[9] Perfekt

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Am nächsten Morgen, Montagmorgen, schlug ich müde die Augen auf. Die Nacht war lang und aufregend gewesen und trotzdem wusste ich, jetzt würde alles besser werden. Das wusste ich einfach, denn noch nie hatten mein Zwillingsbruder und ich etwas anderes gemeinsam als unsere Gene. Es war das erste Mal, dass wir etwas wirklich gemeinsam hatten. Wir hatten ein Geheimnis.

Es war bereits kurz vor 7 Uhr. Luke würde gleich das Haus verlassen um zur Schule zu fahren, während ich schnell frühstücken und mich umziehen musste, denn mein Unterricht startete um 8 Uhr im Wohnzimmer. Am liebsten hätte ich mich wieder umgedreht und weiter geschlafen, aber das ging nicht. Ich würde wohl oder übel aufstehen müssen.

Genervt stieg ich aus dem Bett, zog mir gemütliche Kleidung an und lief die Treppe herunter. Mein Dad huschte an mir vorbei, drückte mir einen Kuss auf die Stirn, nur um direkt danach vor der Garage in das viel zu große Auto zu steigen, mit welchem er zur Arbeit fuhr. Meine Mom stand in der Küche und sorgte für die Lunchbox meines Bruders, der wiederum saß am Esstisch und schlang sein Essen nur so herunter, der Schulbus, der in diesem Moment vor der Tür hielt, würde nicht warten.

"Viel Spaß in der Schule, Luke!", rief ich ihm nach, während er fluchtartig das Haus verließ. Nach dem Frühstück begann auch schon mein Unterricht. Wie ich es hasste zu Hause unterrichtet zu werden. Ich konnte keine einzige Sekunde nicht aufpassen, dass würde meinem Lehrer sofort auffallen. Freunde gab es hier keine und Pausen waren selten ein Vergnügen.

Als die Hölle auf Erden überstanden war, gab es Mittagessen. Mein Bruder war auch wieder da. Erst Beten, dann Essen, danach verschwanden Luke und ich nach oben in mein Zimmer.

"Freitag wird super!", äußerte er voller Enthusiasmus und schloss die Zimmertür hinter sich. Ich dagegen konnte seine Begeisterung nicht wirklich teilen. Müde ließ ich mich in mein großes Bett fallen und murrte etwas vor mich hin, was so viel bedeuten sollte wie: "Warum das denn?"

"Wenn der große Deal geschafft ist, ist es endlich vorbei, dann bin ich der Boss!"

Ich sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an: "Was für ein Deal? Boss wovon?"

"Außerdem steigt die größte Party der Stadt am Hafen!"

Er lenkte vom Thema ab. "Luke... warum darf ich nichts von deinen illegalen Machenschaften wissen?", fragte ich gerade heraus und setzte mich auf um ihn besser ansehen zu können. Er saß mittlerweile auf meinem Schreibtischstuhl.

"Ginny... je weniger du weißt, desto ungefährlicher ist es für dich."

"Aber-"

"Kein 'Aber'!... Oliver und du, ihr seid übrigens herzlichst eingeladen zu dieser Party. Mom und Dad werden davon nichts mitkriegen, dass steht fest."

Ich sehe ihn lächelnd an. Und dann sage ich etwas, was ich schon lange tun wollte: "Luke? Ich habe dich vermisst."

"Ich dich auch, Prinzessin. Ich dich auch. Und ich bin froh dich wieder an meiner Seite zu haben."

Danach verließ er mein Zimmer wieder. Er wollte zum Sport gehen und ich sollte Hausaufgaben machen. Keiner von uns tat, was er behauptet hatte. Ich las ein Buch, während ich am offenen Fenster auf der Fensterbank saß und als ich zur Straße sah, konnte ich sehen, wie Luke von Clarke empfangen wurde. Sport machen würden die beiden sicher nicht, denn ein Stückchen weiter die Straße herunter, sah ich auch schon seine anderen Freunde.

Der Rest des Tages verging schnell. Ich hatte mich doch noch an die Hausaufgaben gesetzt, damit mein Hauslehrer mir morgen keinen Vortrag hielt, wie wichtig die Hausaufgaben als Übung doch seien. Danach hatte es Abendbrot gegeben und Luke und ich waren getrennt in unsere Zimmer verschwunden. Dort warteten wir beide, dass unsere Eltern endlich ins Bett gehen würden. Sie saßen wahrscheinlich immer noch am Esstisch und unterhielten sich. So wie jeden Abend.

Nachdem sie endlich ins Bett gegangen waren, schlich Luke sich aus seinem Zimmer nach draußen. Ich hörte ihn und beobachtete von meinem Fenster aus, wie er, schon wieder mit gefüllter Sporttasche in der Hand, Clarke draußen vor der Tür traf. Alles schien so entspannt wie immer und die beiden wollten sich wohl gerade aus dem Lichtkegel der Straßenlaterne entfernen, als eine weitere Gestalt neben ihnen auftauchte. Olly. Das erkannte ich auf den ersten Blick. Die drei nickten einander zu, gaben sich die Hände zur Begrüßung und die anderen verschwanden. Olly blieb still schweigend alleine zurück. Ich musste grinsen, da ich wusste, er wartete auf mich.

Leise schlich ich mich aus dem Fenster aufs Vordach und lief kurz danach in meiner kurzen Hose durch unseren großen Garten zu meinem Bodyguard. Er grinste breit. Und das schon seit er mich gesehen hatte, wie ich aus dem Fenster kletterte. Der Wind hatte ihm seine schwarzen Haare zersaust. Er sah süß aus wie er da so stand ujnd auf mich wartete. Lächelnd trat ich zu ihm auf den Fußweg, weil ich dieses Mal nicht vor hatte im Garten zu warten.

"Hallo mein Bodyguard!", grinste ich, verschränkte meine Hände hinter seinem Nacken und küsste ihn. Währenddessen legte er seine Hände an meine Hüfte. "Hallo mein Schatz!" Das Grinsen auf seinen Lippen schien breiter als jemals zuvor. "Ich habe eine Überraschung für dich." Immer noch grinsend nahm er bei diesen Worten meine Hand und zog mich mit sich. Die kühle Sommerbrise zersauste nun auch mir die Haare und ich rückte im Laufen näher an Olly heran. Er sah mich an. "Ist dir kalt?", fragte er und antwortete auf mein Nicken: "Du kannst gleich meine Jacke haben. Wir sind gleich da."

Ein paar Straßen von unserem Haus entfernt lag ein großer Park, dort führte er mich hin.

"Olly? Was wollen wir denn im Park?"

"Das siehst du gleich, sei nicht so ungeduldig."

Und tatsächlich sah ich es schon kurz darauf. An dem kleinen Teich hier im Park hatte er eine Picknickdecke ausgebreitet. Drum herum standen kleine Laternen, die flackernd Kerzenlicht spenden sollten, aber mittlerweile ausgegangen waren. Auf der Decke standen zwei Teller und ein paar kleine Schüsseln mit Essen.

Es war einfach perfekt.

My personal BodyguardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt