielt ihre Hand hoch und unterbrach ihn. „Ich werde dir immer helfen. Ich kann dir nie genug für damals danken", beschwor Rebecca und verschränkte ihre Arme, „also, was brauchst du?" Alexander lächelte kurz und blickte mich an. „Wir müssen ins königliche Verlies", sagte er und Rebecca nickte. „Kann ich machen", bejahte sie und berührte eine Wand. Eine hölzerne Türe erschien auf einmal und sie nahm ihre Hand wieder weg. Alexander nahm wieder meine Hand. „Du bist eine grosse Hilfe, wie immer", bedankte sich Alexander bei ihr. Sie lachte und schlug ihm auf den Rücken. „Kein Ding. Passt aber auf, ja?", ermahnte uns Rebecca und öffnete die Türe, welche in einen langen und dunklen Gang führte. „Bis später", winkte Alexander ihr zu und zog mich an ihn heran, bevor wir in den Gang eintraten. „Keine Angst, einfach weiterlaufen", hauchte Alexander und führte mich immer weiter. Nach einer langen Weile hielt Alexander an und berührte etwas vor uns. Ein Lichtstrahl fiel ins Dunkle und führte in eine Art Keller. Wir befanden uns im Verlies. Alexander öffnete die Türe ganz und trat vorsichtig heraus. Ich folgte ihm still. Plötzlich hörten wir Stimmen und drückten uns an die kalte Wand. Zwei Soldaten kamen von einer Treppe herunter und bogen in die gegenüberliegende Richtung von uns ab. Alexander schlich auf sie zu und schlug ihre Köpfe zusammen. Ohnmächtig fielen sie zu Boden und ich seufzte. „Das war knapp", flüsterte ich und Alexander nickte. Er zog beide Körper in eine Zelle und versteckte sie unter einer Decke. Geschickt fischte er die Schlüssel von einem Soldaten und suchte mit mir die Zelle von Ethan. „Er muss hier sein", flüsterte ich und lief aufgeregt voran. Wir liefen von Zelle zur Zelle und fanden niemanden. Keine einzige Person befand sich hier. „Das kann nicht sein...", murmelte ich entsetzt. Alexander wollte etwas sagen, doch da kamen weitere Stimmen auf uns zu. Wir sprangen in eine leere Zelle und versteckten uns darin. „Geniess deine Zeit hier drin, Verräter!", lachte ein Soldat und warf jemanden in eine Zelle. Meine Augen weiteten sich und ich schaute Alexander an. Er schien das Gleiche zu denken. Der Soldat verliess den Kerker und schloss eine Türe hinter sich. Ich rannte aus der Zelle und sprintete zur nächsten Zelle. „Ethan!", rief ich erschrocken, als ich seinen Zustand sah. Seine Flügel wurden zusammengebunden, sowie auch seine Hände. Blut tropfte von seiner Stirn. Ethan hob langsam seinen Kopf. „Kathy...?", fragte er mich ungläubig. „Alexander, die Schlüssel!", rief ich ihm zu. Alexander probierte jeden Schlüssel aus, doch keiner schien zu passen. Er zischte genervt und warf den Schlüsselbund weg. „Du wolltest doch wissen, was meine Kraft ist?", sagte Alexander und umgriff zwei Metallstäbe. Er atmete tief ein und drückte die zwei Stäbe mit Leichtigkeit auseinander. Ich beobachtete ihn mit offenem Mund. „Du... bist sehr stark", stellte ich fest und Alexander lachte. Er machte eine Kopfbewegung und zeigte auf Ethan. Ich sprang durchs Gitter und umarmte Ethan fest. „Ich habe dich vermisst", wimmerte ich und drückte ihn leicht fester. „Kathy, bitte", er hustete lächelnd, „meine Arme." Ich stammelte erschrocken und Alexander kniete sich neben uns hin. Er nahm den Strick und riss ihn einfach so auseinander. Ethan strich sich über seine geröteten Handgelenke. Alexander befreite innerhalb von Sekunden Ethans Flügel. „Beeilen wir uns", erinnerte uns Alexander uns stand auf, „wenn die Sonne untergeht, dann ist es aus mit uns." Ethan blickte uns verwirrt an. „Ich erklär dir alles später, aber du musst uns jetzt vertrauen", gab ich ihm zu verstehen und half ihm auf die Füsse, „kannst du fliegen?" Ethan zögerte kurz und schüttelte seinen Kopf: „Sie brachen meine Flügel, bevor sie mich hierrein warfen." Meine Brust schnürte sich zu und ich blickte ihn traurig an. „Gehen wir, bevor unerwünschte Gäste auftauchen", forderte ich ihn auf und kletterte aus der Zelle. Alexander hielt die Türe offen für uns und schloss sie hinter uns. Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete Alexander die Türe vor uns und wir stolperten aus der Türe. „Huch, da seid ihr ja", begrüsste uns Rebecca erstaunt, „und ihr seid zu dritt." Alexander bedankte sich bei Rebecca und meinte, dass wir uns beeilen müssten. „Kommt bald wieder!", verabschiedete sie sich von uns. Als wir draussen waren, übergab ich Ethan meinen grünen Umhang. „Keiner ausserhalb vom Schloss kann mich erkennen", erklärte ich und nahm Alexanders und Ethans Hände in meine. Alexander führte uns geschickt aus der Stadt und schaltete geschwind die zwei Soldaten des äusseren Tors aus. Im kleinen Wald neben der Mauer wartete geduldig Vic auf uns. Er zirpte erfreut, als er uns entdeckte. Ethan hielt plötzlich an und sprach: „Ich wusste es, du bist dieser Rebel." Die Atmosphäre um uns spannte sich an. „Ethan, bitte, du musst uns vertrauen", flehte ich ihn an und nahm seine Hände in meine, „vertrau mir." Ethan schaute mich widersprüchlich an. „Ist das ein Befehl?", fragte er mich vorsichtig. Ich schüttelte meinen Kopf. „Nein, es ist eine Bitte von deiner besten Freundin", bat ich ihn. Schliesslich seufzte er und gab auf. „Okay, aber du schuldest mir eine Erklärung", forderte er und ich nickte bestimmt. Alexander stieg auf Vic und ich folgte ihm. Ich gab Ethan eine Hand und warnte ihn: „Halte dich gut fest!" Mit einem Schwung sprang Vic in die Luft und flog davon. Ethan umklammerte meine Hüfte.

Als Vic ruhiger flog, beruhigte ich Ethan. „Es ist doch nicht dein erstes Mal, dass du fliegst?", hänselte ich ihn und er schüttelte seinen Kopf. „Es ist... anders", antwortete er und lockerte seinen Griff um mich. Der Verfluchte Wald kam immer näher und der Himmel verfärbte sich zu einem wunderschönen orange-rosa. „Warte, warte...", stammelte Ethan unruhig, „wir fliegen nicht über den Verfluchten Wald, oder?" Alexander sagte nichts, sondern lächelte nur. „Uns passiert schon nichts", beruhigte ich Ethan, „Alexander weiss was er macht." Ethan summte nur und blickte sich nervös um. Meine Brust fühlte sich leicht an. Ich war erleichtert, dass Ethan wieder bei mir war. Neben Gabriel war er meine einzige Familie. „Was ist mit Gabriel passiert?", fragte ich Ethan aus dem Nichts. Ethan schien zu zögern. „Nachdem du entführt wurdest, wurde er zum König ernannt, da er der einzige der Clourne Familie ist", erklärte er leise, „er hat sich verändert." Ich neigte meinen Kopf zur Seite und hinterfragte ihn: „Inwiefern hat er sich verändert?" Nach einer Pause fuhr Ethan fort. „Es ist so, als wäre er eine andere Person. Er wurde herzlos, erbarmungslos", beschrieb er bitter, „tyrannisch." Alexander lachte laut und zog meine Aufmerksamkeit auf ihn. „Ihr seid naiv. Er war doch immer so", verspottete Alexander den neuen König. „Das kann nicht sein! Er war immer sehr hilfsbereit!", verteidigte ich meinen Onkel, „Er kann nicht so böse sein!" Alexander schnaubte laut: „Wer hat dein Königreich verwaltet?" Ich reagierte perplex auf seine Frage, denn ich dachte die Antwort wäre offensichtlich. „Natürlich ich! Mein Onkel half mir jedoch dabei, aber er informierte mich stets was er unternahm", erklärte ich ihm. „Alles? Oder nur das, was du hören wolltest?", hackte er nach. Mir fiel nichts mehr ein und deshalb blieb ich still. Alexander wandte sich wieder Vic zu. „Ich mag ihn nicht", flüsterte mir Ethan zu und ich kicherte.

Der Flug kam mir kürzer als sonst vor und schon landeten wir an der bekannten Stelle. Alexander stellte das Zelt auf, während Ethan und ich an einem frischen Feuer sassen. Ethan gab mir den Mantel zurück. Ich tupfte mit einem weissen Tuch sanft über seine Kopfverletzung. „Möchtest du mir jetzt erklären, was alles passiert ist?", fragte mich Ethan neugierig. Ich atmete tief ein und nahm das Tuch von seiner Stirn. „Um es kurz zu gestalten, die Rebellen sind nicht so, wie wir sie uns vorgestellt hatten. Sie sind freundlich! Nicht sie sind unsere Feinde", versuchte ich es ihm zu erklären, „sondern unsere eigenen Leute." Ethan hörte mir zu, trug aber einen verwirrten Ausdruck. „Sie hatten mich entführt, damit sie das Königreich stürmen und die Tyrannei aufhalten konnten." Ethan nickte leicht beklommen. „Oh! Ich wurde auch fast von Sirenen getötet, als ich flüchten wollte", fügte ich schnell hinzu und grinste Ethan breit an. Er blickte mich mit offenem Mund und grossen Augen an. „Kathelyn Abigail Clourne!", donnerte er. Ein Schauder lief über meinem Rücken hinab und ich lachte nervös. „Aber wie du siehst, ist mir nichts passiert!", wehrte ich mich grinsend. Ethan blickte mich überhaupt nicht begeistert an. Er drehte sich von mir weg und bestrafte mich mit Schweigen. „Sie hat übrigens auch ihre Kräfte entdeckt", fügte Alexander hinzu und setzte sich mit uns ans Feuer. Ethan drehte sich wieder um und blickte mich erstaunt an. „Wirklich?", fragte er überrascht. Meine Kräfte hatte ich schon vergessen, da ich mein bisheriges Leben auch ohne sie leben konnte. „Dank ihnen konnten wir dich retten", ergänzte Alexander. Ich lächelte und nickte stolz. Ethan blinzelte einige Male und ergriff meine Hände. „Das ist toll! Nein, nicht toll, fantastisch!", stammelte er aufgeregt. Noch lange sprachen wir über verpasste Sachen, bis uns Alexander ins Zelt schickte. Ethan bestand darauf, draussen zu schlafen, da er als Wächter nicht mit mir, einer Prinzessin, im selben Zelt schlafen konnte. Alexander konnte Ethan schliesslich überzeugen im Zelt zu schlafen. Er selbst schlief jedoch draussen. Eine kurze Nacht stand vor uns.

Kathelyn und der TurmalinWhere stories live. Discover now