Intef
Eine gefühlte Ewigkeit wanderten die beiden nun schon durch den japanischen Wald. Ab einem bestimmten Zeitpunkt während ihres Marsches bezweifelte er sogar schon, dass dieses „Japan‟ überhaupt besiedelt war. Zwar sprachen die Krieger, von denen sich Kira hatte so sehr begeistern lassen, dagegen, dennoch schien es ihm mittlerweile immer unwahrscheinlicher, auf irgendeine Menschenseele zu treffen.
Intef spürte, wie seine Laune stetig sank. Seine Füße schmerzten nach dem langen Marsch und außerdem war ihm unheimlich kalt. Er, der glühend heiße Sonnenstrahlen und flimmernde Luft am Horizont gewohnt war, fragte sich unwillkürlich, wie es in Japan so mörderisch kühl sein konnte. Fröstelnd rieb er sich die Arme in dem dünnen Leinengewand, dass er noch aus Ägypten trug. Ein Seitenblick auf Kira bestätigte ihm, dass ihr die Temperaturen rein gar nichts ausmachten.
Die ganze Zeit schon versuchte er sich davon abzuhalten, an seine Geschwister zu denken. Jedes Mal, wenn eins ihrer Gesichter vor seinem inneren Auge auftauchte und seine Stimmung weiter trübte, zwang er sich, jeglichen Gedanken an sie sofort zu verwerfen. Er war nicht hier, um sich Sorgen um seine Geschwister zu machen. Er war hier, um Tod seines Freundes Ramose zu rächen und das Versprechen einzuhalten, dass Kira und er ihm gegeben hatten. Unwillkürlich wanderten seine Finger wieder zu dem Notizbuch in seiner Tasche – das letzte Andenken an Ramose – und strich nachdenklich mit dem Daumen über die Ränder. Er wusste nur zu gut, dass sein eigenes Verantwortungsbewusstsein nicht eher von ihm ablassen würde, bis er und Kira alle restlichen Zeitreisenden gerettet hatten. Mit diesem Gedanken fasste er neuen Mut und lief mit leichterem Schritt voran, als zuvor.
Er wusste nicht, wie weit seine Füße ihn noch tragen würden, doch ehe er es herausfinden konnte, hörte er Kira rufen: „Sieh mal!‟ Sein Blick folgte ihrem ausgestreckten Arm zwischen den Bäumen hindurch und tatsächlich: Zwischen ihnen glitzerte etwas hindurch, dass er nur allzu gut kannte. Der nostalgische Anblick des in der Sonne glitzernden Wassers weckte schlagartig seine Lebensgeister.
Stürmisch liefen beide zwischen den knorrigen Bäumen umher, bis der Wald schließlich nachließ und den Blick auf eine große Bucht mit einem unendlich lang scheinenden Küstenstrand freigab.
Das Rauschen der Wellen hatte augenblicklich eine beruhigende Wirkung auf sein Gemüt. Fasziniert blickte auf die Bucht hinab, ließ seinen Blick über den kleinen Hafen schweifen, der wie der Kokon eines Schmetterlings an der Küste klebte. Unzählige kleine Häuser mit spitz zulaufenden Dächern reihten sich aneinander und blickten auf die unendliche Weite des Meeres. An den kleinen Docks lagen zwar derzeit nur wenige Schiffe vor Anker, dennoch herrschte ein geschäftiges Treiben in den schmalen Gassen zwischen den kleinen Fischerhäusern.
„Sieht so aus, als wären wir doch noch erfolgreich gewesen.‟ Kira warf ihm ein triumphierendes Lächeln zu.
Intef warf einen genaueren Blick in die Menschenmassen. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass fast alle Leute dunkelbraun bis schwarze Haare hatten und jeder von ihnen eine merkwürdig zugeschnittene Art der Kleidung trug.
„...Ich will ja jetzt nicht meckern‟, begann er. „Aber die Leute da unten sehen total anders aus, als wir. Wenn wir uns jetzt einfach unter die Leute mischen, fallen wir doch mit Sicherheit auf.‟ Er sah skeptisch an sich herunter, verglich seine eigene schlichte Kleidung mit jener der Menschen vor ihm. Als wäre dies noch nicht alles, fiel ihm auf, dass die Japaner viel hellere Haut hatten, als er. Wer einen dunkel gebräunten Ägypter in einer Gruppe Japaner mit hellem Teint nicht erkannte, musste blind sein.
Doch Kira wischte seine Bedenken lässig mit einer Handbewegung zur Seite. „Ach was. Die werden gar nicht merken, dass wir nicht von hier sind.‟ Mit diesen Worten marschierte sie voller Eifer den Hang hinunter in das Getümmel der Menschen.
„Na super.‟ Widerwillig folgte er seiner Freundin. Insgeheim wünschte er sich,sich ebenso sorglos wie sie ins Abenteuer stürzen zu können, jedoch ahnte er von Anfang an, dass ihr Vorhaben zum Scheitern verurteilt war.
„Aber wirf mir am Ende nicht vor, ich hätte dich nicht gewarnt...‟, murmelte er nur für sich selbst hörbar.
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Time Leader - Im Land der aufgehenden Sonne
AdventureBand 2 der Time Traveler-Reihe und Fortsetzung zu "Durch den heißen Wüstensand" Kira und Intef treten ihre erste gemeinsame Zeitreise an, um den Tod ihres Freundes Ramose zu vergelten und die restlichen Zeitreisenden vor der rachsüchtigen Mörderin M...