„Carter," zischte ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und starrte ihn an. Er sah zugegebenermaßen gar nicht schlecht aus - blonde, leicht gelockte Haare, blaue Augen, gut gebauter Körper und ein Lächeln zum dahinschmelzen.
Aber das war alles Fassade. Sein Charme. Und den benutzte er, um zu bekommen was er will. Wodurch er auch bekommt, was er will. Außer mich. Mich bekommt er nicht. Und deswegen lässt er nicht locker. Weil er ja bekanntlich alles bekommt, was er haben will. Und da kann es nicht sein, dass er was nicht bekommt, was er haben will. Verwöhnter Idiot.
„Schön dich wiederzusehen," lächelte er mich mit dem falschesten aller Fake-Lächeln an. Ich verzog das Gesicht. Wie konnte man nur so falsch sein?
„Ja die Freude ist ganz meinerseits Carter, aber wie du siehst war ich auf dem Weg nach Hause. Also Tschüss," drehte ich mich um und versuchte ihn abzuwimmeln. Betonung auf "versuchte". Denn so wie ich Carter kannte, würde er nicht locker lassen. Solange bis er eben hatte, was er wollte. Aber da müsste er lange warten.
"Ach komm schon Cara, jetzt fängt die Party doch gerade erst an, Spaß zu machen, jetzt kannst du doch nicht ernsthaft gehen wollen. Also das willst du dir echt nicht entgehen lassen, Vorallem in Begleitung von so einem heißen, gutaussehend...," fing er schon wieder an, wurde aber durch Emmy unterbrochen.
Diese hatte bis jetzt, mit den einigen Flaschen Bier kämpfend, die sie Intus hatte, bei den Fahrrädern auf dem Boden gesessen, war aber dann wie auf das Stichwort "Carter" langsam auf uns zu gewankt. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass sie sich schon neben mir befand, als Carter's Rede durch ein würgegeräusch unterbrochen wurde und sie sich Millisekunden später auf seine "Daddy-hat-mir-die-allerneuesten-Designer-Protz-Schuhe-gekauft-mit-denen-ich-jetzt-erst-mal-angeben-werde"-Schuhe übergab.
Em murmelte noch ein "Ssssorryyy", bevor sich der nun sehr wütende Carter umdrehte, wahrscheinlich um seine geliebten Schuhe zu waschen, und uns beide stehen ließ. Ich lachte lauthals los und schlug mit Em ein, die zwar den Grund nicht verstand, wieso wir das taten, aber sie machte trotzdem mit.
Immer noch lachend, setzten wir uns auf unsere Fahrräder und fuhren in einem Schneckentempo nach Hause, weil ich Em in ihrem Zustand nicht zumuten wollte, schnell zu fahren und außerdem fuhr sie so krasse Schlangenlinien, dass sie im Endeffekt einen dreimal so langen Weg gefahren war, wie ich.
Um kurz vor elf waren wir zuhause. Das Auto meiner Mom war vor dem Haus geparkt, woraus ich schloss, dass mein Bruder auch zuhause wäre. Emely sich selbst überlassend rannte ich schon förmlich ins Wohnzimmer, wo ich meine Eltern leise reden vernahm.
"Mom, Dad," machte ich sie auf mich aufmerksam. Sie saßen auf der Couch und unterbrachen sofort ihre angeregte Diskussion. Meine Mom lächelte mich müde an und im kahlen Licht der Stehlampe neben der Couch saß sie alt aus. Älter als sonst. Deutliche Sorgenfalten zierten ihr bildhübsches Gesicht und ich fragte mich, warum der Unfall sie so mitnahm, wenn doch alles gut ausgegangen war.
"Hallo, Schätzchen. Wie war die Party?," fragte meine Mom und versuchte sich an einem ehrlichen Lächeln. Moment, woher wusste sie von der Party? Ich hatte es ihr doch gar nicht erzählt? Als könnte sie meine Gedanken lesen, antwortete sie "Emely hat mir schon von der Party erzählt. Sie meinte es wäre eine gute Möglichkeit um dich von dem Schock abzulenken..." Ich fiel meiner Mutter ins Wort. "Wo ist Noah? Wie geht es ihm? Schläft er schon? Was haben die Ärzte gesagt?"
Mein Vater, der bis jetzt noch nichts gesagt hatte meinte nur: "Cara, Noah ist oben in seinem Zimmer und vermutlich schläft er noch nicht. Du kannst ihn ja selber fragen, wie es ihm geht, er wird es dir wahrscheinlich besser erzählen können. Aber deine Mom und ich haben noch was wichtiges zu besprechen, also..." "Ja schon klar, ich geh schon," antwortete ich und lief aus dem Wohnzimmer, um die Ecke und lief dann lautstark die halbe Treppe hoch, nur um dann auf Zehenspitzen wieder nach unten zu laufen und dem Gespräch meiner Eltern zu lauschen.
Ich wusste, dass sich so etwas eigentlich nicht gehörte, aber da meine Eltern sonst eigentlich nie etwas vor mir verheimlichen, wusste ich, dass es ernst war.
Ich könnte nur einige Wortfetzen wie "Geschäftsreise" und "Europa" verstehen, die sich für mich nicht zu außergewöhnlich anhörten, da ich es gewohnt war, dass meine Mom ab und an für einige Tage oder Wochen wegen ihrem Job nach Europa musste.
Als ich jedoch hörte, wie meine Mom anfangs leiser, aber dann immer lauter schluchzte, strengte ich mich noch mehr an, etwas von dem Gespräch mitzubekommen.Was ich mir jedoch im nächsten Moment wünschte, nicht getan zu haben, da ich etwas ganz klar und deutlich hörte, was einfach keinen Sinn ergab und bei dem ich auch nicht wollte, dass es Sinn ergab.
„Aber, wir können sie doch nicht alleine hier lassen!"
Zwei Stunden später konnte ich immer noch nicht schlafen. Ich hatte kurz bei meinem Bruder vorbeigeschaut, der zwar schon geschlafen hatte, aber trotzdem ganz okay und nicht zu fertig und mitgenommen ausgesehen hatte, und war dann in mein Zimmer gegangen. Ich hatte kurz in meinem eigenen kleinen Bad geduscht und mich dann abgeschminkt, eine graue Schlafshorts und ein Tanktop angezogen und mich dann ins Bett gelegt.
Anfangs hatte ich noch versucht, einzuschlafen, aber nach einer Weile hatte ich es auch aufgegeben, Schäfchen zu zählen, weil ein bestimmter Satz mich davon abhielt, ins Land der Träume zu sinken, den ich bestimmt nicht durch Schäfchen zählen aus meinem Kopf bekam. „Aber, wir können sie doch hier nicht alleine lassen!" hallte die weinende Stimme meiner Mutter durch meinen Kopf wie ein Echo, immer und immer wieder.
Und es gab einfach keinen Sinn. Normalerweise war sie auch nicht so aufgebracht wegen einer Geschäftsreise nach Europa. Sie ging einfach und kam wieder. Nur dieses Mal hatte ich so ein Gefühl, dass es anders sein würde, als sonst.Wen hatte sie wohl mit "wir" gemeint? Und wen wollte sie zurücklassen? Ich fuhr mir über das Gesicht und griff nach meinem Handy, was auf meinem Nachttisch lag. Kurz nach halb vier. Verdammt. Morgen war Montag, oder wenn man es sich genau überlegte, dann war heute schon Montag, und ich wusste jetzt schon, dass ich morgen komplett übermüdet aufwachen würde.
Einer der Vorteile von Homeschooling, da sieht dich dann nicht jeder als Cara der Zombie mit den riesigen Augenringen.
Wow, wie sympathisch meine innere Stimme doch war. Seufzend und wohl wissend, dass meine innere Stimme Recht hatte, griff ich nach meinen Kopfhörern, machte meine Schlaf-Playlist an, und lauschte den Anfangsklängen des ersten Liedes.
"She's staring at me
I'm sitting wondering what's she thinking
Nobody's talking cause talking just turns into screamingAnd now as I'm yelling over her she yelling over me
All that that means is that neither of us is listening
And what's even worse?
That we don't even remember why we're fightingSo both of us are mad for nothing nothing nothing
But we won't let it go for nothing, nothing, this should mean nothing to a love like what we got oh baby
I know sometimes it's gonna rain
But baby can we make up now cause I can't sleep through the painOh I don't want to go to bed mad at you
And I don't want you to go to bed mad at me
No I don't want to go to bed mad at you
And I don't want you to go to bed mad at me."Ich wusste nicht wie, aber Ne-Yo schaffte es, dass ich innerhalb von nur wenigen Minuten einschlief und diesen einen bestimmten Satz zwar nicht vergaß, aber in die allerletzten Ecken meines Gehirns verdrängte.
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SURFER LOVE
Teen FictionCara und Tyler kennen sich schon ihr ganzes Leben lang und sind mit ihren beiden Familien in einem großen Haus auf Hawaii aufgewachsen. Aber was, wenn sie durch einen harten Schicksalsschlag plötzlich auf einen anderen Kontinent ziehen müssen? Und w...