7 Monate und 11 Tage vor der Abreise- 8:29 Uhr

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Der Ahornsirup ertränkte seine Pfannkuchen förmlich. Grinsend hielt Ark Alex einen Löffel hin:
"Damit lässt sich deine Suppe besser löffeln."
"Ist das etwa eine Anspielung darauf, dass ich zu viel Sirup benutze?"
"Exakt."
Alex lehnte sich über den breiten Tisch des Diners und sprach todernst:
"So etwas wie zu viel Ahornsirup gibt es nicht. Das ist die erste Lektion,die ich von meiner kanadischen Mutter gelernt habe."
Dann schob er sich grinsend einen Löffel voller Ahornsirup in den Mund.
Antartika konnte nicht aufhören zu grinsen. Schon den ganzen Morgen über.
Dann fiel Ark eine Frage ein, die ihr schon länger auf der Seele brannte:
"In was für einer Beziehung stehst du eigentlich zu Rebecca?"
Erleichtert, dass sie sich den Namen gemerkt hatte und nicht das "Rauchermädchen" gesagt hatte, bemerkte sie gar nicht die belustigte Falte zwischen Alex' Augenbrauen.
"Wir sind ziemlich gute Freunde. Aber warum fragst du?"
"Sie klang etwas... naja... einnehmend als sie mich fragte in welcher Beziehung ich zu dir stehe."
Sie hatte damit gerechnet, dass Alex verwirrt oder besorgt reagiert, aber dass er anfing seinen Nacken zu kratzen und seinen Blick zu senken, überraschte sie.
"Also Ark... Ich muss dir gestehen, ich habe sie darum gebeten dir diese Frage zu stellen, dass sie dies so grob und aggressiv macht hätte ich mir denken sollen. Rebecca ist nun mal so. Es tut mir Leid, ich hätte dich das selber fragen sollen. Aber es ist irgendwie einfacher einen Freund vorzuschieben. Zudem ist Rebecca meine einzige Freundin..."
Sein Gesicht war rot und sein Blick immer noch gesenkt.
Antartika folgte ihrem Impuls und legte ihre Hand auf seine.
Alex zuckte kurz, dann betrachtete er ihre Hand und fragte wie ein kleiner Junge:
"Verzeihst du mir?"
Bestimmt antwortete Ark: "Ja."
Sie fand es seltsam,was er getan hatte und konnte es nicht zuordnen, aber seine jetzige Reaktion erschien ihr sehr angebracht.
Daraufhin zog Ark ihre Hand zurück und löffelte weiter ihr Müsli.
Um das Thema zu wechseln fragte das blasse Mädchen:
"Willst du einen kleinen Zwischenstop in Chicago einlegen?"
Alex' Miene war undurchdringlich.
"Ich weiß nicht..."
"Es wäre ein angebrachtes Zeichen meiner Dankbarkeit. Außerdem kommst du heute eh nicht mehr bei dir Zuhause an. Also musst du irgendwo übernachten."
Sein Blick musterte ihr Gesicht.
"Ich glaube nicht, dass deine Eltern das gut finden."
"Das ist egal. Sie haben mich vergessen, also schulden sie auch mir etwas. Außerdem kennst du meine Eltern nicht. Sie sind sehr gastfreundlich."
Ark fand ihre Argumente mehr als überzeugend.
"Bitte, Alex tu mir den Gefallen. Ich schulde dir so viel."
Er starrte nachdenklich aus dem Fenster.
Dann murmelte er: "Ich war noch nie in Chicago."
"Okay, dann bleibst du bis morgen Mittag. Du bekommst Essen, ich zeige dir am Vormittag ein bisschen die Stadt und dann kannst du ganz ausgeruht wieder nach Detroit fahren."
Alex wusste, dass er Ark jetzt auch nicht mehr widersprechen konnte. Also nickte er und konnte sich sein Grinsen kaum verkneifen.
Dennoch plagten ihn Schuldgefühle. Er würde seine Mutter noch einen Tag länger alleine lassen müssen.
Als die Kellnerin kam, die eindeutig ein Auge auf Alex geworfen hatte, bezahlte dieser. Ark diskutierte mit ihm, doch er ließ sich nicht davon abhalten.
Als die Sonne bereits wieder hoch am Himmel stand holten sie ihre Koffer aus dem Zimmer. Während Alex den Jeep belud, checkte Ark aus.
Schweigend saßen beide wieder im Auto. Doch diesmal grinsten beide währenddessen.

Die untergehende Sonne stand tief am Horizont und bildete ein Kunstwerk mit dem Streifen der Flugzeuge und den vereinzelten Wolken. Antarktika dachte an den Spruch, den ihre Oma in solchen Momenten immer zu sagen pflegte:
"Wenn ein Künstler stirbt, lässt Gott ihn immer ein letztes Kunstwerk schaffen. Er darf den Himmel bemalen."
Ihr Opa und sie hatten sich immer vielsagend angeschaut. Oft hatte Ark versucht zu erklären, dass der Untergang der Sonne nicht gemalt ist, sondern das Licht sich in Wellen bewegt, die die Partikel der Luft anstrahlten. Aber ihre Oma wollte dies nie hören.
Durch das Verhältnis ihrer Großeltern hatte sie gelernt, wie jemand der so logisch dachte, wie sie, mit jemanden, der sich durch Gefühle und Glauben leiten ließ, zu Recht kommen kann.
Gegenseitiger Respekt war die Antwort.
In einer Welt in der jeder die andere Meinung einfach respektieren könnte, auch wenn er selber einer ganz anderen Meinung war, in so einer Welt wäre Ark niemals gemobbt worden.
"Wo müssen wir lang?"
Alex riss Ark aus ihren Gedanken.
"Links in Richtung dieses Vororts."
Alex nickte und ordnete sich sachte aus dem Stadtverkehr aus.
Obwohl er versuchte sich rein auf das Autofahren zu konzentrieren, machte ihn das bevorstehende Treffen mit Arks Familie nervös.

Der Briefkasten stand schräg im Vorgarten. Das Namensschild darauf war schon angerostet. Auch der Rasen war schon seit etwas längerem nicht mehr gemäht wurden. Alex parkte vor der blauen Gartenzaun.
Als das Auto still stand, beugte sich Ark zu ihn herüber und drückte zwei mal auf die Hupe.
Ein Hund fing an zu bellen, Ark kicherte und Alex war erstaunt davon, wie sehr ihn dieses Mädchen überraschen konnte.
"Lass das Gepäck erst mal hier. Wir können es gleich holen."
Damit sprang sie aus den Wagen und war mit wenigen Schritten auf der Veranda. Alex lief ihr langsam hinterher.
Die alte Holztür ging mit Schwung auf und ein Mädchen, etwas älter als die beiden quietschte freudig.
Sie sah Ark ähnlich, hätte aber nicht nur ihre dunkeln Augen, sondern auch fast schwarze Haare. Durch ihr weißes Kleid, wirkte ihre Haut mich gebräunte als Arks.
Die zwei Schwestern feilen sich in die Arme.
Ark löste sich freudig strahlend als Erste aus der Umarmung.
"Alex, das ist Lisa meine Schwester."
Sie reichte Alex ihre Hand: "Nenn mich einfach nur Lis, bitte. Aber Ark mit dir muss ich noch ein Hühnchen rupfen. Du kannst doch nicht einfach so einen heißen Typen mitbringen ohne mir vorher Bescheid zu sagen!"
Ein großer, muskulöser Junge mit dunklen Haaren, die in alle möglichen Richtungen abstanden, erschien hinter den zwei kleinen Mädchen.
"Lis, du bist vielleicht ein bisschen zu direkt."
"Hör bloß auf, Sam!", sie schlug spielerisch nach ihrem offensichtlichen Zwillingsbruder. Ark unterbrach dieses Schauspiel indem sie ihrem Bruder in die Arme fiel.
Dieser flüsterte ihr zu: "Ich habe dich so vermisst, Kleines."
Unsicher lächelnd stellte sie ihrem Bruder Alex vor.
"Hi, nett euch kennen zu lernen.", sagte Alex als er Sams Hand schüttelte.
Sam musterte ihn etwas skeptisch, doch dann bot er an mit Alex das Gepäck herein zu tragen.
Ark nickte zufrieden. Als die zwei Jungs sich entfernten fragte sie ihre ältere Schwester:
"Wo sind Mom und Dad?"
"Arbeiten. Denke ich..."
Lis lächelte und zerrte Ark in die gemütliche, aber unordentliche Küche.
"Aber jetzt erzählst du erst mal, wieso diesen Hottie mitgebracht hast. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, nur seid ihr zusammen? Habt ihr rumgemacht?"
"Lis! Nein, haben wir nicht und könntest du bitte aufhören so mit ihm zu reden?"
"Wie rede ich denn mit ihm?"
Ark seufzte genervt, aber auch belustigt. Sie hatte ihre Schwester auch vermisst.

Sam zog Arks Gepäck aus dem Kofferraum und wurf es locker auf seine Schultern.
"Also Alex, was willst du von Ark?"
Alex sah ihn mit seinem coolen Pokerface an.
"Nichts, was sie nicht selber will."
Sam zog seine Augenbraue hoch.
"Und das bedeutet?"
"Ich mag sie und sie mag mich, denke ich. Aber du musst dir keine Sorgen machen."
Ganz der große Bruder, baute sich Sam direkt vor Alex auf. Beide waren exakt auf einer Augenhöhe.
"Hör gut zu, wenn du meine Schwester verletzt, dann schwöre ich dir, komme ich in den scheiß Weltraum geflogen, um dich eigenhändig zu erwürgen. Sie hat es nicht verdient, dass jemand wie du sie verarscht. Nicht schon wieder."
Alex erwiderte den eindringlichen Blick und antworte trocken:
"Ich bin der Letzte, der Antarktika verletzen würde. Hättest du ein gutes Verhältnis zu deiner Schwester, wüsstest du das."
Damit ging Alex ins Haus.
Sam musste grinsen. Er mochte Alex jetzt schon, aber er würde ihn niemals den Gefallen tun, das zu zeigen.

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