10 Monate vor der Abreise - 14:03 Uhr

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Die Stahltür fiel langsam und laut zu. Die Ausbilderin Mrs Martin verschloss sie von außen. Wie so oft hatte sie keine Ahnung was sich im Innenraum in den nächsten 24 Stunden abspielen würde. Sie musste sich bis übermorgen gedulden, denn da erst analysierte sie mit der ganzen Gruppe die Aufnahmen. Schmunzelnd erinnerte sie sich an ihre Ausbildungszeit und drehte den Ring an ihrem Finger. Dann ging sie, während sie das Funkgerät in ihre Hosentasche rutschen lies.

Auf der anderen Seite der Tür bezog Antarktika ihr Bett. Es herrschte Stille zwischen ihr, Alex und dem unscheinbaren Daniel McDough. Daniel tat es Antarktika gleich sich sein Quartier zu Recht zu machen, während Alex sich noch einmal alle Geräte und Vorräte anschaute, die Mrs Martin ihnen schon in der Einführung gezeugt hatte.
"Es ist irgendwie sinnlos.", murmelte Daniel.
"Wie meinst du das?", fragte Ark und betrachtete ihn das erste Mal interessiert.
Daniel wurde rot. "Naja, ich meine wir sind in einer perfekten Nachbildung eines Raumschiffs um uns an das Gefühl zu gewöhnen, aber der entscheidende Faktor fehlt. Es herrscht keine Schwerelosigkeit."
Seine blauen Augen glitzerten hinter seiner großen Brille.
Alex schmunzelte über den Biologen.
"Dafür trainieren wir andere Faktoren. Psychische Faktoren, die nicht zu unterschätzen sind.", Ark konnte es nicht lassen.
"Hm.", machte Daniel so überzeugt, wie sein Bett ordentlich bezogen war.
Dann begann auch Alex sich seinen Teil des Raums vorzubereiten und Ark machte sich daran den Raum noch einmal genauer zu betrachten. Alles war in ordentlich verschlossene Tüten verstaut die entweder in fest verschlossenen Schränken lagen oder mit Gurten festgezurrt waren. Dann fiel ihr Blick auf einen unbefestigten Zettel auf einer Ablagefläche in der Mitte.
"Leute hier ist unsere Anweisung. Unsere Aufgaben für die nächsten 24 Stunden."
"Lies mal vor!", Daniel legte seinen Kopf in seine Hände und sah sie aufmerksam an.
"Aufgabe 1: Einen normalen Tagesablauf gestalten und Routinen entwickeln.
Aufgabe 2: Das Raumschiff optimieren.
Aufgabe 3: Experimentreihen für unsere Spezialgebiete vorbereiten und wenn möglich durchführen.
All dies protokollieren."
Alex hatte nicht den Anschein gemacht zu zuhören. Doch nun grinste er.
"Arbeiten wir der Reihe nach und Essen erst mal etwas."
Ark wollte direkt den Geschlechtsstereotypen entgegen arbeiten und sagte: "Kümmer du dich zu erst darum. Am besten schaust du mal auf der Liste hier neben dem Tisch nach und suchst dir aus was du zubereiten willst."
"Zubereiten? Ich dachte wir quetschen alles aus Tuben...", Daniels Stimme senkte sich als Ark und Alex ihn mit hochgezogenen Augenbrauen anstarrten.
"1970 haben wir hinter uns gelassen mein Lieber.", antwortete Alex.
Ark fand diese Bemerkung unproduktiv und wies Daniel lieber in der nächsten halbe Stunde nochmal in den gesamten Übungsraum ein, während Alex das luftdichtverpackte  Chili öffnete, die angegebene Menge Wasser hinzufügte und aufwärmte.
Zufrieden grinsend portionierte er es auf drei Teller und drückte es jedem in die Hand. Ark schnappte sich ihren Wasserbeutel und setzte sich im Schneidersitz auf ihr Bett.
Während sie aßen, sagte keiner ein Wort und als sie fertig waren, stand Alex auf, nahm Daniels Teller und stellte sich vor Ark.
"Ich kann die auch sauber machen.", sagte diese und deutete auf das Geschirr.
"Schon gut.", Alex nahm ihr dabei den Teller sachte aus der Hand und berührte fast unmerklich, doch sehr absichtlich ihre Finger.

7 Stunden später hatten alle Drei ihre separaten Experimente, sowie ihr Abendessen (von Daniel zu bereiteter Kalbsbraten mit Reis und Gemüse) beendet und Daniel hatte sich Kopfhörer in seine Ohren gesteckt, um Meeresrauschen zu hören, was ihn auf den Fleck weg einschlafen ließ.
Ark kam gerade aus der Dusche in ihrem NASA-Einteiler-Schlafanzug-Ding und Alex lag in seinem Bett und las ein Buch.
Caroline überlegte kurz die Konsequenzen ihres gewünschten Handelns und begann das erste Mal richtig mit Alex zu reden.
"Was liest du gerade?"
"Deo ex Machina. Zum Dritten mal."
"Das mag ich auch."
 Alex sah sie kurz an, dann las er weiter.
So schnell hatte ihr Gespräch schon geendet? Nach einem Satz seinerseits.
Damit hatte Ark nicht gerechnet.
Da sie nicht wusste, ob sie sich jemals wieder nur zu Zweit unterhalten würden,fragte sie etwas holprig:
 "Alex?"
"Hm?"
"Danke."
Er setzte sich auf und legte dabei sein Buch weg. Sein Blick war unergründlich, doch fest auf Antarktika gerichtet.
Sie war sich nicht sicher, ob er ihre Position verstand. Also setzte sie hinzu:
"Für heute morgen meine ich. Das war sehr... fürsorglich."
"Caroline, das war selbstverständlich. Es tut mir Leid, dass meine Gefühle mit mir durchgegangen sind, aber ich konnte dich nicht so dastehen lassen. So... hilflos. Denn dein super tollen Freunde Cameron und Pavel haben dir ja nicht geholfen."
Bei dem letzten Satz war seine Stimme überhaupt nicht mehr sanft.
"Ich danke dir.", Ark sah in seine dunklen Augen, als sie diesen Satz so ernst herausbrachte, wie Alex ihn noch nie gehört hatte.
"Gern geschehen."
"Aber kannst du mir noch einen Gefallen tun?"
"Klar. Was denn? Gibt es etwa noch jemanden der dich so behandelt?", sein Kiefer verspannte sich.
"Nein. Nein. Ich... Ich möchte, dass du mich Ark nennst."
Alex lächelte erleichtert auf.
"Natürlich. Gerne, Ark. Aber dann musst du mir auch erklären warum dein Spitzname Antarktika ist."
Ark überlegte kurz. Sollte sie ihm das wirklich erzählen? Es war für sie ein sehr sensibles Thema. Hätte sich darüber jemand lustig gemacht, hätte sie das sehr verletzt.
Sie stand auf und setzte sich neben Alex auf sein Bett. Er war der letzte Mensch, der sie verletzten wollte. Da war sie sich sicher.
"Also meine Haare sind von Natur aus genauso weiß-blond, wie sie jetzt sind. Das ist heutzutage irgendwie cool geworden, weshalb mich kaum noch jemand darauf anspricht und direkt denkt sie seien gefärbt. Doch ich habe einen Gendeffekt seit meiner Geburt, der meine Haare weiß färbt und meine Haut blass macht. Heute ist mir das egal, aber als ich klein war, wurde ich für meine Intelligenz und Interessen ausgegrenzt. Mein Aussehen war der Anlass für mein Mobbing. Im Kindergarten bis zur Middle School hatte ich dumme Spitznamen wie zum Beispiel Eisprinzessin, Schneeflocke oder eben Antarktika, was der meist Genutzte wurde. Eines Tages kam ich sehr niedergeschlagen nach Hause und mein Großvater brachte mich dazu ihm Alles zu erzählen. Er hörte mir aufmerksam zu, dann begann er über meine Kopf zu streicheln und sagte, dass ich den Namen Antarktika mit Stolz tragen sollte. Denn, was ich damals noch nicht wusste, mein Großvater selber gehörte mit zu den ersten Erforschen der Antarktis. Von dem Tag an erzählte er mir seine Forschungsgeschichten und nannte mich nur noch Ark. Der Name, der mich nicht nur beschreibt, sondern auch meine Geschichte erzählt."
Alex wirkte perplex. Dann nahm er vorsichtig Arks Hand.
"Ich werde nie wieder zu lassen, dass dich irgendjemand mobbt. Nie wieder, Ark."





Lost in SpaceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt