Fünf - "Spiel nicht mit dem Feuer"

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Deutschland also. Ich war erst viermal zwei Wochen lang dort gewesen, zwei mal an der Nordsee und zweimal am Bodensee. Dort hatten wir meine Großeltern väterlicherseits und mütterlicherseits besucht und ich muss sagen, es hat mir dort auch sehr gefallen. Für einen Urlaubsort war es wunderschön, aber zum dauerhaft dort leben?
Es ist auf jeden Fall anders als Hawaii, das steht fest, und außerdem darf ich nicht vergessen, dass man dort nicht mehr surfen kann. Klar, wir werden an den größten See Deutschlands ziehen, aber trotzdem war es in keinem Fall mit dem Meer oder dem Ozean zu vergleichen. Wenn wir Glück hatten, konnten wir noch windsurfen, aber Wellenreiten, dass können wir eigentlich gleich vergessen.

Die Gedanken daran, mein geliebtes Hobby aufgeben zu müssen, versetzten mir einen Stich ins Herz und missmutig stopfte ich den letzten Stapel Bücher aus meinem Regal in einen der Umzugskartons. Mit einem Blick in den Karton stellte ich fest, dass dieser bereits voll war, und so klebte ich den Karton mit Klebeband zu und ächzte deutlich unter dem schweren Gewicht, als ich die Kiste anhob.
Nur mit Mühe kam ich die Treppe herunter und machte mich anschließend auf den Weg zur Garage, in die wir alle Kisten verstauen sollten.

"Cara, na, wie kommst du voran?," fragte mich mein sichtlich gestresster Dad. "Geht so. Außer meinen Klamotten und Surfbrettern habe ich schon alles in Kisten gepackt. Ich geh zum Strand, okay Dad?" "Ja klar. Aber heute Abend musst du deine Klamotten fertig packen. Morgen kommt der Container und bis dahin muss alles fertig gepackt sein. Okay?" Mein Vater klebte mühsam eine Kiste zu. Ich half ihm und versprach ihm dann, heute Abend meine restlichen Sachen zu packen. Ich rannte schon förmlich in mein Zimmer und zog mir schnell einen roten Bikini an und ein Surfshirt darüber. Barfuß rannte ich in die Küche und holte mir einen Apfel und eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. "Cara, gehst du zum Strand?" Ich drehte mich um und sah Tyler, der mit einer Kiste auf mich zu kam, die nur so überquillte.

"Ja, ich wollte surfen gehen. Wenn du willst kannst du ja mitkommen?" Er nickte und ich wollte gerade mit meinem Handtuch und der Flasche in der Hand und dem Apfel im Mund aus der Türe gehen, als ich den Apfel noch mal aus dem Mund nahm und mich zu Tyler umdrehte. Er stand mit dem Rücken zu mir und lehnte sich entspannt gegen die Küchenzeile. Nicht mehr lange!
"Tyler!" Er erschrak sich nicht so sehr, wie ich mir es gewünscht hatte, zuckte aber dennoch bei meinem lauten Ruf zusammen. Engelshaft lächelnd drehte ich mich ganz zu ihm um und deutete mit meinem Kinn Richtung Umzugskartons. "Das kannst du lange versuchen, dass das da alles rein passt. Das sieht man ja schon so. Und beeil dich! Ich warte nicht so lange auf dich."
Mit jedem Satz kam Tyler näher und nach dem letzten flüsterte er mir ins Ohr: "Das werden wir ja noch sehen, wer hier auf wen warten wird." So schnell er konnte, drückte er sich an mir vorbei und ich brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, was er gerade tat. Verdammt!

So schnell mich meine Füße trugen rannte ich zum Schuppen, und schnappte mir mein Surfboard. Nicht sonderlich überrascht stellte ich fest, dass sein Board nicht mehr da war. Nicht mit mir, Freundchen! Ich rannte die letzten Meter zum Strand, ließ dann meine Sachen und das Board in den Sand fallen und rannte mit schnellen Schritten ins Waster.

Ich hatte Tyler bereits entgegen den Wellen nach draußen paddeln gesehen und grinste teuflisch als ich an meinen Racheplan dachte. Ich rannte zurück zu meinem Surfboard und schwamm auf ihm einige Meter aufs Meer raus. Dann machte ich die Leine von meinem Fuß ab und drehte mein Surfboard um. Ich wartete ab, bis eine große Welle bei mir ankam und schrie kurz davor, so laut ich konnte, nach Tyler.

Bevor die Welle brach, holte ich einmal tief Luft und tauchte dann unter. Gottseidank hatte ich kein Problem damit, unter Wasser die Augen aufzumachen, und obwohl meine Sicht dezent verschwommen war, fand ich doch problemlos meinen Weg zu einem der Felsen an der linken Seite des Strands.

Nach Luft schnappend tauchte dahinter auf und holte einmal tief Luft, bevor ich vorsichtig hinter dem Felsen hervorlugte. Ich konnte sehen, wie Tyler verzweifelt zu meinem Surfboard paddelte und sich die Haare raufte. "Cara! CARA! Verdammt, Cara!" Langsam tat er mir Leid, wie er da so völlig hilflos und verloren auf seinem Board sitzend nach mir suchte.

Ich wartete einen günstigen Moment ab und tauchte die circa zwanzig Meter zu Tyler. Unter seinem Board tauchte ich langsam auf und platzierte meine Hände auf der Unterseite. Bei drei würde ich ihn von seinem Brett werfen.
1...2...okay verdammt ich bekam keine Luft mehr, also schubste ich mit einem Ruck Tyler von seinem Board.

Lachend tauchte ich auf, kurz nach mir ein völlig entgeisterter Tyler. "Sag mal, spinnst du jetzt eigentlich vollkommen? Ich hatte echt Angst um dich und als Dank bekomm ich sowas!" Uh-oh. Er war sauer. Aber ich durfte nicht weich werden.
Ich schwamm gefährlich nahe an ihn dran und flüsterte ihm mit einer ziemlich ernst klingenden Stimme ins Ohr:

"Spiel nicht mit dem Feuer, Tyler Jayden Morris."

Damit lies ich ihn stehen und paddelte raus. Unter einer großen Welle machte ich einen Duck-Dive drunter durch und hörte so nur das letzte was er noch sagte.

"...ach egal. Aber falls du denkst, das mir das Angst macht, dann hast du dich geschnitten."

Ich stand provokant auf mein Surfboard und surfte auf einer perfekten Welle direkt in seine Richtung.

"Unterschätz mich mal nicht, Morris. Sonst tut's dir am Ende noch Leid."

Kopfschüttelnd wendete er sich von mir ab und wir surften noch ein paar Stunden zusammen, bis unsere Finger total verschrumpelt waren und wir beide am ganzen Körper zitterten, auch wenn Tyler mit aller Kraft versuchte, es zu unterdrücken.

Wir spülten zitternd das Salzwasser von unseren Boards ab und liefen dann triefnass und tropfend in die Küche, eine deutliche Wasserspur hinter uns her ziehend.

"Magst du auch eine heiße Schokolade?," fragte mich Tyler und ohne auf eine Antwort zu warten, füllte er Kakaopulver in zwei Tassen und setzte einen Topf mit Milch auf.

"Tyler! Cara! Kommt sofort her, verdammt!," hörten wir die sehr sauer klingende Stimme von Aaron.

Mit weit aufgerissenen Augen schaute ich Tyler an, welcher einen ähnlich entsetzten Gesichtsausdruck hatte. Bis er zurück rief "Wir kommen, Dad!" und mich hinter ihm her zog. Aaron stand im Flur und sah nicht glücklich aus. Ohne uns anzuschauen zeigte er auf die deutlichen Wasserflecken auf dem Parkett. "Könnt ihr mir das bitte mal erklären? Wie wäre es damit, den Boden zu wischen, wenn ihr euer Getränk verschüt-oh!"

Unser Aussehen musste wohl für sich sprechen, denn er sah uns streng an und meinte nur: "Duschen. Und zwar jetzt!" Ich rannte vor Tyler die Treppen hoch in mein Zimmer und stellte mich ganz kurz unter die warme Dusche. Danach zog ich mir eine gemütliche, hellgraue Jogginghose und ein weißes Langarmshirt an und machte mich danach dran, meine Klamotten Stapel für Stapel aus meinem Kleiderschrank auszuräumen.

Ich war gerade dabei, die erste Kiste zu verschließen, als Tyler mit zwei Tassen Kakao in der Hand in mein Zimmer kam. "Dankeschön," sagte ich lächelnd und nahm ihm die dampfende Tasse ab. "Wo sind eigentlich Noah und Emely?," fragte ich an Tyler gewandt, der sich mittlerweile einfach auf meinem Bett breit gemacht hatte. Fragen wird anscheinend überbewertet.
"Emely hat bei Luke übernachtet und Noah musste noch einmal zu einer Nachuntersuchung ins Krankenhaus."

Wie konnte ich eigentlich die letzte Woche so wenig von meinem Umfeld mitbekommen? Em verbrachte fast ihre gesamte Zeit mit Luke und meinen Bruder sah ich auch sehr selten. Allerdings hatte ich wegen des Umzugs ja auch alle Hände voll zu tun. "Ach übrigens, ich soll dir von Dad und Levi sagen, dass die ersten zwei Container schon da und wir schon jetzt unser Zeug einladen könnten."

Aus ursprünglich einem Container waren dann drei geworden, da unsere lieben Erzeuger eingesehen hatten, das unser ganzes Zeug nie und nimmer in nur einen Container passen würde.
Seufzend schaute ich auf den riesigen Klamottenhaufen vor mit und entschloss mich dann dazu, einfach schon mal alles außer den Klamotten einzuräumen.

"Okay," sagte ich und nahm die einen letzten Schluck von dem köstlichen Heißgetränk, "lass es uns anpacken."

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