KAPITEL 48

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Die Autofahrt verlief sehr, sehr still, weil ich mich voll darauf konzentrieren musste, nicht irgendeinen Quatsch zu plappern. Das ist so eine Angewohnheit von mir, die ich schon als Kind hatte. Auch Jin sagt kein Wort, schaut aber ab und an besorgt zu mir herüber, als würde er erwarten, dass ich jeden Moment die Autotür aufreiße und rausspringe. Aber ich bin so aufgeregt, dass ich mit meinen zittrigen Händen nicht mal die Tür öffnen könnte. Hoseok wartet. Auf mich!

Das ist ein unbeschreibliches Gefühl. Zu wissen, dass es da draußen jemanden gibt, der auf mich wartet und der mich liebt. Vorsichtig streiche ich über das Kleid und begradige eine Falte. Dieses Kleid ist das Schönste, was ich je getragen habe. Und es wurde genauso offensichtlich von Hoseok ausgesucht, wie es zu ihm passt. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, wenn ich gleich neben ihm stehen werde, nicht mehr ganz so unscheinbar auszusehen.

Die Straßenlampen erfüllen das Wageninnere mit Licht. Das ist ein beruhigendes Gefühl. Als würde man aus der Dunkelheit entkommen und sofort von orangenem Licht empfangen. Immer wieder flutet das Licht die Straßen. Ich konzentriere mich darauf, damit ich nicht noch nervöser werde. Mein Atem wird langsamer und meine Hände hören auf zu zittern. Als ich wieder ruhig bin, drehe ich meinen Kopf zu Jin und frage ihn, wo wir hinfahren. Er lächelt nachsichtig, als hätte ich es schon längst erkennen müssen. "Schau dich um, dann wirst du es merken." sagt er, ohne die Augen von der Straße abzuwenden. Ich runzle die Stirn.

Als die nächste Laterne in Sicht kommt, versuche ich etwas zu erkennen, sehe aber in der Ferne nur ein Glitzern, dass sich kilometerweit in Richtung Horizont erstreckt. Ich denke nach. Was könnte das sein? Plötzlich bricht der Mond hinter den Wolken vor und taucht alles in silbriges Licht. Mein Atem stockt. Was vorher nur geglitzert hat, strahlt und funkelt jetzt regelrecht. Ich erkenne das Meer und in der Ferne die Silhouette eines Schiffes, das sanft in den Wellen schaukelt. Das Meer wirft Wellen an den Strand und zieht sie dann wieder zurück, sodass der Sand feucht glänzt.

Das Auto bleibt stehen und das wäre wahrscheinlich der geeignete Moment, auszusteigen, aber ich bleibe sitzen mit im Schoß verschränkten Händen und betrachte das Wasser. Es ist neben Hobi das Wundervollste, was ich je gesehen habe. Vollkommen von der Natur geschaffen. Das Meer holt sich, was es will und gibt dafür auch ab. Die Muscheln, die an den Strand gespült werden. Die Glassteine. Quallen.

"Na komm. Hobi wartet!" sagt Jin und scheucht mich aus dem Auto. "Einfach hier lang. Er steht da vorne am Strand." erklärt er und deutet auf eine Silhouette etwa dreihundert Meter von mir entfernt. Wieder werde ich nervös. Er ist so nah! Ich danke Jin und laufe los. Gemäßigt und ruhig, aber schon nach fünfzig Metern ziehe ich meine Schuhe aus und renne los. Ich laufe so überstürzt, dass ich strauchle, aber ich fange mich und laufe weiter. Jetzt achte ich darauf, wo ich meine Füße hinsetze und komme schneller voran. Der gepflasterte Weg endet bald und ich stehe im weichsten Sand, den ich je gespürt habe. Ich bleibe kurz stehen und grabe meine Zehen in den Sand. Dann laufe ich mit großen Schritten weiter, komme aber deutlich langsamer voran. Und obwohl der Sand jedes Geräusch schluckt, merkt Hobi das ich da bin, als ich zwanzig Meter hinter ihm bin. Er dreht sich um und endlich kann ich wieder in sein Gesicht sehen, von Angesicht zu Angesicht. Nicht übers Handy, ohne diese unendlich wirkende Entfernung zwischen uns.

Ich bleibe stehen, weiß plötzlich nicht, wie ich weiterlaufen soll; kann meine Beine nicht rühren. Meine Brust fühlt sich an wie zugeschnürt und ich spüre, wie Freudentränen meine Wange hinunterrinnen, aber ich wische sie nicht weg. Hobi rennt los und kommt auf mich zu, so schnell es in dem Sand eben geht. Ein paar Zentimeter vor mir bleibt er stehen, sodass sich unsere Nasenspitzen fast berühren und ich seinen warmen Atem auf meinem Gesicht spüren kann.

Ich hebe meine Hand und lege sie an seine Wange. Wärme durchströmt mein Körper, als meine Haut nach so langer Zeit seine berührt. Hoseok lächelt und legt seinerseits seine Hand in meinen Nacken, ehe er seine Lippen sanft und viel zu kurz auf meine legt. Es ist kein Kuss, sondern eher eine hauchzarte Berührung. "Ich habe dich vermisst." flüstert er in mein Ohr. Ich lächle. "Ich dich auch." erwidere ich. Er legt seine Lippen erneut auf meine, diesmal allerdings fester und damit auch viel intensiver, sodass ich nach einer Weile nach Luft schnappe. Als er dann einen kleinen Schritt zurück macht fahre ich mit meinen Fingern sanft die Kontur seines Gesichtes nach. Seine Jawline, seine Wangenknochen, seine Kinnpartie. Währenddessen lächle ich ihn liebevoll an und frage mich - wieder einmal - wie man so ein perfektes Gesicht haben kann und vor allem, warum all das mir zu Teil wird.

Hobi legt seine Hand auf meine, die immer noch an seinem Gesicht liegt, und streicht mit seinem Daumen über meinen Handrücken "Ich liebe dich, das weißt du, oder?" fragt er und legt den Kopf schief. Ich nicke. "Ja, das weiß ich. Und ich liebe dich auch." antworte ich ihm und verschränke unsere Finger miteinander.

"Du siehst wunderschön aus. Das Kleid steht dir wirklich richtig gut." sagt er. Wieder fange ich an zu grinsen.

"Danke. Es ist wunderschön. Aber du siehst in deinem Anzug auch sehr gut aus." gebe ich zurück und mustere seine Kleidung. Der Anzug kommt mir bekannt vor, dabei ist es sicher keiner, den er schon mal getragen hat, als er auf der Bühne oder bei einer Show war. Und es ist auch nicht der, den er im FACILE getragen hat. Trotzdem bin ich mir sicher, ihn darin schon einmal gesehen zu haben. Aber wann denn nur? Letztes Jahr hat, er als er bei mir zu Hause war, nicht einmal einen Anzug angehabt. Ich denke nach und plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. "Den Anzug hattest du an, als diese Minja-Tussi bei euch war, oder?" frage ich und lege eine Hand auf den Stoff. Leider hat sie echt gute Arbeit geleistet.

Hobi nickt und lächelt gequält. "Ja. Deswegen konnten wir euch nicht sagen, warum sie bei uns war. Wir hätten die ganze Überraschung kaputt gemacht." erklärt er.

Ich nicke. Etwas in der Art habe ich mir schon gedacht. "Eigentlich wollten wir alle damit zu eurem Abschlussball kommen, aber das hat uns der Manager nicht erlaubt." fügt er hinzu. Ich grinse. Ja, das hätte diesen Tag wahrscheinlich um einiges erträglicher gemacht. Aber was solls. Ich bin wieder bei Hobi und muss nicht mehr gehen. Ich werde jetzt ein wunderschönes Date haben. Mit dem Menschen, den ich liebe. Und als ich in Hobis Augen sehe, weiß ich, dass er sich genauso freut wie ich.

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