Kapitel 5 - Familienpflichten

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Im der halbdunklen Bibliothek war es direkt ein wenig kühler und vor allem ruhiger. Selbst ich mit meinem normalen Gehör war nicht mehr an so ein lautes Beisammensein gewöhnt. Zuhause waren wir immer nur zu dritt, oder wenn Tamara da war, zu viert. Aber hier waren wir fast 30 Menschen. Also sehr sehr laut im Vergleich.

Hier in der Bibliothek aber fühlte ich mich direkt viel wohler. Es roch nach Holz, Papier, Staub und Tinte, was mich dazu animierte mir ein Buch zu schnappen, mir es in einem der dicken Lesesessel bequem zu machen und mich in den Wörtern zu verlieren. Meine Finger suchten auf dem Weg zu Großpapa Lui den Kontakt zu den Büchern. Ich streichelte Buchrücken nach Buchrücken. Aus dem Augenwinkel las ich die Titel: Moby Dick, Oliver Twist, Black Beauty, Die Drei Musketiere, Das Jungelbuch und Les Miserables einmal in Französisch, Deutsch und Englisch. Ich hielt in der Bewegung, bei dem Buch „Der geheime Garten", inne. Der war seit Monaten auf meiner Leseliste. Ich wollte ihn aus dem Schrank nehmen und vielleicht mit ins Büro nehmen als aus dem Arbeitszimmer, dass nur noch wenige Meter von mir entfernt war, eine Stimme ertönte:

„Das kannst du nachher mitnehmen, Glacia. Komm endlich rein. Ich habe nicht ewig Zeit."

Tante Ninas Stimme klang genervt. Ich nahm meine Finger von dem Buchrücken und begab mich schnurstracks ins Arbeitszimmer. Das Zimmer sah noch immer gleich aus. Diesmal aber saß Tante Nina hinter dem dunklen Schreibtisch und rauchte alleine eine Zigarette. Sie hatte sich die Ohr-Schoner abgenommen und verfolgte den Rauch ihrer Zigarette. Sie betrachtete mich skeptisch.

„Schließ die Tür hinter dir.", sagte sie beim nächsten Zug. Ich tat es und schloss hinter mir die dicke Tür. Sie war viel schwerer als ich erwartet hatte. Es war ein wenig verwirrend, dass ich alleine mit ihr hier war. Ich fühlte mich direkt wieder unwohl. Tante Nina wartete bis ich mich ihr gegenüber gesetzt hatte, um mir dann einen Ordner in die Hand zu drücken.

„Im Ordner sind alle wichtigen Dokumente. Dein Visum, die Anmeldung für deine neue Schule, Krankenkasse und dein neuer Personalausweis ist auch da drin. Ich möchte, das du dir das alles durchliest und deine Unterschriften auf die Dokumente setzt. Du wirst auch eine Liste an Büchern finden. Die du bitte vor Beginn des neuen Semesters organisierst. Die Sommerferien sind in 10 Tagen vorbei bis dahin hast du alles für deinen ersten Tag vorbereitet." Ich nickte und blätterte den Haufen an Papieren durch. Das war einiges.

„Wir sind eine Gemeinschaft, deswegen erwarten wir auch von dir, dass du dich in eines der täglichen Aufgaben beteiligst. Du wirst dir gleich einen Bereich aussuchen können. Wenn du deine Pflichten vernachlässigst wird dein Taschengeld gekürzt. Wie alt bist du?", fragte sie mich zum ersten Mal direkt.

„Sechszehn." Sie überlegte kurz, nahm einen Zug von ihrer Zigarette und nickte dann.

„Dann kriegst du wie die anderen in deinem Alter 120 Dollar in Monat. Davon erwarten wir natürlich nicht, dass du die schulischen Materialien bezahlst. Wenn du Notizblöcke oder Bücher besorgen musst, dann bring mir einfach die Rechnung und es wird von uns gedeckt. Alles andere musst du mit deinem eigenen Taschengeld Haushalten. Der rote Wagen in der Garage dürft ihr Jugendlichen auch nutzen. Im Tank aber immer genug drin lassen."

„Ich kann nicht fahren." Stirnrunzelnd schaute sie mich an „Ich habe keinen Führerschein. In Deutschland macht man den erst mit 17 oder 18."

Sie nickte nur kurz, fuhr aber mit ihren Punkten fort.

„Dann musst du selbst organisieren wie du in die Stadt oder zur Schule kommst. Die anderen nehmen dich bestimmt mit, wenn sie fahren. Wenn keiner fährt kannst du immer noch die Fahrräder nutzen. Damit wird man aber mindestens 1 1/2 Stunden brauchen. Du wirst das schon irgendwie hinbekommen. Kommen wir zu deinen Pflichten. Dein Zimmer ist deine Verantwortung. Niemand sonst wird sich hier darum kümmern." Ich nickte. Mir gefiel es sowieso nicht wenn andere in meinen Zimmer stöbern konnten. Tante Nina nahm noch einen Zug ihrer Zigarette und warf einen Blick auf das Papier vor sich.

Die Erben der Drachen - GlaciaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt