7 Monate und 10 Tage vor der Abreise - 7:32 Uhr

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Die Sonne bahnte sich langsam durch die Fensterläden und kitzelte Arks Augen auf. Voller Tatendrang begann sie ihre Müdigkeit aus ihren halbgeschlossenen Augen zu reiben und ihre wilde Mähne in einem Dutt zu bändigen. Als sie sich im Bett aufsetzte, lies sie langsam ihren Blick durch ihr Zimmer gleiten. Diese Ordnung erfüllte sie mit einer Zufriedenheit, die sonst niemand verstand.

Ein Psychologe hatte sie vor 5 Jahren, 3 Monaten und 14 Tagen (ja, Ark hatte ein sehr gutes Gedächtnis, schon vergessen?) fälschlicherweise mit einer Zwangsstörung diagnostiziert. Doch es war kein Zwang. Ark konnte es ertragen, wenn das Bild ihres Großvaters am Nordpol schief hing oder der Schreibtischstuhl nicht diagonal zum beinahe blanken Schreibtisch stand. Aber es gab ihr Sicherheit, eine genaue Ordnung zu haben, zu der sie immer zurückkehren konnte, wenn in ihrem Leben außerhalb dieses Zimmers weder Ordnung noch Struktur herrschte. Also stand sie auf um das Bild ihres Papi gerade zu rücken. Er hätte es verstanden.

Genauso wie Alex, der sie schmunzelnd musterte. "Du weißt, aber schon, dass es vorher exakt genauso gerade hing?"

Ark sah ihn mit gespielt empörten Blick an: "Als aller erstes sagt man "Guten Morgen". Besonders wenn man nur ein Gast ist." -"Oh, entschuldigen Sie bitte. Guten Morgen Eure hochwohlgeborene Gnädigkeit.", wie von Taranteln gestochen sprang Alex dabei hoch und verbeugte sich sehr tief vor Antarktika. Sie begann herzlich darüber zu lachen und er strahlte sie von unten an. Seine dunklen Augen begannen immer besonders zu funkeln, wenn Ark lachte. Grinsend öffnete Ark ihre Fensterläden und fragte fröhlich: "Hast du Lust in der Stadt zu frühstücken? Ich könnte dir dann noch ein bisschen von Chicago zeigen bevor du weiter fährst." Alex nickte zustimmend und war sich, trotz ihrer sinn gerichteten Erklärung sicher, dass sie einfach nur nicht in diesem Haus sein wollte. Er kam nicht ohnehin sich zu fragen, ob es an ihm liegt oder ob er es nun schon verstand warum es ihr scheinbar leicht fiel auf den Mars zu ziehen.

Die Stadt war voll mit Menschen und doch hatte Ark das Gefühl nur Alex wirklich wahrzunehmen. Erschreckend. So ein unlogischer Gedanke. Doch egal wie sehr Ark sich bemühte, sobald seine Augen ihre trafen, war sie völlig in seinen Bann gezogen. Er war wie ein gutes Buch, das einen nicht wahrnehmen lässt was um einen herum passiert, oder Geräuschunterdrückende Kopfhörer. Kein Wunder also, dass sie beinahe von einem Taxi angefahren wäre, hätte Alex sie an der roten Ampel nicht zurückgezogen.

"Holy crap, Ark! Soll ich dich an die Hand nehmen, wenn du es nicht alleine über die Straße schaffst?"

Erschrocken murmelte sie nur: "Nein, nein, das geht schon. Ich... ähm, wollte dir eine etwas persönliche Tour durch meine city geben, als es für Touristen üblich ist, ich hoffe das ist in Ordnung für dich?"

Wieder einmal nickte er grinsend. Er bemerkte sogar selber, dass dies ein Dauerzustand wurde. Doch sein Gesicht begann automatisch zu strahlen, sobald er auf dieses unglaublich begabte und besondere Mädchen herab schaute. Auch wenn es gar nicht zu dem Image passte, was er gerne von sich zeigte. Vor Ark konnte auch er, einfach er selber sein, ohne diesen Drang ständig hart rüberkommen zu müssen.

Nach einer kleinen Tour durch ein Museum der impressionistischen Kunstgeschichte, eine erschlagend große Bibliothek und einem unscheinbaren Park voller Stille abseits der Menschenmassen, hatte Ark Alex jeden Platz gezeigt, den ihr Großvater ihr damals gezeigt hatte und an denen immer ein Teil von ihr hängen würde. Alex war beeindruckt, dass Ark diese Plätze ihre wahren Schulen nannte. Als sie an einem kleinen Cafe ankamen, in dem ausschließlich Menschen mit Laptops arbeiteten, verkündete Ark stolz, dies sei ihr absolutes Lieblingscafe in ganz Chicago.

"Warum?", fragte Alex, als sie sich in eine Nische am Fenster quetschten.

"Weil hier jeder alleine ist und man sich deswegen als Gemeinschaft alleine fühlt."

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