Kapitel 10 - Willkommen auf Hilltop High

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Die wenigen Tage bis zum Schulstart vergingen schneller als erwartet. Ich half noch immer im Garten und Gewächshaus aus, war deutlich langsamer als die anderen aber ich tat meinen Teil. Die Stachelbeeren deren Büsche leer wurden, rissen mir die langsam verheilenden Hände wieder auf. Wir erntete auch schon die ersten Zwiebeln, Knoblauch und sogar Karrotten. Die Kürbisse waren, meinte Onkel Janik, noch nicht soweit.

Sport gehörte, zu meiner Qual, zur täglichen Routine dazu, was mir aber eine perfekte Möglichkeit bot meinen Verwandten mit ihren Gaben zu  beobachten. Ich sah wie der kleine Frank, der uns das letzte mal die Trommelfelder fast zerstört hatte, stattdessen Gläser aus 4 Meter Entfernung zerschmetterte. Tante Linda eine der etwas älteren Generationen, verschwand vor meinen Augen und tauchte wieder auf. Die Chamäleonhaut war auch eine sehr selten Fähigkeit.
Großonkel Burkhard war wahrscheinlich der Älteste hier in der Villa, sogar noch älter als Großpapa Lui. Er dehnte sich und seine ledrigen Flügel als ich gemächlich an ihm vorbei joggte. Anders als Onkel Janik, konnte Großonkel Burkhard seine Flügel so einklappen das sie hauteng an seinem Rücken auf lagen. Mit zwei großen Flügelschlägen flog er schon in der Luft und verschwand aus meinem Sichtfeld. Es erinnerte mich an meinen Vater. Vieles erinnerte mich an meine Eltern. Das tägliche Training, die Gespräche mit Tamara, selbst Onkel Sam. Es tat jeden Tag weh.

Heute war es soweit. Schule hatte begonnen und man merkte es schon am Frühstückstisch. Alle waren wach. Meine Cousins und Cousinen hatten sich herausgeputzt um am ersten Tag einen guten gehoben Eindruck zu machen. Die Mädels waren geschminkt und hatten teuer aussehenden Schmuck an. Die Jungs hatten sich die Haare aufwändig frisiert. Sie sahen für mich alle so aus als ob die sich viel zu viel Mühe machten. Es war eine Schule, kein Schönheitswettbewerb.
Ich hatte mir ein bequemes Shirt mit dem Pink Floyd Logo und dem Liedtitel „the Wall" drauf gedruckt. Es war die Lieblingsbands meiner Mutter gewesen. Instinktiv hatte ich nach etwas vertrautem gegriffen und es war locker und luftig.  Vorsichtshalber wickelte ich mir noch einen Pulli um die Hüfte, hatte eine Jacke bei und war startklar.

„Wir fahren gleich in die Schule und dann stellen wir dich dem Direktor und dem Sekretariat vor." Onkel Sam hatte sich neben mich gesetzt und aß sein Rührei.

„Ich habe aber noch alle meine Bücher nicht abholen können...", sagte ich in der Hoffnung noch nicht in die Schule gehen zu müssen. Viele meiner Cousinen sind auch in meiner Stufe, womöglich sogar dann auch in den Klassen die ich besuchen werde.  Ich wollte jeden Kontakt mit denen vermeiden. Schwierig bei einer Schule von vielleicht 300-500 Schülern. Sam lächelte. Er wusste das ich nicht wollte, aber mir blieb keine Wahl. Hilltop High war die einzige Highschool weit und breit.

„Keine Sorge. Es wird keiner Erwarten, dass du alle Bücher oder Lektüren haben wirst." Schnell blinzelte er und ich erkannte sofort das er eine Vision hatte. Nur eine kleine. Er hatte es als einen kleinen Blick in ein Schlüsselloch bezeichnet. Er schüttelte den Kopf und war wieder nach ein paar kurzen Sekunden wieder in der Wirklichkeit. Sein Lächeln kam wieder und er wiederholte: „Nein, dass wird wirklich keiner erwarten."

Wir saßen im einem großen Wagen, mit Ivana und ein paar meiner Cousin die zur Schule mussten. Es sind 3 Autos losgefahren. Onkel Sam war der einzige Erwachsene der die Kinder fuhr. Ein paar der älteren Cousins hatten schon einen Führerschein und durften bereits mit den Familienwagen fahren. Scheinbar konnte man ihn hier in Kanada früher machen als in Deutschland.

Ich saß vorne mit Onkel Sam und betrachtete die Szenerie die an uns vorbeiflog. Es würde ein schöner heller Tag werden. Nur kleine Schäfchen Wolken flogen am Himmel. Frost und kleine Flächen Schnee hatten sich am Waldboden und den Bäumen fest gesetzt. Wie ein flicken Teppich gab es immer wieder diese weißen Flecken Schnee. Onkel Sam schien recht mit seiner Vorhersage gehabt zu haben. Der Winter kam früh. Insgeheim hoffte ich das die Händler daraus lernen würden. Aber ich konnte mir gut vorstellen, was auch immer meine Familie wusste, selbst wenn sie es mit der Kleinstadt teilen würde, würde die anderen Bewohnen ihnen misstrauen. Ich konnte ihnen selbst nicht ganz warm werden. Wie muss es dann für Außenstehende aussehen?

Die Erben der Drachen - GlaciaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt